Dr. Thomas Reisinger, Infineon

»300 Millimeter is coming home«

17. Januar 2022, 15:00 Uhr | Ralf Higgelke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 1

Roadmap für Fertigungsausbau

Die Fertigung von Leistungshalbleitern auf 300-mm-Wafern nimmt immer mehr Fahrt auf. Wie viel mehr MOSFETs oder IGBTs passen auf einen 300-mm-Wafer als auf einen bislang üblichen 200-mm-Wafer?

Im Vergleich zum 200-mm-Wafer ist der Durchmesser eines 300-mm-Wafers um 50 Prozent größer, sodass sich dadurch 2,25-mal mehr Chips pro Wafer fertigen lassen. Je nach Komplexität des Chips sind es also mehrere hundert bis zu 100.000 Chips pro Scheibe. Was die Fertigung von Leistungshalbleitern aber so außergewöhnlich macht, ist die Dicke der Wafer: Bei der Fertigung von Leistungshalbleitern nutzen wir Wafer, die nur bei uns etwa 40 Mikrometer dick sind. Zum Vergleich: Mit 110 Mikrometer ist normales Schreibpapier fast dreimal so dick.

Die Fertigung soll in den nächsten Jahren sukzessive ausgebaut werden. Wie sieht die Roadmap dafür aus?

Über die kommenden circa vier Jahre wollen wir sukzessive immer mehr Equipment in die Fab bringen, sodass sie am Ende dieses Zeitraums auch voll ausgelastet sein wird. Insgesamt reden wir hier über eine Bruttogeschoßfläche von rund 60.000 Quadratmetern; das entspricht etwa 8,5 Fußballfeldern! Zum Bedienen des Equipments und für den Betrieb benötigen wir auch noch Personal. Von den 400 zusätzlichen Stellen für hochqualifizierte Fachkräfte, die wir dafür benötigen, konnten wir bereits mehr als zwei Drittel besetzen.

Infineon Technologies Villach
Der Infineon-Standort in Villach mit der neuen 300-mm-Fab im Vordergrund
© Infineon Technologies

Um wie viel Prozent ist durch die neue Fab die Produktionskapazität von Infineon im Bereich Leistungshalbleiter gestiegen? Und wie wird es sein, wenn die Fab komplett ausgebaut sein wird?

Bei der Eröffnung haben wir bekannt gegeben, dass der Infineon-Konzern mit der neuen Fabrik, wenn sie voll ausgebaut ist, über ein zusätzliches Umsatzpotenzial von rund zwei Milliarden Euro pro Jahr gegenüber dem Stand heute verfügt. (Der Umsatz von Infineon lag im Geschäftsjahr 2021 bei 11 Mrd. Euro; Anm. d. Red.)

Zur Eröffnung hieß es, dank künstlicher Intelligenz sei diese Fab eine »lernende Fabrik«. Was muss ich mir darunter vorstellen?

Das ist ein sehr vielfältiges Thema. Schwerpunktmäßig setzen wir selbstlernende Systeme in den Bereichen Anlagenwartung und -steuerung ein. Anders als bei einem turnusmäßigen Check beispielsweise beim Auto wollen wir erst eingreifen, wenn uns das System mitteilt, jetzt wird ein Service notwendig – Stichwort: Predictive Maintenance. Dadurch wollen wir eine Anlage optimal ausnutzen, die Kosten niedrig halten und stabil produzieren. Denn laufen Prozesse nicht mehr stabil, sinkt die Fertigungsausbeute. In diesem Bereich arbeiten wir mit Forschungsinstituten und Universitäten zusammen, um das vernünftig aufzusetzen.

Ein anderes Beispiel ist die Prozesssteuerung. Bei Prozessen gibt es üblicherweise ein Toleranz- oder Prozessfenster. Aber sehr herausfordernde Halbleiter-Prozessschritte, beispielsweise ein Abscheidungsprozess, können nicht mit einem Prozessfenster von 100 Nanometer bis 110 Nanometer leben – es müssen exakt 105 Nanometer sein. Durch selbstlernende Systeme – sogenannte Run-to-Run-Systeme –, die Informationen aus Vor- und Nachprozessen und Messungen erhalten, wollen wir erreichen, dass sich die Prozessparameter ständig anpassen, um stets den optimalen Prozesspunkt zu treffen.

Ein letztes Beispiel: Intralogistik in der Wafer Fab. Wir fahren fast 2000 Prozesstechnologien gleichzeitig und starten jede Woche zigtausende Scheiben in die Fertigung. Um die Warenströme zu steuern und damit sich keine Flaschenhälse im Fertigungsablauf bilden, nutzen wir selbstlernende Systeme.

Infineon hat in Dresden bereits eine 300-mm-Fab, die zusammen mit der neuen Fab in Villach eine einzige virtuelle Wafer Fab bilden. Was bedeutet das konkret?

Beide Standorte basieren auf den gleichen standardisierten Fertigungs- und Digitalisierungskonzepten. Damit können wir die Fertigungen der beiden Standorte so steuern, als wären sie nur eine Fab. Wir steigern die Produktivität und schaffen zusätzliche Flexibilität für unsere Kunden. Denn wir können Fertigungsvolumina für unterschiedliche Produkte rasch zwischen den Standorten verschieben oder untereinander aufteilen und damit noch schneller auf Kundenbedarfe reagieren.
Durch diese Größe können wir aber auch Entwicklung der Produkte von morgen beschleunigen.

Der Bedarf an Halbleitern ist derzeit extrem hoch. Gibt es am Standort Villach noch Platz, eine weitere Wafer Fab zu bauen?

Platz gibt es grundsätzlich schon, aber derzeit keine konkreten Pläne.
 


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