Wettrennen um Gunst der IIoT-Anwender

Industrial 5G versus WiFi 6

10. November 2020, 13:24 Uhr | Andreas Knoll
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Für harte Echtzeitanwendungen

5G adressiert allerdings im Gegensatz zu WiFi 6 über die 3GPP-Spezifikationen sehr deutlich drei Themenbereiche: Enhanced Mobile Broadband (eMBB), Ultra-reliable Low Latency Communication (URLLC) und Massive Machine Type Communication (mMTC). Für die sogenannten harten Echtzeitanwendungen ist URLLC besonders interessant. Neben der Latenz ist allerdings auch der Determinismus eine entscheidende Größe. Über 3GPP Release 16 wurden ja eigentlich schon die Voraussetzungen geschaffen, um zwei Ethernet-TSN-Domains per 5G miteinander zu verbinden. In Bezug auf weitere URLLC-Verbesserungen durch den Release 17 sind meines Wissens bisher keine ms- und Prozent-Zahlenwerte von der 3GPP genannt worden.

Inwieweit ermöglicht WiFi 6 ein Handover von Datenverbindungen zwischen verschiedenen Funkstationen? Welche Bedeutung hat dies für industrielle Anwendungen?

Wicki Winzer, Atlantik Elektronik: Mit Mesh-Technologie ist ein Handover nicht notwendig.

Sander Rotmensen, Siemens: Handover oder Roaming ist für industrielle Anwendungen sehr wichtig, damit Kommunikationsverbindungen mobiler Teilnehmer beim Übergang zwischen zwei Access Points nicht abbrechen. Das kommt beispielsweise zum Tragen, wenn sich fahrerlose Transportfahrzeuge auf einem weitläufigen Gelände, das von mehreren Access Points ausgeleuchtet wird, sicher bewegen müssen. Genauso wie bei vorherigen WiFi-Standards ist bei WiFi 6 ein Handover oder Roaming möglich. Reaktionszeiten im Millisekunden-Bereich, die in der Industrie notwendig sind, sind aber nicht vom Standard abgedeckt. Hier setzt Siemens auf Erweiterungen des Standards durch Zusatz-Features für WLAN. Die sogenannten iFeatures erfüllen bestimmte Anforderungen, die in verschiedenen industriellen Anwendungen benötigt werden, etwa Echtzeitverhalten beim Roaming oder auch hohe Zuverlässigkeit der Kommunikation durch spezielle Redundanzverfahren.

Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: Glaubt man den WiFi-6-Werbeaussagen der führenden Anbieter, dann soll der Handover von einem Access Point zum nächsten so gut funktionieren, dass man beim Streamen eines 8K-Videos nichts vom WiFi-Zellwechsel bemerkt. Im Bereich der Intralogistik und zur Optimierung des Materialflusses in Produktionsumgebungen ist der Handover eine wichtige Eigenschaft. Damit lassen sich vollständig automatisierte Flurförderzeuge betreiben.

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Michael Demel, Atlantik Elektronik: »Der Umstieg von 802.11ac auf WiFi 6 ist technologisch ein großer Schritt, vergleichbar mit dem Sprung von 4G auf 5G beim Mobilfunk.«
© Atlantik Elektronik

Wie weit ist der Standardisierungsprozess von WiFi 6 fortgeschritten?

Michael Demel, Atlantik Elektronik: Der Umstieg von 802.11ac auf WiFi 6 ist technologisch ein großer Schritt, vergleichbar mit dem Sprung von 4G auf 5G beim Mobilfunk. Nötig ist das Upgrade zum einen, weil die WLAN-Nutzung zunimmt. 2019 sind laut Statista schon fast 15 Milliarden Geräte per WLAN vernetzt, 2021 sollen es bereits 22,2 Milliarden sein. Zudem steigen die Anforderungen an die Bandbreite. Der bisher schnellste WLAN-Standard, WiFi 5, stößt dabei an seine Grenzen. WiFi 6 soll dem beispielsweise mit Datenraten von rund 10 Gigabit pro Sekunde Abhilfe schaffen.

Weil WiFi 6 die neue WPA3-Verschlüsselung zur Absicherung des Netzwerks verwendet, soll auch die Sicherheit besser werden. Überdies soll WiFi 6 die Akkus der per WLAN vernetzten Mobilgeräte schonen, weil es die Datenübertragung zu ihnen effizienter organisiert als seine Vorgänger. Die finalen Veröffentlichungen für WiFi 6 sind für den Herbst dieses Jahres geplant.

Sander Rotmensen, Siemens: Als Siemens verfolgen wir die Standardisierung von unterschiedlichen, für die Industrie relevanten Drahtlostechnologien sehr genau und beteiligen uns teilweise aktiv. Die Freigabe von IEEE 802.11ax ist aktuell für November 2020 geplant.

Klaus-Dieter Walter, SSV Software Systems: Der Standardisierungsprozess ist sehr weit fortgeschritten, schließlich werden bereits seit 2019 Produkte auf WiFi-6-Basis in Stückzahlen vermarket. Die zuständige IEEE 802.11 Working Group hat aus meiner Sicht wieder einmal sehr gute Arbeit geleistet. Den Grad einer Standardisierung kann man ja immer sehr gut an der tatsächlichen Verfügbarkeit der Produkte erkennen, die den jeweiligen Standard unterstützen. Hier hat WiFi 6 mittlerweile ein beeindruckendes Tempo in Bezug auf ein breites Angebot erreicht. Es kommen inzwischen auch immer mehr High End Access Points auf den Markt, die beispielsweise 8×8 MIMO und bis acht räumliche Streams unterstützen. Auch relativ preisgünstige Client-Adapter sind in Stückzahlen verfügbar.

Welche Vor- und gegebenenfalls Nachteile hat WiFi 6 gegenüber 5G in industriellen Anwendungen?

Michael Demel, Atlantik Elektronik: Vor allem sind sie kostengünstiger. Drahtlose Netzwerke wie WLAN entwickeln sich, getrieben von den Anforderungen der unterschiedlichen Nutzer, rapide weiter. Der aktuelle IEEE-802.11ax-Standard oder WiFi 6 ist der erste WLAN-Standard, der es primär zum Ziel hat, die Gleichbehandlung der Geräte zu erhöhen und den Brutto-Durchsatz fairer zu verteilen. Zeitgleich werden zudem Verbesserungen vorangetrieben, die zu einem energieeffizienten Betrieb führen. Dadurch profitieren Anwendungen im IIoT-Umfeld, etwa mobile Endgeräte, bezüglich einer längeren Batterie- oder Akkulaufzeit. Allerdings sind bei WLAN die knappen Frequenzbänder bei 2,4 und 5 GHz immer stärker überfüllt, weil sie fast überall lizenzfrei und auch kostenfrei nutzbar sind.

Betreiber sollten daher durch eine saubere Kanalplanung das Beste aus der Technologie IWLAN herausholen. Durch eine effizientere Nutzung des Spektrums wird WiFi 6 mehr Entlastung und eine höhere Performance für industrielle Anwendungen bereitstellen können als bis dato. Zudem lassen sich durch spezielle industrielle Erweiterungen die für die Industrie benötigten Reaktionszeiten bei WLAN ebenfalls zuverlässig erreichen. Unabhängig ob es sich um 5G oder WiFi 6 handelt: Wichtig für den Einsatz von Wireless-Technologien in der Industrie ist neben den niedrigen Latenzzeiten der Jitter.


  1. Industrial 5G versus WiFi 6
  2. Industrietauglichkeit der Produkte...
  3. Für harte Echtzeitanwendungen
  4. ...großer Unterschied ist das Spektrum
  5. 5G und WiFi 6 parallel einsetzen...

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