Autofahrer verlieren unterwegs immer häufiger das Wesentliche aus dem Blick: Rund jeder zehnte Verkehrstote geht laut einer Verkehrssicherheitsstudie des Allianz Zentrums für Technik mittlerweile auf den Faktor Ablenkung zurück. In Deutschland verloren dadurch im Jahr 2016 rund 350 Personen ihr Leben, 94 mehr als durch Alkohol am Steuer. In den USA, wo im Jahr 2015 alleine durch Ablenkung am Steuer 3.477 Menschen starben, ergab eine im Vorjahr veröffentlichte Studie des Virginia Tech Transportation Institute ähnlich Besorgniserregendes:
Demnach sind Personen hinter dem Lenkrad heute insgesamt rund über die Hälfte (52 Prozent) der Fahrdauer abgelenkt. Über 6,4 Prozent der Zeit beschäftigen sie sich dabei eingehend mit ihrem Mobiltelefon, wobei sich das Unfallrisiko beim Texten sogar verzehnfacht.
»Driver Distraction Assist kann dazu beitragen, Ablenkung am Steuer zu erkennen. Die Funktion warnt den Fahrer entsprechend und unterstützt ihn im Notfall so lange, bis eine potenziell gefährliche Situation überwunden ist«, erklärt Dr. Harald Naunheimer, Leiter der zentralen Forschung und Entwicklung bei ZF.
Technische Basis des Anti-Ablenkungsassistenten ist eine lernfähige, laserbasierte Time-of-Flight Innenraumkamera: Diese erfasst die Position des Fahrerkopfs dreidimensional und – im Gegensatz etwa zu digitalen Videosystemen – zuverlässig bei Tag und bei Nacht, selbst bei schwierigen Lichtverhältnissen. Infolgedessen kann sie erkennen, sobald der Blick des Fahrers vom Verkehrsgeschehen abgewandt ist. Droht dadurch Gefahr, schlägt das System in der ersten Stufe optisch durch Warnung im Zentraldisplay, akustisch sowie haptisch durch aktives Straffen des Sicherheitsgurts Alarm.
Parallel dazu unterstützt der Anti-Ablenkungsassistent den Fahrer bei der Längs- und Spurführung des Fahrzeugs, auch in Kurven. Reagiert der Fahrer weiterhin nicht – ein Fall, der bei Übergabeszenarien vom automatisierten zum assistierten Fahrmodus ebenfalls eintreten kann – nimmt das System das Antriebsmoment kontinuierlich zurück. Im letzten Schritt kann es bei weiterhin bestehender Ablenkung sogar die Gasannahme zurücknehmen und den Wagen an sicherer Stelle anhalten.
Die Funktionsneuheit »Wrong-way Inhibit« soll allen voran dem Phänomen »Geisterfahrer« und seinen oft schwerwiegenden Folgen aktiv entgegenwirken: Auf US-Highways fallen dem National Transportation Safety Board zufolge Falschfahrern jedes Jahr durchschnittlich 360 Menschen zum Opfer. In Deutschland waren es 2016 insgesamt zwölf Tote – bei 2.200 Warnmeldungen vor Falschfahrern im Verkehrsfunk (laut ADAC). »Mit Wrong-way Inhibit wollen wir die traurige Statistik von Unfällen aufgrund von Falschfahrern künftig obsolet machen«, betont Naunheimer.
Das System aktiviert sich bereits, wenn der Fahrer per Blinker und eindeutiger Lenkbewegung andeutet, dass er in falscher Richtung in eine Straße einfahren will – sei es infolge von Ablenkung, schlechter Sicht oder fehlender Orientierung. Steuert dieser etwa anstelle einer Autobahnauffahrt die Autobahnabfahrt an, warnt ihn das System zunächst akustisch, haptisch via Gurtvibration und optisch im Informations-Display. Zudem gibt auch das Lenkrad beim Einlenken mittels deutlich erhöhten Lenkwiderstands dem Fahrer unmissverständlich zu verstehen, dass er im Begriff ist, falsch abzubiegen. Sollte der Pilot dennoch abbiegen, hält das System den Wagen am äußeren Fahrbahnrand und bremst zunächst auf Schrittgeschwindigkeit und schließlich bis zum Stillstand ab.
Zudem schalten sich sofort das Abblendlicht und die Warnblinkanlage ein, um entgegenkommende Fahrzeuge vor dem Falschfahrer zu warnen. Falls eine Ausweichfläche vorhanden ist oder der Rückwärtsgang eingelegt wird, gestattet das System dem Lenker, entlang des Fahrbahnrands sicher aus der Gefahrenzone zu fahren. Welcher Weg und welche Richtung richtig oder falsch ist, weiß das »Vision Zero Vehicle« über hochgenaue und via Cloud permanent aktualisierte Karten sowie über ein Front-Kamerasystem, welches Verkehrsschilder genauso wie Fahrbahnmarkierungen exakt erkennt und interpretiert.