Halbleiter sind wichtige Bausteine von vernetzter, digitalisierter Medizintechnik. NXP will in diesem Wachstumsmarkt eine tragende Rolle spielen. Medical-Manager Johannes Grüll gibt einen Einblick in die strategische Ausrichtung sowie aktuelle Themen für Medtech-Entwickler wie Security und KI.
Vor über 20 Jahren hat der niederländische Philips-Konzern seine Halbleitergeschäft ausgegliedert. Die abgespaltene Sparte NXP Semiconductors hat ihre Wurzeln in der Automobil- und der Mobilfunkbranche; in den letzten Jahren hat sich der Hersteller jedoch verstärkt auf den Medizintechnikmarkt konzentriert.
»Partner und Distributoren von uns haben schon immer sehr viele Medizintechnikprojekte umgesetzt. Wir haben festgestellt, dass gerade im IoT- und Edge-Bereich viele unserer Produkte für Medizintechnik verwendet werden«, sagt Johannes Güll. Für den Business Development Manager Medical der Region EMEA liegt das u.a. daran, dass NXP zu den qualitativ hochwertigen Anbietern gehöre und sich von einem reinen Komponentenlieferanten zu einem Technologieberater und Lösungsanbieter entwickelt habe. »Wir arbeiten eng mit unseren Kunden zusammen, um Systeme zu entwickeln, die das Leben der Patienten wirklich verbessern«, so Grüll. Zum Portfolio speziell für die Medizintechnik zählt er etwa Low-Power-Prozessoren, sichere Kommunikationsmodule für NFC, Bluetooth, WiFi oder ZigBee und leistungsstarke Analog-Front-End-Bausteine.
Ein Trend, den NXP für seine Wachstumsstrategie in der Medizintechnik nutzen möchte, ist der größer werdende Bedarf an Homecare-Produkten und deren Bedeutung für das vernetzte Gesundheitswesen. »Viele Patienten mit chronischen Krankheiten werden heute früher aus dem Krankenhaus entlassen, deren Vitaldaten oder Biomarker müssen daher zu Hause kontinuierlich überwacht werden,« so Grüll, der damit auf für NXP wichtige Medtech-Komponenten verweist. Gerade Analog Frontends, etwa in Smart Patches oder Wearables, »ermöglichen es, medizinische Geräte mit geringem Stromverbrauch und hoher Rechenleistung zu entwickeln.«
Der Medical-Manager sieht insbesondere Geräte, die Daten am Edge bzw. im Medizingerät selbst verarbeiten und nur kritische Ereignisse an zentrale Systeme melden, als essenziell für die IoMT-Architektur und die Weiterentwicklung der vernetzt überwachenden Medizintechnik an:
Ein Beispiel sei die kontinuierliche Blutzuckerüberwachung, hier könnten intelligente Wearables so trainiert werden, dass sie bereits im Gerät vorverarbeiten und nur bei außergewöhnlichen Werten aktiv senden bzw. eine Systemreaktion auslösen. Grüll sagt: »Mit dem Edge-Ansatz verringern sich die zu übertragende Datenmenge und die damit verbundenen Kosten, gleichzeitig steigt die Sicherheit für die Gesundheitsdaten.«
Die Sicherheit der Datenübertragung und -speicherung ist eines der Kernthemen des niederländischen Semiconductor-Unternehmens in der Medizintechnik. »Eine gehackte Insulinpumpe ist eine gute Mordwaffe.« Security ist laut Johannes Grüll zum kritischen Bestandteil von Medizingeräten geworden. NXP setzt auf fortschrittliche Sicherheitsmechanismen wie eingebettete Kryptografie-Bibliotheken, dezidierte Security-APIs und Over-the-Air-Updates, um die Integrität und Vertraulichkeit sensibler Gesundheitsdaten zu gewährleisten. Dies sei insbesondere im Kontext der neuen FDA-Cybersecurity-Richtlinien wichtig, die strenge Anforderungen an die Sicherheit von Medizinprodukten stelle. »NXP bietet hierzu dedizierte Secure Elements, die eine hardwarebasierte Verschlüsselung und sichere Authentifizierung ermöglichen – selbstverständlich optimiert auf einen möglichst geringen Stromverbrauch«.
Für diese hochintegrierten Medizintechnik-Ansätze arbeitet NXP eng mit Entwicklungspartnern zusammen. Ein MedTech-Beispiel, welches auf der Medica 2023 in Düsseldorf und auf der Embedded World 2024 gezeigt wurde, ist die gemeinsame Entwicklung eines Herzfrequenzsensors mit Sencure. Der Sensor, der auf Low-Power-Konnektivität und -Datenverarbeitung von NXP setzt, zeige laut Grüll, wie durch spezialisierte Partnerschaften marktgerechte Anwendungen entstehen können. »Dies unterstreicht unsere Rolle als Technologieberater und Applikationsanbieter, der weit über die reine Komponentenlieferung hinausgeht«, so der Medical-Experte.
NXP setzt auf den direkten Kontakt mit den Medtech-Kunden. »Mit den langen Entwicklungszyklen der Branche, der Zertifizierung und auch den Technologiesprüngen ist insbesondere die Langzeitverfügbarkeit der Komponenten, der Stromverbrauch und oft auch die Anzahl der Sensorpins diskussionswürdig«, sagt der Business Development Manager aus eigener Erfahrung. »In zwei, drei Jahren, mit geänderten Kundenwünschen oder Marktbedingungen werden eventuell mehr Processing-Power oder eben mehr Sensoranschlüsse gebraucht – dann muss eine Migration, zusätzliche Software-Entwicklung, eine Adaption auf andere Produktfamilien und schließlich auch die Rückwärtskompatibilität gewährleistet sein.« Zudem biete der Halbleiter-Hersteller ein über 15 Jahre laufendes Longevity-Programm für die meisten seiner neu auf den Markt kommenden Chips, um die Verfügbarkeit der Halbleiterkomponenten auch für die Entwicklungs- und Lebenszyklen der Medizintechnik-OEMs und deren Entwicklungsdienstleister sicherzustellen.
Wenig überraschend bei Halbleiterkomponenten für die vernetzte Medizintechnik: Die Integration von künstlicher Intelligenz (KI) in medizinische Geräte ist ein weiterer Schwerpunkt von NXP. KI ermögliche es, große Datenmengen effizient zu verarbeiten und daraus wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen, die zur personalisierten Medizin beitragen können. Johannes Grüll unterstreicht: »NXP unterstützt diese Entwicklungen durch leistungsfähige KI-Chips, die speziell für den Einsatz in Edge-Computing-Umgebungen optimiert sind. Diese Chips bieten die notwendige Rechenleistung bei gleichzeitig geringem Energieverbrauch.« U.a. sei der i.MX 95 in der Medizintechnik gerade sehr erfolgreich; Grüll hebt die »sehr, sehr gute AI- und Machine-Learning-Unterstützung« hervor. »Crossfunktional hat der Chip zum Beispiel auch gute Functional-Safety- und Security-Features, die gerade im Medizintechnik- und IoMT-Bereich sehr wichtig und gefragt sind.« (uh)
EKG-Wearable: Demo eines sicheren Vitaldaten-Patches |
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Sowohl auf der letzten Medica wie auch der Embedded World 2024 stellte NXP mit dem Partner Sencure ein Demosystem für ein EKG-Wearable vor, welches zur Überwachung nach Herzoperationen oder bei chronischen Krankheiten unter dem Hemd oder als Pflaster / Patch getragen werden könnte. Für Hersteller gewährleistet es einen sicheren medizinischen Lebenszyklus, zudem enthält es Safety und Security-Features zur sicheren Übertragung und Speicherung von medizinischen Daten sowie die nahtlose Integration zu elektronischen Gesundheitsakten und telemedizinischen Plattformen. Geräteschutz: Die NXP-Medizintechnik-Demo enthält ein »Secure Element«, das die Identität des Geräts speichert und vor Manipulation schützt. Das Secure Element wird bei der Herstellung integriert, die Zugangsdaten können drahtlos über NFC (Near Field Communication) übertragen werden. Dadurch wird sichergestellt, dass das Gerät eine eindeutige und unveränderliche Identität hat. Patientendaten & -Identität: Die Identität des Patienten kann über eine benutzerfreundliche Applikation durch die Krankenversicherungskarte mit NFC und einer PIN-Verifizierung um eine zusätzliche Sicherheitsebene verstärkt werden, um sicherzustellen, dass die medizinischen Daten tatsächlich vom Patienten kommen. Datenverschlüsselung und -übertragung: Das Gerät kann Daten über das »Secure Element« direkt verschlüsseln, sodass nur ein autorisierter Arzt Zugriff bekommt. Die Daten werden per Bluetooth LE in Echtzeit an ein Smartphone, Tablet oder eine Gesundheits-Cloud übertragen, wo der Arzt sie sicher einsehen kann. Als Hardware-Komponenten setzt NXP für die Medizintechnik-Beispielapplikation auf den Analog-Front-End-EKG-Chip von Sencure, der die EKG-Daten live aufzeichnet. Für das Datenstreaming kommt der sehr stromsparende BLE-Mikrocontroller NHS52S04 zum Einsatz, über eine Knopfzellenbatterie werden sehr lange Laufzeiten möglich. Das Secure Element SE051 von NXP verantwortet das Berechtigungsmanagement und die Sicherheit der Daten vom Gerät bis zur Cloud. |