Ob Kostendruck oder Fachkräftemangel: Homecare hilft, Vitaldaten und Biomarker von Patienten zu Hause zu überwachen. SoC-Module verkürzen die Entwicklung der vernetzten Medizingeräte: Für Konnektivität, Safety und Security sowie Effizienz in der Datenverarbeitung wird auf der Trägerplatine gesorgt.
Chronische, nicht übertragbare Krankheiten (Non-Communicable Diseases, NCDs) sind eine große Belastung für die Gesundheitssysteme weltweit. Mit der älter werdenden Bevölkerung und ungesünderen Lebensstilen nehmen Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Krebs und chronische Erkrankungen der Atemwege wie Asthma oder chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) zu. Laut WHO-Angaben verursachen NCDs jedes Jahr 41 Millionen Todesfälle, was 74 % aller Todesfälle weltweit entspricht. Dazu kommt der sich immer weiter verschärfende Fachkräftemangel. Hilfe versprechen u. a. speziell für den medizinischen Markt konzipierte IoMT-Produkte (Internet of Medical Things), die den Bedarf der Intervention durch medizinisches Fachpersonal verringern sollen.
Diese Medizintechnologien eröffnen neue Wege, um die Budgets der Gesundheitssysteme zu entlasten, die Wirksamkeit von Therapien zu erhöhen und das Wohlbefinden der Patientinnen und Patienten zu verbessern. So kann zum Beispiel der Zustand eines Patienten mithilfe von intelligenten Pflastern oder schnellen Diagnosetests überwacht werden. Zudem können smarte Medizingeräte und Wearables den Ablauf und die Dosis einer Therapie kontrollieren und Patienten dabei helfen, die verschriebene Behandlung besser einzuhalten. On-Body-Delivery-Systeme (OBDS) erleichtern beispielsweise Langzeittherapien, indem sie die Verabreichung größerer Dosen oder höherer Viskositäten erlauben, ohne den Patienten zu belasten.
Für eine optimale Therapiewirksamkeit ist entscheidend, dass genaue und zuverlässige Daten für die Kontrolle und präzise Steuerung zur Verfügung stehen. Da die intelligenten Medizingeräte zunehmend medizinische Entscheidungen treffen und Maßnahmen einleiten können, ist die Einhaltung hoher Standards für Datenqualität, Authentizität, Datenschutz und Zuverlässigkeit von größter Bedeutung. Nachfolgend geht es um die Herausforderungen, denen Hersteller in diesem Bereich gegenüberstehen, und Wege zu deren Bewältigung.
Ganz allgemein liegt der erste Schritt zu Gesundheit im Alter in einer gesunden Lebensweise. Medizinnahe Wearables wie Fitness-Tracker sind mittlerweile in der breiten Bevölkerung sehr beliebt, rund ein Drittel aller Erwachsenen schätzt die Echtzeitdaten und personalisierte Informationen der smarten Uhren. Mittels fortschrittlicher Sensoren und Datenanalysen können die Träger zum Beispiel ihr tägliches Aktivitätslevel verfolgen sowie Vitalwerte und Schlafmuster überwachen.
Die Wearables verfügen zudem fast alle über Schnittstellen, über die sie mit einem Smartphone oder Computer verbunden werden können. Daten einsehen, sich Ziele setzen und Benachrichtigungen in Bezug auf die Aktivitäten in Form von Erinnerungen, sich zu bewegen oder Trainingseinheiten zu tracken, sollen die persönliche Gesundheit fördern. Unabhängig davon nehmen chronische NCDs weiter stark zu. Für medizinische Wearables bleibt ein großes Potenzial, die persönliche Gesundheit durch individuelle Für- und Vorsorge positiv zu beeinflussen.
Der Hauptunterschied zwischen einem gewöhnlichen Fitness-Tracker und einem tragbaren medizinischen Gerät liegt im dezidierten Verwendungszweck, dem Umfang sowie der Qualität der Gesundheitsüberwachung und den damit verbundenen Funktionalitäten. Während es bei den fitnessorientierten Funktionen Überschneidungen geben mag, liefern tragbare medizinische Geräte genauere und präzisere Daten für die Diagnose und das Behandlungsmanagement. Zudem verfügen dezidiert medizinisch genutzte Geräte über gesicherte, oft drahtlose Verbindungen; damit können Mediziner den Gesundheitszustand von Patienten aus der Ferne überwachen.
Smarte vernetzte medizinische Geräte müssen daher strenge Normen und Vorschriften erfüllen, wie z. B. die Europäische Medizinprodukteverordnung MDR oder eine Zulassung durch Behörden wie die FDA (Food and Drug Administration). Diese Regularien sollen die Sicherheit der Patienten, den Datenschutz und die medizinische Genauigkeit der erfassten Informationen sicherstellen. Der Prozess der behördlichen Zulassung ist langwierig und komplex, da er eine umfangreiche Dokumentation, klinische Studien und strenge Tests erfordert. Die Markteinführung medizinischer IoMT-Geräte dauert daher meist erheblich länger als bei kommerziellen nicht medizinischen Geräten.
Die derzeit rasant fortschreitende technologische Entwicklung ist eine zusätzliche Herausforderung, da die Regulierungsbehörden ihre Richtlinien kontinuierlich anpassen müssen, um mit den technischen Fortschritten mitzuhalten. Medizingerätehersteller müssen diese Hürden effizient meistern und adaptieren, damit sie ihre neuartigen Medizingeräte schnell auf den Markt bringen und gleichzeitig die Einhaltung aller erforderlichen Vorschriften sicherstellen können.
Smarte und intelligente medizinische Geräte können sowohl auf Patientenseite wie auch Medizinerseite bei der Bewältigung chronischer Krankheiten helfen. Für eine gute Handhabung müssen die elektronischen Komponenten dieser Geräte möglichst klein und leicht sein. Die Miniaturisierung ist entscheidend, um die Tragedauer von wenigen Tagen auf mehrere Wochen zu verlängern. Ein sehr niedriger Stromverbrauch (Bild 1) für alle Elemente des Produktdesigns ist ebenfalls entscheidend.
Bluetooth Low Energy: Informationen austauschen
Nutzer und medizinisches Fachpersonal brauchen die Gewissheit, dass zugelassene medizinische Geräte und Applikationen sicher, zuverlässig und vertrauenswürdig sind. Bluetooth Low Energy (BLE) ist eine Schlüsseltechnologie bei der Entwicklung elektronischer Medizingeräte, die den Entwicklern hilft, diese Anforderungen zu erfüllen. Die ständige Bereitstellung genauer und zuverlässiger Daten für die Überwachung und präzise Steuerung ist bei dem Konnektivitätsstandard von entscheidender Bedeutung. Kleinere und leichtere medizinische Geräte können diese lebenswichtigen Informationen drahtlos übertragen, ohne die täglichen Aktivitäten der Nutzer zu stören.
Patientensicherheit und Datenschutz an erster Stelle
Bei der Entwicklung von Medizinprodukten ist ein ganzheitlicher Ansatz gefragt, welcher Sicherheits- und Datenschutzaspekte von Anfang an mit einbezieht – zumal die FDA wie auch die MDR diese Faktoren als wesentliche Voraussetzung für die Zulassung vorschreiben. Beispielsweise müssen bei Smart Patches zur kontinuierlichen Blutzuckermessung für Menschen mit Typ-1-Diabetes die generierten Messwerte absolut zuverlässig und genau sein, damit Patienten exakt angezeigt bekommen, wie viel Insulin sie spritzen müssen. Jede Anomalie in der Messgenauigkeit kann zu schweren Schäden oder sogar zum Tod führen.
Der Datenschutz gewährleistet bei intelligenten medizinischen Geräten die Richtigkeit und Integrität der gesammelten Gesundheitsdaten und stellt den Schutz sensibler Patienteninformationen sicher. Die Maßnahmen zur Einhaltung des Datenschutzes sorgen dafür, dass persönliche Informationen geschützt bleiben – sie schaffen Vertrauen zwischen Patienten, Ärzten und Medizingeräteherstellern.
Die Feststellung der eindeutigen Identität und Authentizität ist für intelligente medizinische Geräte unerlässlich. Nur sie ermöglicht eine zuverlässige Identifizierung und Überprüfung des Geräts, des bedienenden Arztes und des jeweiligen Patienten. Die sichere Identifizierung gewährleistet die Integrität der medizinischen Versorgung und verhindert unbefugte Manipulationen. Darüber hinaus müssen strenge Sicherheitsmaßnahmen zum Schutz vor Cyberangriffen implementiert werden, wie z. B. Verschlüsselung, Authentifizierungsprotokolle und regelmäßige Sicherheitsupdates. Das schützt die Patientendaten und verhindert mögliche Schäden für Einzelpersonen oder Gesundheitssysteme.
System-on-Chip-Module können den Designprozess für Entwickler von Medizintechnik deutlich verkürzen, da mit der Trägerplatine bereits für Konnektivität, Safety und Security sowie Effizienz in der Datenverarbeitung gesorgt ist: Als Referenzbeispiel dient an dieser Stelle das NHS52S04 von NXP Semiconductors (Bild 2).
Das SoC besitzt einen integrierten Arm Cortex M33 mit TrustZone, wodurch alle Softwareprozesse in dedizierten »virtuellen« Hardwareprozessoren isoliert werden können. Das stellt einen Schutz gegen Angriffe über die BLE-Verbindung sicher. Konnektivitäts-, Sicherheits- und Funktionen zur Sensorverarbeitung werden ebenfalls in vertrauenswürdiger Softwareausführung auf dedizierter Hardwareperipherie isoliert.
Mit der MCUXpresso-Tooling-Suite können Medizingerätehersteller flexibel mit einer Referenz-»Sandbox« Anwendungen entwickeln. Sie veranschaulicht die modulare
Softwarearchitektur des Prozessors und ermöglicht es ihnen, ihre medizinische Applikation einfach wiederzuverwenden, zu ändern und zu erweitern.
Das EVK-Evaluierungsboard (Bild 3) verfügt über flexible Schnittstellen und
einen integrierten USB-Debug-Port für eine einfache Anbindung bei der Softwareentwicklung. Es ist für die Nutzung der BLE-, Low-Power- und Sicherheitsfunktionen des Chips optimiert und enthält Beispielquellcode, um die Entwicklung zu beschleunigen.
IoMT-Systemlösungen entwickeln sich rasant. Sie helfen, medizinisch zugelassene Geräte weiterzuentwickeln, die Lebensqualität von Patientinnen und Patienten zu verbessern und eine effektivere Behandlung chronischer Krankheiten wie etwa Typ-1-
Diabetes zu ermöglichen. So können z. B. Smart Patches zur kontinuierlichen Glukoseüberwachung (CGM) den Blutzuckerspiegel automatisch über das Smartphone des Nutzers verfolgen und überwachen. Auch eine direkte Ansteuerung von Insulinpumpen über das sogenannte Closed-Loop-Management ist bereits verfügbar.
Für Diabetespatienten, die mehrere tägliche Injektionen (MDI) benötigen, können diese CGMs direkt mit einer am Körper getragenen Pumpe zur Medikamentenverabreichung kommunizieren. Das System wertet die Daten alle fünf Minuten aus, um die Blutzuckerwerte für die nächsten 60 Minuten zu prognostizieren. Es passt dann die Insulindosis an oder pausiert die Insulinabgabe entsprechend. Dadurch werden Patienten von den täglichen Ritualen regelmäßiger Tests und Injektionen entlastet.
Neue Medizintechnologien werden die Gesundheitsversorgung Stück für Stück verändern und zahlreiche Vorteile für die Gesellschaft bringen. Sie können zum einen das medizinische Personal entlasten, effizientere Therapien ermöglichen und auch das Wohlbefinden der Patienten erhöhen. Obwohl die immer kleineren und oft schon drahtlosen smarten Medizingeräte bereits ein großer Fortschritt sind, stellt die strenge Regulierung bei der Entwicklung von Medizinprodukten Gerätehersteller vor erhebliche Herausforderungen. Doch die Vorschriften gibt es aus gutem Grund: Fehler, Sicherheitsvorfälle oder kleinste Datenungenauigkeiten können nicht nur kleine Unannehmlichkeiten verursachen, sondern die Sicherheit und das Leben von Patienten ernsthaft gefährden.
Die zahlreichen Herausforderungen bei der Entwicklung von IoT-Geräten für medizinische Anwendungen können nur durch einen Fokus auf Miniaturisierung, verbesserte Konnektivität und längere Batterielaufzeiten sowie einen proaktiven Ansatz bei der Erfüllung regulatorischer Anforderungen gemeistert werden. Wenn Gerätehersteller diese Probleme richtig angehen, haben sie eine gute Chance, innovative Lösungen für medizinische Anwendungen schnell und sicher am Markt zu etablieren und zur Entwicklung der präventiven Medizin der Zukunft beizutragen. (uh)
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