Editorial der Elektronik Medical

Zwischen Skepsis und Akzeptanz: Der empathische Dr. ChatGPT

3. September 2024, 7:00 Uhr | Ute Häußler
Ute Häußler ist die Leitende Redakteurin der Elektronik Medical.
© WFM

Der Einsatz künstlicher Intelligenz wird für Kliniken und Ärzte mehr und mehr Normalität, der KI-Alltag offenbart jedoch eine gewisse Ambivalenz: Wo liegen die Stärken und Schwächen von Sprachmodellen im Praxis-Einsatz und wie kann die Technologie das Vertrauen von Patienten gewinnen?

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Der Einsatz künstlicher Intelligenz wird für Kliniken und Ärzte mehr und mehr Normalität, der KI-Alltag offenbart jedoch eine gewisse Ambivalenz: Zwar kann die technikgestützte Diagnostik viele Krankheiten wie z.B. Brustkrebs früher und genauer vorhersagen sowie Therapien präziser gestalten. Doch auf der anderen Seite halten viele Patienten KI-Technologie immer noch für eine Blackbox, der sie eine gewisse Skepsis und vielfach Misstrauen entgegenbringen.

Wenig Vertrauen für Medizin-KI

Eine Studie der Würzburger Julius-Maximilians-Universität zeigt, dass Menschen medizinischen Empfehlungen weit weniger vertrauen und weniger bereit sind, diese zu befolgen, sobald die Diagnose von einer KI erstellt wurde oder der Arzt dafür KI-Unterstützung in Anspruch genommen hat - unabhängig von deren diagnostischer Richtigkeit. Es ist ein modernes Paradoxon, dass Patienten mit vermeintlich todsicheren Diagnosen von »Dr. Google« in die Praxen kommen, das Ergebnis einer Medizin-KI jedoch anzweifeln.

Empathischer als Ärzte: Dr. ChatGPT

Wie falsch die Vorurteile sind, beweist eine Untersuchung der UC San Diego. Die Forschenden ließen von Medizinern beantwortete Patientenfragen der Plattform »AskDocs« nochmals von »ChatGPT«, dem auf einem Large Language Model basierenden Dialogsystem des US-amerikanischen Softwareunternehmens OpenAI, beantworten und legten beide Versionen Ärzten zur Beurteilung vor. In 78,6 Prozent der Fälle schätzen die Doktoren die Qualität der Antworten von ChatGPT höher ein als die ihrer menschlichen Kollegen. Die KI brachte 3,6-mal mehr mit »sehr gut« benotete medizinische Antworten hervor. Doch die eigentliche Überraschung: ChatGPT erreichte einen doppelt so hohen Empathie-Wert und gab 9,8-mal mehr emphatische Antworten als die Ärzte. Ergo: Die KI zeigte sich menschlicher als der Mensch.

Vertrauen braucht Zeit

Klinische KI-Tools haben damit ein großes Potenzial, wunde Punkte im Gesundheitssystem abzupuffern und überarbeitete Ärzte zu unterstützen. Immerhin können sich laut dem Digitalverband Bitkom 51 Prozent aller Deutschen vorstellen, künftig eine KI um eine Zweitmeinung zu bitten. Trotz dieser positiven Tendenz: mehr als ein Drittel der Menschen hat Angst vor KI in der Medizin.

Wie also gewinnt die Technologie das Vertrauen der Patienten? Medizin ist weit mehr als bloße Informationsverarbeitung und das nette Beschreiben von Behandlungsplänen. Um von Patienten als integrer medizinischer Partner wahrgenommen zu werden, braucht es eine vielfach erprobte Praxis und noch mehr Hörensagen über erfolgreiche Therapien mithilfe von KI. Es ist somit eher eine Frage der Zeit, bis KI – wie einst das Stethoskop – vom Patienten als zuverlässiges Werkzeug des Arztes akzeptiert ist.


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