Mit dem Aufbau eines eigenen Vertriebsnetzes stößt der italienische Spezialist für magnetische Komponenen PowerCoils aktuell erstmals auf den deutschen Markt vor.
Sales Director Ciriaco Petruzziello erwartet dabei insbesondere beim Thema Ladestationen und Schnellladung im E-Mobility-Bereich Erfolge.
Markt&Technik: Ihr Hauptsitz ist Merone, in der Lombardei; ihre Vorserienproduktion befindet sich in Pescara, in den Abruzzen. Gibt es einen besonderen Grund für diese klare räumliche Trennung?
Ciriaco Petruzziello: In Italien war der Telekommunikationssektor in den 1980er-Jahren vor allem in den geografischen Gebieten um Pescara in der Region Abruzzen, etwa 150 km östlich von Rom, sehr aktiv. Viele wichtige Produktionsstätten großer Unternehmen wie Ericsson, Alcatel und Italtel, um nur einige zu nennen, waren dort angesiedelt und beschäftigten über 2000 Mitarbeiter pro Werk.
Sie sprechen in der Vergangenheitsform. Was hat sich seither geändert?
In der Region um Pescara war nicht nur die Produktion für die Telekommunikationsindustrie ansässig, sondern auch für Weiße Ware und für die Musikindustrie. Politische Beschlüsse hatten dann aber eine progressive Stilllegung dieser Produktionsstätten zur Folge. Aber die hohe technische und technologische Kompetenz verlieb in dieser Region.
Das erklärt den Standort Ihrer Vorserienproduktion; welchen speziellen Grund gab es dann, sich als Hauptsitz des Unternehmens für Merone zu entscheiden?
Italien hat eine Gesamtlänge von über 1300 Kilometern. Wir wollten eine optimale Marktabdeckung für das nationale Territorium. Merone liegt etwa 30 Kilometer von der Schweizer Grenze entfernt. Dort befinden sich die Büros des CEO, Einkauf, Vertrieb, die Buchhaltung und ein Lager. Wir bedienen von Merone aus direkt den Schweizer Markt. Unser zweites italienisches Büro, das 2018 eröffnet wurde, befindet sich in Pescara. Auf 2500 m2 finden Sie dort unsere Design- und Entwicklungsabteilung, die Vertriebsbüros, ein Lager zur Bedienung des italienischen Marktes und unsere nationale Produktionseinheit.
In der ersten Jahreshälfte 2020 war die Lombardei einer der Hotspots der Corona-Pandemie in Europa. Wie wirkte sich der Lockdown auf das Unternehmen aus?
Am Ende des ersten Lockdowns im Frühjahr 2020 hatten wir das Risiko für eine neue mögliche und unvorhersehbare Aussetzung der Arbeit an einem oder an allen unseren Produktionsstandorten in Italien und Tunesien aufgrund neuer Einschränkungen durch den Gesundheitsnotstand erkannt. Wir führten eine Risikoanalyse durch und haben Maßnahmen ergriffen, um jede Produktionseinheit autonom und auch redundant in Bezug auf die gesamte Produktpalette von PowerCoils aufzustellen. Wir entschieden uns für die notwendigen Investitionen, um unsere Lieferkontinuität auf dem Markt sicherzustellen. Dazu wurden unter anderem einige Produktionslinien von Grund auf neu eingerichtet, wir haben Geräte und Maschinen verlagert und mehr als 20 Mitarbeiter neu eingestellt.
Sie produzieren in China und Tunesien. Inwieweit behindern Lieferkettenprobleme, insbesondere aus China, derzeit das Geschäft von PowerCoils?
Etwa 30 Prozent des Geschäfts von PowerCoils baserien auf der Lieferkette aus China, rund 60 Prozent aus der Produktion in Tunesien und etwa 10 Prozent kommt aus Italien.
PowerCoils erzielte im Jahr 2019 einen Umsatz von 7 Millionen Euro. Gibt es eine Zahl für 2020? Mit welcher Umsatzentwicklung rechnen Sie in den nächsten Jahren?
Im Wesentlichen können wir für 2020 von einer Konsolidierung des Umsatzes aus dem Vorjahr sprechen. Ursprünglich war es vor Covid-19 unser Ziel, bis 2023 ein Umsatzniveau von 10 Millionen Euro zu erreichen. Wir arbeiten weiter hart daran, dieses gesteckte Ziel zu erreichen.
Welches waren bislang die umsatzstärksten Produktsegment von PowerCoils und welche wiesen in den letzten Jahren die höchsten Steigerungsraten auf?
Wir haben einen Aufschwung bei allem erlebt, was mit Ladestationsprodukten für E-Autos zu tun hat, speziell für solche mit Schnellladung, wo unsere Komponenten gut passen. PowerCoils arbeitet in dieser Anwendung seit 2016 an der Seite von Kunden und startete die Produktion zur Jahreswende 2019/20. Natürlich wirkte sich die Pandemiekrise negativ aus, doch dieser spezifische Sektor machte zuletzt einen Anteil von 10 Prozent unseres Gesamtumsatzes aus. Im Jahr 2019 waren es noch weniger als 2 Prozent.
Wie verteilt sich das Umsatzvolumen von PowerCoils regional?
Unser Hauptmarkt ist bislang ganz klar Italien mit etwa 70 Prozent, gefolgt vom Schweizer Markt mit etwa 30 Prozent.
Vor diesem Hintergrund: Welche Bedeutung hat der deutsche Markt für PowerCoils?
Die Antwort auf diese Frage hängt eng mit dem vorherigen Punkt zusammen. Wir sind jetzt bereit, uns der Herausforderung zu stellen und in den internationalen Markt, insbesondere in Europa, einzutreten. Der deutsche Markt und auch der DACH-Markt sind attraktiv für unser Geschäft. Wir sind der Meinung, dass unsere Lösungen insbesondere für die Anwendungen in der E-Mobilität die Anforderungen und Erwartungen der Automobilbranche erfüllen.
Wie verteilt sich der Umsatz nach Anwendungsbereichen wie Automotive, Industrie und Bahntechnik?
Wichtigster Abnehmermarkt ist sicherlich der Bereich der Industrieelektronik; auf diesen Anwendungsbereich entfallen rund 40 Prozent unseres Umsatzes. Auf Produkte und Lösungen für Ladestationen im Automobilbereich entfallen wohl 20 Prozent. Smart Appliances steuern 15 Prozent zum Umsatz bei. Jeweils 10 Prozent des Umsatzes entfallen auf die Applikationsbereiche Audio und Bahntechnik.
Sie arbeiten offenbar für das Hyperloop-Projekt. Was genau entwickelt oder liefert PowerCoils da?
Wir entwickeln ein Projekt, in dem wir untersuchen, wie das Konzept des ERTMS (European Rail Traffic Management System) mit Satellitenverbindung umgesetzt werden kann. Wir schauen uns sorgfältig einige laufende Studien an, die in die Richtung gehen, das ERTMS-System mit denen kompatibel zu machen, die für das Hyperloop-Management erforderlich sind. Sollten sie sich bestätigen, wäre das eine gute Nachricht für uns. Wir sind bereits in einer Reihe von Projekten mit ERTMS aktiv, sodass der Übergang zum neuen Geschäft mit Hyperloop wirklich zum Greifen nahe sein könnte.
Können Sie eine Zahl für die Projekte nennen, die Sie pro Jahr kundenspezifisch in Angriff nehmen?
Wir haben im letzten Jahr über 450 neue kundenspezifische Produkte entwickelt. Weniger als 50 Prozent davon wurden in die Massenproduktion überführt. Für uns ist das ein ganz normaler Prozentsatz, das ist unser Geschäftsmodell: Wir investieren Geld in Forschung und Entwicklung, einschließlich der Kosten für die Realisierung von Mustern. Dafür investieren wir jährlich rund 10 Prozent unseres Umsatzes in F&E und beschäftigen vier Mitarbeiter im Forschungs- und Entwicklungsbereich.
Liege ich falsch in der Annahme, dass die kundenspezifische Natur Ihrer Produkte den Weg über Distribution ausschließt und PowerCoils nur Direktgeschäft macht?
Unser Geschäftsmodell erfordert Vertriebsmitarbeiter und Agenten vor Ort, die in der Lage sind, den Kunden und Interessenten, die oft Hilfe bei der Auswahl oder Entscheidung benötigen, persönliche Unterstützung, Ratschläge und Service zu bieten. In Bezug auf den DACH-Raum und speziell den deutschen Markt, sind wir derzeit gerade dabei, dort ein Vertriebsnetz mit einem Büro dort zu etablieren, mit Handelsvertretern und Repräsentanten, die vor Ort im Namen von PowerCoils handeln.