Michael Schanz vom VDE kommentiert die Studienanfängerzahlen Elektrotechnik und Informationstechnik 2017: »Der weitere Anstieg der Frauenquote ist natürlich sehr erfreulich. 2016 waren es 16,3%, jetzt satte 17%. Über den Grund kann ich aktuell nur spekulieren. Ich denke aber, dass insbesondere Frauen von Umweltthemen angesprochen werden. Insofern hilft die Diskussion über Verbrennungsmotoren vs. Elektromobilität, die in diesem Jahr täglich in den Medien zu sehen und zu lesen war, dem Zuwachs an Studienanfängerinnen. Bemerkenswert ist aber auch, dass die Elektrotechnik gegenüber Maschinenbau, Bauingenieurwesen und Informatik keinen negativen Trend aufweist. Mit anderen Worten: Technikinteressierte tendieren stärker zur ‚Elektrotechnik und Informationstechnik‘ als zuvor.«
Auch Axel Plünnecke vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) war für eine Stellungnahme zu erreichen. Der Rückgang der Anzahl der Studienanfänger in Informatik mache Sorge angesichts der Herausforderung durch Digitalisierung und steigende IT-Fachkräfteengpässe. Der Anteil von Frauen unter den Studierenden im ersten Hochschulsemester sei in MINT-Fächern seit 1993 bis heute gestiegen – die Dynamik lasse in Informatik, Maschinenbau und Bauingenieurwesen jedoch nach. Daher müssten die Anstrengungen um mehr Frauen in MINT verstärkt werden.
Und auf Nachfrage ergänzt Plünnecke: »Über einen längeren Zeitraum ist eine Zunahme zu beobachten - dies ist eine positive Nachricht, denn vor allem E-Technik und Informatik werden im Zuge der Digitalisierung der Wirtschaft an Bedeutung gewinnen - mit entsprechenden Einkommensperspektiven. Daher ist die Verhinderung eines ‚genderdigitalizationgap‘ wichtig. Viele Initiativen sind unterwegs, Frauen für MINT-Studiengänge zu werben. Dabei wurden auch die Berufsbilder in ihrer Breite stärker dargestellt - es sind keine Nerd-Fächer, sondern Problemlöser für viele wichtige Herausforderungen in Umwelt, Mobilität u.a. In 2011 gab es eine Delle beim Frauenanteil, da die Wehrpflicht abgeschafft wurde und dadurch die Anzahl der männlichen Erstsemester stark zugenommen hat. Der Grund für den DIP in Informatik in 2017 mit einem deutlichen Rückgang bei Frauen kann ich mir noch nicht erklären.«
Auf den empfindlichen Einbruch in Informatik reagierte für den Bitkom Juliane Petrich, Leiterin Bildung: »Die Zahl belegt, dass es in Deutschland nicht gelingt, frühzeitig Begeisterung für sogenannte MINT-Berufe zu wecken, das gilt speziell für den Bereich der Informatik. In einigen Schulen kommen Kinder überhaupt nicht mit der Informatik in Berührung. In Estland lernen Kinder schon seit fünf Jahren Programmieren in der Schule – Deutschland hat hier großen Nachholbedarf. Angesichts des weiter steigenden Bedarfs an IT-Spezialisten und schon heute mehr als 55.000 fehlenden Fachkräften müssen wir noch stärker für die Informatik trommeln. Auch müssen mehr Mädchen für MINT-Berufe begeistert werden. Veraltete Rollenbilder in der Gesellschaft halten Mädchen noch immer häufig davon ab, eine Karriere im technischen Bereich anzustreben.«
Aber warum dann der starke weibliche Zuwachs in E-Technik?
Klaus Diepold ist ehemaliger Vizepräsident für Diversity und Talent Management an der TU München und heute Direktor der Münchner Elite-Schmiede für Gründer, dem Center for Digital Technology & Management (CDTM). Für die TUM kann er nicht mehr sprechen, aber eine Meinung hat er: »Themen, die für den Zuwachs an Frauen in der E-Technik mitverantwortlich sein können, sind die gesteigerte Bedeutung der Energietechnik und der gesteigerte Anteil internationaler Studierender, wo der Frauenanteil vergleichsweise hoch ist. Da sind weitere lokale Analysen notwendig.«
Sylvia Kegel vom deutschen Ingenieurinnenbund e.V. freut sich über den starken Anstieg der Frauen in E-Technik: »Es ist so richtig gut, da darf ich mich ganz offiziell einfach nur freuen.« Die vielfältigen und spannenden Arbeitsgebiete würden damit nun endlich von jungen, kreativen und kompetenten Frauen besetzt. »Da kann doch nichts mehr schiefgehen mit der Zukunft von M+E!«
Auch Johannes Metzler, Leiter HR bei Bachmann Electronic fühlt sich bestätigt: »Wir würden uns noch mehr wünschen, aber der Anstieg deckt sich mit unserer Wahrnehmung aus den Bewerbungen bei den Lehrlingen. Hier gibt es einen starken Anstieg an Mädchen in den vergangenen Jahren. Von 5 Stellen haben wir pro Jahr ein bis zwei weibliche Bewerber, die uns überzeugten. Das Bild bei den Hochschulabsolventen ist anders, da wünschen wir uns, dass der Frauenanteil noch einige Jahre mehr so gut wächst.«
Und auch aus der Presseabteilung des ZVEI gab es eine Stellungnahme zur gestiegenen Anzahl der Frauen, die ein E-Technik-Studium begonnen haben: »Die Zuwächse sind gut, müssen aber noch weiter zulegen. Was anderswo - zum Beispiel in Frankreich - möglich ist, muss auch bei uns gelingen: Wir brauchen mehr Absolventinnen im Studiengang Elektrotechnik.«