Mit einem induktiven Produktspektrum, das von Trafos bis zu Drosseln und Filtern reicht, will Jens Niels Haake, Technischer Vertriebsleiter bei Kohsel, das Neugeschäft in der DACH-Region und den Benelux-Staaten vor allem im Bereich erneuerbarer Energien und der Ladeinfrastruktur vorantreiben.
Markt&Technik: Herr Haake, Sie wollen als neuer Technischer Vertriebsleiter bei Kohsel die Geschäftsaktivitäten in Deutschland wieder intensivieren. Warum war es in den letzten zwölf Monaten so still um Kohsel?
Jens Niels Haake: Im April letzten Jahres verstarb völlig unerwartet Frank Schiff, der das Kohsel-Geschäft in Deutschland seit 2017 aufgebaut hatte. Unter dem Eindruck der weltweiten Corona-Pandemie und ihrer Auswirkungen auf die Elektronikbranche stellte Kohsel den weiteren Ausbau des Geschäfts in Deutschland in der Folge erst einmal zurück. Ich habe nun im Dezember letzten Jahres den Staffelstab wieder aufgenommen.
Schon Schiff hatte darauf verwiesen, dass es in Deutschland ein Kohsel-Geschäft im Umfang von rund 2 Millionen Euro gab, ohne dass Kohsel hier wirklich vertriebstechnisch aktiv war. Ist das auch in der Corona-Pandemie so geblieben?
Ja, wir haben an Umsatz in Deutschland durch die Pandemie nichts verloren! Diesen Grundstock in Höhe von rund 2 Millionen Euro liefern drei große Firmen aus den Bereichen Maschinenbau und Ventilatorentechnik. Wobei man hier vielleicht auch einen kulturellen Unterschied zwischen Deutschland und Dänemark hervorheben sollte.
In Dänemark wie auch in den anderen skandinavischen Staaten macht der Techniker den Vertrieb mit. Der Erstkontakt ergibt sich häufig über die Technik, vergleichsweise spät kommt dann der Vertrieb hinzu. Das ist ein deutlicher Unterschied zu den Gepflogenheiten auf den Märkten der DACH-Region oder auch der Benelux-Staaten.
Wenn Sie das Geschäft in Deutschland ausbauen wollen, wie viele Projekte könnten Sie jährlich in der DACH- und Benelux-Region realisieren?
In unserer dänischen Zentrale in Hornung arbeiten derzeit sieben Entwickler, dazu kommen zwei in Lettland sowie Ingenieure in Thailand. Ich würde sagen, wir sind in der Lage, jährlich über 100 neue Projekte in den genannten Regionen zu verwirklichen.
Sie sprachen ja bereits von den existierenden Maschinenbaukunden. Gibt es andere Anwendungsbereiche, in denen Sie für die Zukunft großes Potenzial sehen?
Ich sehe für uns auf dem deutschsprachigen Markt derzeit das größte Wachstumspotenzial im Bereich Drosseln und Filter. Dabei denke ich vor allem an Anwendungen in den erneuerbaren Energien und der Ladeinfrastruktur. Etwa Trafos für große Frequenzumrichter oder DC-Drosseln im Bereich der Solarenergie. Aber auch Applikationen wie Hypercharger und Ladestationen eignen sich hervorragend für unsere Produkte.
In welchen Leistungsklassen bewegen sich die Produkte, für die Sie in der DACH-Region und Benelux nach neuen Kunden suchen?
Bei den großen 500-kg-Trafos geht das bis 300 kVA, bei den Drosseln bis 2300 A. Das sind sicher Maximalwerte. Im intensiven Austausch mit den Kunden versuchen wir, die technisch und wirtschaftlich passende Lösung für den Kunden zu finden. Pilotprodukte entstehen dann in Dänemark, und je nach Produkt und Leistungsklasse erfolgt die Serienfertigung dann entweder in Lettland oder in Thailand. Auf diese Weise stellen wir dem Kunden maßgeschneiderte Produkte für dessen Serienfertigung zur Verfügung. In Lettland wurde die Produktion gerade modernisiert und in Thailand die Fertigungskapazitäten noch einmal deutlich erhöht. Aber es geht nicht nur um neue Fertigungslinien, sondern auch darum, die existierenden besser und effizienter zu nutzen. Fehlerminimierung und Prozessoptimierung sind entscheidende Faktoren bei der Steigerung existierender Produktionskapazitäten.
Es gibt den Spruch „Leistungselektronik entwickelt man nicht im Homeoffice“. Wie sehr hat die Pandemie die Unternehmensentwicklung behindert?
Es wurde viel on Hold gesetzt. Darüber hinaus waren und sind viele Entwickler im Homeoffice. Das erschwert die Zusammenarbeit und die Vertrauensbildung. Für uns als Spezialisten für kundenspezifische Lösungen ist der Face-to-Face-Kontakt elementar. Ich kann auch verstehen, wenn ein Entwickler sagt, “alles über 50, 60 V will ich nicht auf meinem Küchentisch machen!“ Momentan arbeiten wir viel über LinkedIn, aber ich hoffe, dass wir ab dem 3./4. Quartal mit weiteren Erleichterungen im Geschäftskontakt rechnen können, und uns dann auch wieder zusammen an einen Tisch setzen können.
Aktuell beschäftigt Kohsel rund 500 Mitarbeiter. Ursprünglich war es das Ziel, den Umsatz bis 2020 auf 50 Millionen Euro zu steigern. Ist das gelungen?
Nein, der Umsatz lag im Vorjahr bei 32 Millionen Euro. Das Erreichen der 50 Millionen Euro hat man sich nun für 2025 zum Ziel gesetzt. In diesem Zeitraum wollen wir auch hier in Deutschland den Umsatz um über 1 Million Euro steigern.
Wie stellt sich für Kohsel aktuell die weltweite Umsatzverteilung dar?
Wir erzielen aktuell etwa 60 Prozent unseres weltweiten Umsatzes in Europa. Asien steuert rund 30 Prozent bei und der Umsatzanteil der USA liegt bei etwa 10 Prozent.
Weltweit kämpfen Hersteller seit über einem Jahr mit Problemen in der Logistik- und Lieferkette. Wie hat sich das für Kohsel bislang ausgewirkt?
Angesichts der deutlich gestiegenen Rohstoffpreise, etwa bei Kupfer oder Kunststoff, gab es bei Kohsel im Mai dieses Jahres eine Preiserhöhung. Das Thema Logistik wird immer komplexer. Inzwischen bekommen große Reedereien in einzelnen Häfen nur noch Timeslots für Be- und Entladung. Versäumen sie diese Timeslots, wird es schwierig. So waren wir ganz konkret vom Stau im Suezkanal betroffen. Der einzige Weg, sich dagegen abzusichern, besteht schlicht und einfach in einer vorausschauenden Lagerhaltung!