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Braucht irgendjemand 450-mm-Wafer?

21. September 2016, 11:26 Uhr | Iris Stroh
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Der Sprung muss zeitlich passen

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Jürgen Weyer, NXP Semiconductors »Viele Applikationen haben einfach nicht das Volumen, die die immensen Entwicklungs-kosten rechtfertigen, die neue Technologien erfordern.«
© Componeers GmbH

Wie sieht es mit Multi-Product-Wafern aus? Buchholtz hält diesen Ansatz für das Prototyping für ein durchaus gutes Verfahren, aber mehrere Projekte auf einem Wafer in der Serienfertigung zu realisieren, ist nicht so einfach, denn dann muss der Hersteller sehr genau darauf achten, dass jedes Stück Siliziumfläche wirklich ausgenutzt wird – ein Verfahren, das bislang alles andere als optimiert wurde.

Jürgen Weyer, Vice President Automotive Sales EMEA bei NXP Semiconductors, sieht eine Alternative dazu darin, dass man Applikationen zusammenfasst und nicht für jede Applikation einen anderen Chip entwickelt. Weyer: »In der Vergangenheit haben wir für jede Applikation ein maßgeschneidertes Produkt realisiert. Das war früher auch kommerziell darstellbar. Mit den neuen Technologien und den damit verbundenen Maskenkosten geht das nicht mehr. Also müssen wir schauen, dass wir die Applikationen zusammenfassen und ein Produkt realisieren, das programmierbar ist. Eventuell ist hier auch die FPGA-Technologie notwendig. Ich bin mir nicht sicher, ob es effizient ist, zehn verschiedene Designs auf einen großen Wafer zu packen.«

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Prof. Dr. Peter Kücher, Fraunhofer EMFT »Eine Fab für 450-mm-Wafer in einem Markt zu etablieren, der nicht wächst, wäre Wahnsinn.«
© Componeers GmbH

Prof. Dr. Peter Kücher, Leiter Business Development Fraunhofer-Einrichtung für Mikrosysteme und Festkörper-Technologien beim Fraunhofer EMFT, weiß, was es heißt, den Übergang von einer Wafer- auf die nächste Wafer-Größe zu vollziehen, denn er war Chef des Joint-Ventures Semiconductor300, mit dem Infineon und Motorola in Dresden den Übergang auf 300-mm-Wafern vollzogen haben. Er ist überzeugt, dass für solch einen Übergang ein Wachstumsmarkt, ein hoch-volumiges Produkt und eine entsprechende Firmenstrategie notwendig sind. Kücher: »Infineon hat damals auf 300 mm gesetzt, nicht weil man es toll fand, sondern weil Infineon für den Speichermarkt zu klein war.« Die Rechnung war einfach: Damals musste ein Unternehmen zur Finanzierung des nächsten Knotens rund 500 Mio. Euro investieren. Unter der Annahme, dass diese 500 Mio. Euro rund 15 Prozent des Umsatzes sind, kann man einfach ausrechnen, welchen Umsatz damit generiert werden muss, sprich wie groß ein Unternehmen sein muss. Also stand bei Infineon die Entscheidung an, ob das Unternehmen mindestens drei 200-mm-Fabs oder eben eine 300-mm-Fab baut.

Wie die Entscheidung ausfiel, ist bekannt. Laut Kücher wurden die Akteure damals für verrückt gehalten, in Dresden eine Linie hinzustellen, in der die Anlagen noch nicht ausgereift sind. Jeder war überzeugt, dass das nicht funktionieren kann, aber: »Das erste Los, das auf dieser 300-mm-Linie gefertigt wurde, hatte eine Ausbeute von 64 Prozent«, so Kücher. Dass die Ausbeute selbst beim ersten Los schon so hoch war, ist darauf zurückzuführen, dass man einen Prozess genutzt hat, der auf 200-mm-Wafern voll beherrscht wurde. Insofern wussten die Entwickler, dass auftretende Probleme nicht am Prozess selbst liegen konnten.

Wer soll die Entwicklung bezahlen?

Wie schon erwähnt, besteht bei 450-mm-Wafern auch ein Problem darin, dass keiner die dafür notwendigen F&E-Investitionen stemmen will. Beim Sprung auf 200-mm-Wafer holte sich IBM eine blutige Nase, beim Sprung auf 300 mm waren es die Equipment-Hersteller, die lange draufgezahlt hatten. Buchholtz: »Sie haben ihre Entwicklungskosten erst viel später über den Verkauf wieder hereinbekommen. Die Konsolidierung hatte dazu geführt, dass viele IC-Hersteller ausgeschieden sind und deshalb gar nicht so viele 300-mm-Tools weltweit verkauft wurden, wie ursprünglich angenommen. Für 450 mm wird das noch schwieriger, weil es weltweit nur noch zwei, drei Firmen gibt, die überhaupt an 450 mm interessiert sind.«

Aus der Sicht von Dr. Andreas Wild, früherer Executive Director von ENIAC JU, kann das Vorhaben „450 mm“ nur funktionieren, wenn die Equipment-Hersteller ein neues Geschäftsmodell verfolgen. Ein Beispiel dafür, wie so etwas ausschauen kann, ist ASML: Das Unternehmen startete 2012 sein „Customer Co-Investment Program“ rund um die Entwicklungen zur EUV-Technologie und der 450-mm-Wafer-Fertigung und nahm damit Intel, TSMC und Samsung mit ins Boot. Die Unternehmen investierten nicht nur viel Geld, sondern kauften sich gleich bei ASML ein. Allerdings ist es mehr als fraglich, ob Intel, Samsung und TSMC bereit sind, in alle möglichen Equipment-Hersteller zu investieren.

Wild teilt die Skepsis gegenüber 450-mm-Wafern aber grundsätzlich nicht. Auch früher habe es Argumente gegen den Wechsel auf die nächst größere Scheibengröße gegeben, doch jedes Mal wurde der Wechsel trotzdem vollzogen. Deshalb ist er überzeugt, dass dies auch bei 450 mm der Fall sein wird. Darüber hinaus weist er auf einen ganz anderen Vorteil hin, den so ein Wechsel mit sich bringen kann: »Beim Übergang von 200 auf 300 mm wurde ja nicht nur die Wafer-Größe verändert, sondern es kamen ganz viele andere Neuerungen wie beispielsweise eine deutlich höhere Reinheit der Chemikalien. Und das hatte zur Folge, dass mit den größeren Wafern eine höhere Ausbeute erreicht wurde.« Natürlich ist auch Wild der Überzeugung, dass so ein Schritt nur dann erfolgt, wenn es den Bedarf aufgrund einer wachsenden Anwendung gibt. Aber auch das sieht er nicht wirklich als Problem an, denn der Bedarf an Silizium wächst nun mal stetig. Derzeit liegt der weltweite Verbrauch bei einer Fläche von etwa 6 km². Vor drei, vier Jahren waren es erst 4,5 km². Projiziert man diese Entwicklung auf einen Zeitraum von fünf Jahren, dann ergeben sich 12 km² für das jahr 2021. Wild: »Es kann sein, dass dann immer noch 3, 4 oder 5 Zoll die richtige Lösung sind, aber es kann auch sein, dass irgendwann die ganz großen Wafer die bessere Lösung darstellen, das ist durchaus denkbar – die Wirtschaft wird sagen, wann der richtige Zeitpunkt ist«, so Wild.

Aber wären die von Wild erwähnten Neuerungen nicht sowieso gekommen, auch wenn der Übergang auf 300 mm nicht stattgefunden hätte? Aus Höhnes Sicht zumindest nicht so schnell, denn bei 200-mm-Wafern wurde die Reinheit der Materialien nicht unbedingt gebraucht. Höhne: »Durch den Schritt auf 300 mm hat sich der Einsatz aber richtig gelohnt.« Ähnliches könnte auch beim Übergang auf 450 mm passieren. Kücher abschließend: »Beispielsweise könnten dabei auch Verfahren für Einzel-Wafer-Handling oder Ähnliches mitentwickelt werden.« Und dann wäre der Schritt auf die nächste Wafer-Größe für viel mehr Halbleiterunternehmen interessant.


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