Automotive Ethernet ist ein Schlüsselelement zur Realisierung von Software-definierten Fahrzeugen. Doch was genau soll Ethernet im Fahrzeug leisten – und was ist bei der konkreten technischen Umsetzung zu beachten?
Zwei Schlagworte beherrschen aktuell die Diskussion um die Weiterentwicklung der Automobilelektronik: Software-Defined Vehicle (SDV) und Zonal Architecture. Dabei geht es stark vereinfacht um die Konzentration von Rechenleistung im Auto weg von zahlreichen einzelnen Steuergeräten (ECU) hin zu einigen wenigen zentralen Hochleistungsprozessoren, auf die neue Funktionen einfach per Software-Update eingespielt werden können.
Dass Automotive Ethernet grundsätzlich eine wichtige Rolle in dieser Fahrzeugarchitektur spielen wird, darüber herrscht in der Branche große Einigkeit. Ganz anders sieht es dagegen bei der Frage nach der konkreten technischen Umsetzung aus: Sollen nach dem Ethernet-Everywhere-Prinzip in Zukunft alle Datenverbindungen im Auto nur noch auf Ethernet basieren? Oder wird es auf lange Sicht doch bei einer gemischten Netzwerk-Architektur bleiben? Verkompliziert wird die ganze Situation zudem dadurch, dass es nicht nur eine Vielzahl an bereits bestehenden Übertragungstechniken gibt, sondern auch ständig an neuen Lösungen gearbeitet wird.
Entsprechend groß war der Diskussionsbedarf beim 11. Automotive Ethernet Congress im Februar in München. Warum gerade etablierte OEMs vor einer besonderen Herausforderung stehen, erläuterte Marcus Wärmer (Cariad) in seiner Keynote. So seien im gesamten VW-Konzern aktuell noch über 500 verschiedene Steuergeräte im Einsatz, während neue Player im Markt ihre Fahrzeugarchitektur ohne Rücksicht auf Altlasten entwerfen können. Zudem erfordere die Breite der Fahrzeugpalette in einem Konzern mit neun unterschiedlich positionierten Marken eine enorme Flexibilität beim zu realisierenden Funktionsumfang. Dennoch steht für Wärmer fest: »Es wird zukünftig nur noch eine einzige skalierbare Tech-Plattform für die gesamte Volkswagen-Gruppe geben.«
Das Ziel ist also klar, doch die Umsetzung hat es in sich. In der Praxis birgt etwa die Integration von Videosignalen in eine zonale Architektur einige Tücken: Hier gibt es einerseits proprietäre Lösungen, andererseits aber auch intensive Bemühungen von der Automotive Serdes Alliance sowie vom IEEE, standardisierte Lösungen zu entwickeln und durchzusetzen. Gleich drei Vorträge von BMW, Volvo und Marvell beschäftigten sich mit diesem Thema, kamen aber zu unterschiedlichen Einschätzungen, welche Variante in welcher technischen Ausprägung die größten Erfolgschancen bietet.
Wie ungebrochen die Dynamik bei der Entwicklung von Automotive Ethernet ist, zeigt sich auch daran, dass immer wieder neue Arbeitsgruppen (Tech Committees, TC) bei der Open Alliance entstehen. So beschäftigt sich das TC18 mit dem sogenannten Remote Control Protocol (RCP), das wesentlich dazu beitragen soll, die Intelligenz auch von Peripheriegeräten zu zentralisieren. Konkret sollen mit eigener Software ausgestattete MCUs zur Steuerung etwa von Sensoren und Aktoren (Fensterheber, Scheibenwischer o. Ä.) durch einfache Bridges ersetzt werden und die Steuerungsintelligenz nur noch als virtuelle ECU auf einem zentralen Rechner laufen. Das spart nicht nur Kosten bei der Hardware, sondern ermöglicht zudem effizientere und flexiblere Software-Lösungen. Neben einem eigenen RCP-Themenschwerpunkt auf der Konferenz gab es in der begleitenden Ausstellung auch bereits mehrere Proof of Concepts für RCP-Anwendungen zu sehen. Mit dem Thema Switches wiederum befasst sich das frisch gegründete TC19, dessen Fokus auf der Entwicklung von Software für das Management und die Konfiguration von Automotive Ethernet Switches liegt.
Weitere Themenschwerpunkte auf dem Automotive Ethernet Congress waren u. a. die 10-Mbit-Ethernet-Variante 10Base-T1s, zeitkritische TSN-Netze, Safety- und Security-Lösungen sowie neue Entwicklungen auf PHY- und Kabel-Ebene. In begleitenden Workshops gab es zudem konkrete Hilfestellungen für verbesserte Validierungsprozesse bei TSN-basierten Systemen innerhalb zonaler Architekturen sowie für den Einsatz von Glasfaserverbindungen in Multi-Gig-Netzwerken. Eine Premiere feierte die SOME/IP Master Class von Technica zum Kongressauftakt: Einen ganzen Tag ging es nur um die Grundlagen und Feinheiten einer serviceorientierten Kommunikation im Fahrzeug. Und obwohl diese Middleware eigentlich inzwischen ein etablierter Standard ist, bewiesen die vielen Fragen der Teilnehmer, dass es bei ihrer praktischen Anwendung immer noch großen Beratungsbedarf gibt.
Eines ist also schon sicher: Auch auf dem nächsten für Ende März 2026 in München geplanten Automotive Ethernet Congress wird es wieder viel zu diskutieren geben.