Interview mit Prettl Electronics

»Frühzeitige Trendanalysen sichern die Qualität«

25. Oktober 2021, 9:00 Uhr | Nicole Wörner
Miroslaw Dziuba, Prettl: »Ich würde behaupten, dass bei uns die ersten Ansätze von „Human-in-the-loop“ sichtbar sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Repwin-Anwendung von Compass.«
Miroslaw Dziuba, Prettl: »Ich würde behaupten, dass bei uns die ersten Ansätze von „Human-in-the-loop“ sichtbar sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Repwin-Anwendung von Compass.«
© Markt&Technik / Prettl Electronics

Elektronikfertiger müssen Schwankungen und Schwachstellen im Produktionsprozess rechtzeitig identifizieren und gezielt korrigieren können. Prettl Electronics setzt dazu auf die Prüfdatenanalyse-Software Compass von Spea. Miroslaw Dziuba, Geschäftsführer von Prettl, über das Tool im Praxiseinsatz.

Markt&Technik: Prettl setzt in Sachen Prozess- und Qualitätskontrolle unter anderem auf die Compass-Software von Spea. In welchem Bereich der Fertigung setzen Sie diese Lösung ein?

Miroslaw Dziuba: In erster Linie wird Compass an jedem klassischen allgemein bekannten Prüftor wie der SMT-AOI, der manuellen Sichtkontrolle, nach dem Wellenlöten, dem In-Circuit-Test und dem Funktionstest eingesetzt. In Kombination mit einem kognitiven Kamera-Assistenzsystem kommt Compass auch bei der manuellen THT-Bestückung, der manuellen Montage und der optischen Endkontrolle zum Einsatz. Somit stehen Reparatur- und Prüfdaten aus allen manuellen und automatisierten Prozessen zur weiteren Auswertung am Onlineviewer oder an den Reparaturplätzen zur Verfügung.

Die Compass-Software ist mit den Prüf- und Inspektionssystemen nahezu aller Hersteller kompatibel. Wie wichtig ist diese flexible Individualisierung für Prettl?

Das ist für uns sehr wichtig. Die offene ASCII-Schnittstelle von Compass erlaubt uns, jedes beliebige Testsystem und sogar – wie erwähnt – manuelle Bestück- und Montageplätze einzubinden. Mit ein wenig Programmier-Know-how im Unternehmen kann man dies selbst umsetzen, oder man beauftragt Spea mit der Anbindung. Vorteil dabei ist auch, dass man nur einmal für die Schnittstelle bezahlt und sich die Kosten nicht wie bei vielen anderen Anbietern nach der Anzahl der Systeme richten.

Wo sehen Sie für Ihr Unternehmen den konkreten Mehrwert?

Der konkrete Mehrwert liegt in der Möglichkeit der Datenerfassung aller Prozesse und Prüftore, auch der manuellen Prozesse und Kontrollen, also konkret der Möglichkeit der Digitalisierung. So analysieren und visualisieren wir unsere Prozess- und Prüfdaten in Echtzeit und erreichen geschlossene Regelschleifen.

Anhand der Analyse der Prüfdaten durch den gesamten Fertigungsprozess hindurch lassen sich Fehlerquellen früh erkennen. Ist die Null-Fehler-Rate damit erreichbar? Ist sie überhaupt realistisch?

Ich bin überzeugt, dass die Null-Fehler-Rate in der Elektronikfertigung nie erreicht wird. Wir reden hier von einer Vielzahl komplexer Prozesse, die von sehr vielen Faktoren beeinflusst werden, die sich ständig verändern – auch durch Weiterentwicklungen in der Bauteileindustrie. Zusätzlich haben wir den Faktor Mensch. Menschen machen Fehler, und auch Messsysteme haben immer ihre Toleranzen. Daher spreche ich hier lieber von einer Null-Fehler-Strategie, also von einer kontinuierlichen Verbesserungsstrategie. Und an dieser Stelle ein klares „Ja“, die eingesetzten Systeme haben uns geholfen, einen Schritt weiter zu kommen.

Weniger Fehler, weniger Ausschuss – das spricht für eine deutliche Steigerung der Produktivität. Lässt sich das in konkreten Zahlen ausdrücken?

Wir haben in den vergangenen zwei Jahren eine Produktivitätssteigerung von zehn Prozent pro Jahr erreicht und konnten die Fehlerkosten jedes Jahr um 20 Prozent reduzieren.

Mal abgesehen von den übergeordneten ERP-Systemen – wird ein Elektronikfertiger in Zukunft noch ohne eine detaillierte Auswertung und Trendanalyse der Prüf- und Inspektionsdaten, wie es Compass liefert, auskommen?

Nein, diese Vielzahl und Komplexität der Prozesse und Daten kann ein ERP-System nicht bearbeiten und abbilden, und man wird immer Systeme und Schnittstellen wie Compass benötigen. Man kann natürlich, wenn man einen Schritt weiterdenkt, die aus Compass gefilterten Daten und Informationen an das ERP-System übergeben.

Am Stichwort „Künstliche Intelligenz“ kommt man auch in der Elektronikfertigung nicht herum. Welche Rolle spielt KI aus Ihrer Sicht für die Zukunft?

Eine sehr große. Schon jetzt sieht man einen sehr klaren Trend, wo beispielsweise Maschinen und Softwarehersteller durch KI einen Teil der Programmierung automatisch übernehmen.

Man spricht auch von „hybrider KI“ oder „Human-in-the-loop“. Ist das bei Ihnen schon Realität? In welchen Anwendungen?

Ich würde behaupten, dass bei uns die ersten Ansätze von „Human-in-the-loop“ sichtbar sind. Ein gutes Beispiel dafür ist die Repwin-Anwendung von Compass. Der Mensch repariert mit Unterstützung von Compass die Leiterplatten und registriert Fehlerdiagnosen und Reparaturen in der Software. Compass verarbeitet diese Einträge in einem erfahrungsbasierten Tippsystem und unterstützt auf dieser Grundlage den Bediener bei weiteren Reparaturen.

Was empfehlen Sie kleineren Unternehmen, die noch an der Schwelle zur Digitalisierung stehen?

Sich gute Partner zu suchen, die flexible Systeme bieten und einen auf diesem Weg begleiten. Das System im Pilotprojekt zu testen, und wenn es funktioniert, weiter ausbauen und verbessern. Hier arbeiten wir sehr gerne nach der Lean-Philosophie „Lieber zehn Prozent heute, als 100 Prozent nie“.

Die Fragen stellte Nicole Wörner.

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