Software bietet zumindest theoretisch die Möglichkeit, einen implementierten Fehler einfach mithilfe eines Patches zu beheben. Tritt ein Fehler in der Hardware auf, ist es schon deutlich aufwändiger, diesen auszumerzen. Ist das auch ein Grund, warum die Automobilindustrie verstärkt auf Software setzen will? Uwe Bröckelmann, Technischer Direktor EMEA von Analog Devices, ist sich sicher, dass das nicht der Fall ist. »Der Treiber in der Automobilindustrie sind immer die Kosten. Wenn man irgendeine Hardware durch einen Algorithmus ersetzen kann, dann wird die Automobilindustrie das tun.« Und weiter: »Wir haben immer wieder erlebt, dass Sensoren rausgefallen sind, weil ein Algorithmus diese Aufgabe übernommen hat.« Dass die Fahrzeuge eine Update-Fähigkeit aufweisen müssen, hält er auch für sicher, aber »ich glaube, in der Halbleiterindustrie gibt es nicht so gravierende Fehler, dass die Automobilindustrie deshalb die Halbleiter austauschen möchte. Außerdem sind meines Wissens in der Software mehr Fehler drin als in der Hardware. Das ist also nicht der Treiber«, so Bröckelmann weiter. Auch Bröckelmann ist überzeugt, dass nicht alles mit Algorithmen abgedeckt werden kann, glaubt aber, dass eine Reduktion von zig ECUs auf wenige Domänenrechner eine Kostenersparnis mit sich bringt.
Adlkofer macht an einem Beispiel noch einen weiteren Vorteil deutlich, einen Teil der Aufgaben auf die Software zu übertragen: Heutige Premiumhersteller setzen zum Teil in einem Modell auf drei verschiedene Dashboards. »Diese Art von Komplexität kann er sich nicht mehr leisten«, so Adlkofer weiter. Die Lösung: Es wird in Zukunft noch ein Bildschirm für alle Varianten eingesetzt; die Differenzierung, also was darauf gezeigt wird, erfolgt über die Software. Damit fallen schon mal zwei Drittel der Hardware-Varianten weg. Das heißt für Adlkofer aber nicht, dass die Hardware-Hersteller die Zukunft fürchten müssen, denn auch morgen gibt es Funktionen, die definitiv nicht mit Software erledigt werden können. Außerdem erfordert dieser Ansatz, wie oben schon betont, dass die Sensorik, Aktorik etc. intelligenter werden muss. Adlkofer: »Für mich heißt das, dass wir vom Halbleiter-Content sogar eher noch stärker weiter wachsen, nur wird nicht mehr für jede Funktion eine „Silberschachtel« gemacht, sondern die Funktion wird über Software definiert.«
Der Einsatz von Domänenrechnern oder Zonenrechnern hat aus Wieses Sicht noch einen weiteren Vorteil für die OEMs: Es gibt ihnen die Möglichkeit, auch Dienstleistungen nach dem eigentlichen Verkauf des Fahrzeuges anzubieten, beispielsweise ein anderes Infotainment-Paket. Wiese: »Die OEMs haben mit diesem Ansatz viel mehr Möglichkeiten, einen After-Sales durchzuführen und somit in diesen Servicebereich vorzudringen.« Die Sensoren und Aktoren sind von dieser Entwicklung nicht betroffen, nur die derzeit verteilte Rechenleistung wandert in Domänenrechner oder Zonenrechner. Wiese weiter: »Und in diesem Ansatz steckt noch ein weiterer großer Vorteil: Das macht die Software wahrscheinlich beherrschbarer, weil man mehr Software auf einem Rechner konzentrieren kann.« Dementsprechend sind aus Wieses Sicht nicht die Kosten der treibende Faktor für die neuen Architekturen, sondern es gehe vielmehr darum, die Beherrschbarkeit zu erhöhen, die Fehlerträchtigkeit einzuschränken und einen Mehrwert bieten zu können. »Das Auto ist heute keine Rennmaschine mit vielen PS mehr, sondern das Auto wandelt sich in Richtung Servicemobil. Die Fahrer wollen die Dienstleistungen, die sie von zu Hause kennen, im Auto nahtlos weiter benutzen können, und umgekehrt«, so Wiese.