Medizintechnik-Highlights aus Düsseldorf

Nachklapp Medica und Compamed

9. Dezember 2023, 14:00 Uhr | Ute Häußler
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Von Silikonharz für den 3D-Druck, eine modulare Plattform für die Digital-Health-Entwicklung über elektronische Diagnosepillen bis hin zu einem Mikrochip-Spektrometer für die Diagnostik – wir zeigen neue Technologien und Anbieter für die MedTech-Entwicklung, die uns im Kopf geblieben sind.

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Premosys: Multiple Tests auf einen Streich – Mikrochip-Spektrometer für die Diagnostik

Der Pfälzer Optoelektronikhersteller Premosys stellte in Halle 3 als Weltpremiere seinen eigenentwickelten Minisensorchip für die biomedizinische Analyse vor. Der Mikrosensor für Adhoc-Analysen in stationären und mobilen Laborgeräten oder auch in klinischen Medizingeräten wie Endoskopen vereint die Vorteile eines Spek­trometers und eines Farbsensors auf kleinstem Bauraum. Auf nur vier mal vier Millimetern befinden sich 1600 spektrale Farbrezeptoren mit einer Wellenlängengenauigkeit von 1 Nanometer. »Das ist bisher weltweit einzigartig. Der Chip ist so hochauflösend, auf Blutplättchenebene kann er sogar Konturen abbilden«, sagt Marcel Hommes, Vertriebs- und Marketingleiter bei Premosys. Die möglichen Testanwendungen reichen von der Lumineszenz, der Trübungsmessung in Flüssigkeiten, einer Überwachung des Zellwachstums bis hin zu diversen Assays wie etwa für die Antikörperbestimmung. Der Chip kann parallel Spektralinformationen, Farben wie auch deren Zeithorizont messen. Hommes sagt: »Mit diesem Sensor können Firmen mehrere Tests, sehr schnell in einem Gerät abbilden – das Potenzial ist noch gar nicht komplett absehbar«.

Biogram, ein in Worms ansässiger Hersteller von Diagnosegeräten mit Fokus auf Abstrichfärbung, hat die Einsatzmöglichkeiten bereits erkannt und integriert den Premosys-Chip gerade in seine Premiumlinie. »Wir möchten den Markt revolutionieren, das wird eine disruptive Technologie«, glaubt General Manager Dr. Bayram Cucu. Mit dem Mikrosensor könnten viel mehr Informationen eines Probenmaterials ausgewertet werden, als dies bisher der Fall ist. Als Beispiel führt Cucu heutige Hämatologie-Geräte an, welche die Zellzahl bestimmen. Zukünftig soll es möglich sein, gleichzeitig auch immunchemische Parameter abzulesen. »Anstatt einer Information können wir aus einer Probe zwei, drei, vier oder mehr Informationen gewinnen – wo also bisher vier Tests und/oder Analysegeräte zum Einsatz kamen, kann ein Gerät mit dem Premosys-Chip diesen Task bald allein ausführen – das spart jede Menge Zeit und Aufwand in der diagnostischen Analyse«.


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Teoresi: Mit MediCon auf dem Weg in die Medizingeräteentwicklung

Erst im September 2023 hatte der italienische Entwicklungsdienstleister Teoresi den Spezialisten für medizinische Hard- und Software MediCon übernommen. Am Medica-Stand in Halle 12 bilden denn auch deren elektronische Systeme auf Basis von Mikrocontrollern einen Schwerpunkt: Als Eyecatcher mit blauem Blut diente das Notfallgerät »Chiara« für den extrakorporalen Blutkreislauf, welches die nun gemeinsame Expertise für medizinische Sensorik und Elektronik am Beispiel der Ultrafiltration und Bläschenüberwachung von Blut veranschaulichte. MediCon-CTO Guido Comai freut sich über die Konzerneinbindung: »Unsere Kunden können mit den vertikalen Fähigkeiten der Teoresi-Gruppe nun ganze Medizingeräte bauen, beginnend mit der Entwicklung jedes einzelnen Sensors, Controllers und Aktuators, inklusive aller Schritte für die Zertifizierung.«

Teoresi zeigte auf der Medica außerdem eine KI-gestützte Reha-Applikation, mit es Patienten möglich macht, ihre Rehabilitationsübungen bequem virtuell und von daheim durchzuführen – die KI analysiert die Trainingsbilder und gibt direkt Feedback zur korrekten Ausführung. Die ebenfalls ausgestellte Plug-and-play-Anwendung »Smart Remote Consultation« richtet sich an Ärzte und die Remote-Konsultation. Die Vitalwerte eines Patienten lassen sich damit auf Distanz einschätzen, nur mit einer Netzwerkverbindung und ohne weiteres medizinisches Zubehör. Teoresi-Manager Fabio Gadda betont die strategische Wichtigkeit der Medizintechnik: »Wir sind dieses Jahr erstmals mit einem eigenen Stand hier in Düsseldorf. Wir wollen mit KI-basierter Telemedizin, Wearable Devices für die Patientensicherheit, In-Silico-Modellen zur Nachbildung von Organen bzw. zum Testen von Medikamenten, sowie auf Nanotechnologie für die Präzisionsmedizin im Bereich Onkologie wachsen.«


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Bayoomed: Schnellere Digital-Healh-Entwicklung und Medizingerätevernetzung

Die Softwareexperten von Bayoomed (Yoome-Grupppe) zeigten in der Medica-Halle 12 ihre Produkte und Dienstleistungen rund um die Digitalisierung von Medizingeräten und rein softwarebasierte Digital-Health-Applikationen sowie Ärzte- und Studienplattfor­men – egal ob embedded, Desktop-, Web- oder Cloud-basiert. CEO Miriam Schulze nennt u. a die Steuerung von Insulinpumpen und DiGAs als Beispiele. Neben der reinen Hard- und Softwareentwicklung, um Daten korrekt auszulesen und sicher zu übertragen, hilft die deutschlandweit vertretende Medical-Softwareschmiede auch bei der Validierung und Zertifizierung.

Messe-Highlight in Düsseldorf war die neue MedicalOne-Connect-Plattform für digitale Therapien, welche mit modularen Bausteinen die Markteinführung beschleunigen und die Entwicklungskosten für Hersteller von Digital-Health-Apps senken soll. MedicalOne ist vorvalidiert und MDR-/FDA- sowie DSGVO-/HIPPA-konform und bietet Security-by-Design. Daten aus Fitnesstrackern, Smartwatches oder Apps (DiPA, DiGA) können mit der DTx-Plattform in der Cloud gesammelt werden, um Reports für die akteursübergreifende Zusammenarbeit und Vernetzung zu erstellen. Vorgefertigte digitale Elemente wie ein Tagebuch (z. B. für Medikation, Training, Ernährung), standardisierte QoL-Fragebögen, News-Feeds und Bildungsinhalte (Artikel, Videos, Trainingsanleitungen) können Patienten an die Hand gegeben werden – ohne alles »from the scratch« selbst zu entwickeln. Die Plattform bietet laut Miriam Schulze die ideale Grundlage für die Vernetzung mit Wearbales über BLE und Interoperabilität via FHIR-Standards. Ein individualisiertes Backend bietet Dashboards, Datenvisualisierung, Exporte und Berichte für verschiedene Anwendungsfälle wie Real-World-Evidence-Studien oder die Patientenüberwachung.


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Fraunhofer: Mini-Implantate gegen Migräne und elektronische Diagnosepillen

Das Fraunhofer Mikroelektronik-Institut IZM stellte auf der Compamed in Halle 8a die Sensorikminiaturisierung für die Medizintechnik in den Vordergrund. Am Messestand waren diverse Mini-Sensoren mit weicher Verkapselung und ohne hermetische Metallgehäuse für den Einsatz im menschlichen Körper zu sehen. Mechanisch flexible, biokompatible Implantate zur elektrischen Neuro- und Nervenstimulation greifen etwa in den Regelkreis des Körpers ein, sollen Migräne ab- oder den Blutdruck einstellen oder auch Medikamente abgeben – die Energie wird über Ultraschall oder Induktion eingebracht. Fraunhofer verfügt mittlerweile über eine ganze Familie schluckbarer medizinelektronischer Pillen, angefangen beim weltkleinsten Impedanzspektrometer zur diagnostischen Flüssigkeitsanalyse über Kalorimetriekapseln, Pillen mit sechs integrierten Kameras zur Magen-Darm-Spiegelung inklusive Dünndarm sowie auf ihrem Weg durch den Körper trackbare Pillen zur gezielten Medikamentenabgabe und -dosierung. Im Gegensatz zu den Implantaten haben die Pillen meist noch Mini-Knopfzellen für den Antrieb integriert.

Die gezeigten Pillen und Wearables, wie Elektrodenpflaster für eine klinische EKG-Messung via Bluetooth, basieren auf flexiblen gestapelten Leiterplatten mit für die jeweilige medizinische Anwendung eingebetteten Elektronikkomponenten. Für schnelle Industrialisierung und unkomplizierten Technologietransfer an Unternehmens­partner setzt Fraunhofer nicht auf gedruckte Elektronik, 3D-Druck oder Silikon-Ummantelung, sondern auf die klassische Leiterplattentechnik und Polyurethan, sodass mit bekannten Methoden schnell große Stückzahlen gefertigt und bestückt werden können.


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Formlabs: Silikon und SLS-Technik für den medizinischen 3D-Druck

Im »3D-Druck-Gang« am Ende der Halle 8a stellte u. a. der AM-Pionier Formlabs seine Werkstoffe, Technologien und Druckmaschinen für das additive Manufacturing in der Medizin vor. Als aktuelles Highlight-Produkt zeigte Healthcare-Managerin Marlou de Jong das neue, sehr weiche Kunstharz Silicone 40A Resin mit der zum Patent angemeldeten »Pure Silicone Technology«. Das flexible Material kann in Kombination mit traditionellen Fertigungsmethoden für das Rapid Tooling oder Protoyping zum Einsatz kommen. Mit Shore-Härte 40A eignet es sich aber auch für die Kleinserienfertigung von weichen, biegsamen und haltbaren Teilen im SLA-Verfahren (Stereolithografie). Dank 230 % Bruchdehnung und 12 kN/m Reißfestigkeit halten patientenindividuelle Prothetik, Orthetik, Audiologiemodelle und Medizinprodukte wiederholter Dehnung, Biegung und Stauchung stand – das Material ist für den direkten Kontakt mit Haut ausgelegt.

Angefangen hat Formlabs 2012 mit vier Materialien für das SLA-Verfahren, heute gibt es 45, davon 40 verschiedene in biomedizinscher Qualität nach ISO 13485. Die seit 2020 erhältlichen Formlabs 3D-Drucker der Fuse-Serie arbeiten im SLS-Verfahren (Selektives Lasersintern) und eignen sich für Engineering und industrielle Endprodukte. »Unsere SLS-Produkte sind günstig, wir wollen es auch mit dieser Methode möglichst vielen Kunden ermöglichen, 3D zu drucken. Um dennoch eine gute Laserqualität zu erreichen, sind die Produkte momentan nur in Schwarz erhältlich – das Material absorbiert damit mehr Wärme«, sagt Marlou de Jong. Derzeit gibt es fünf Pulver, laut de Jong liegt damit in der Weiterentwicklung von SLS-Druckern und -Materialien ein sehr großes Potenzial für Formlabs und auch für den industriellen 3D-Druck in der Medizintechnik. (uh)


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