RISC-V wird kräftig wachsen

Halbleiterhersteller glauben an RISC-V

12. November 2024, 6:30 Uhr | Iris Stroh
© RISC-V

Omdia prognostiziert RISC-V ein starkes Wachstum: Zwischen 2024 und 2030 sollen die Auslieferungen von RISC-V-basierten Prozessoren um fast 50 Prozent pro Jahr zunehmen und 2030 bei 17 Mrd. ausgelieferten Prozessoren liegen. Haupttreiber sind insbesondere autonomes Fahren und Edge-KI.

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Der Automotive-Sektor ist zwar nicht das größte Absatzsegment für RISC-V, weder jetzt noch 2030, aber es ist das Absatzsegment, das bis 2030 das größte Wachstum für RISC-V bringen soll. Die Automotive-Industrie hat ihre Mikrocontroller-Hersteller einst gedrängt, Arm-basierte Mikrocontroller zu entwickeln; was steckt also hinter dem RISC-V-Wachstum in diesem Bereich? Thomas Schneid, Senior Director Software, Partnership and Ecosystem Management bei Infineon Technologies, ist überzeugt, dass dieses Wachstum der Tatsache geschuldet ist, dass »eine flexible Lieferkette in der Automobilindustrie in Kombination mit den Vorteilen einer Open-Source-Umgebung im Allgemeinen ein entscheidender Vorteil ist, den sich Automobilkunden für die Zukunft wünschen.

Thomas Schneid von Infineon Technology
Thomas Schneid, Infineon Technologies: »Unser strategisches Engagement im Quintauris-Joint-Venture, zusammen mit fünf anderen großen Halbleiterunternehmen, hat das Ziel, die Standardisierung einer ISA voranzutreiben und RISC-V für den Automobilbereich verfügbar zu machen.«
© Infineon Technologies

»Die Vorteile von Open Source in der Softwareumgebung sind in der Branche weithin bekannt.« Darüber hinaus biete RISC-V sowohl einen sehr schlanken als auch kosteneffizienten Ausgangspunkt für zukünftige leistungsstarke, zuverlässige und skalierbare Controller-Produkte. »Infineon als führendes Unternehmen für Mikrocontroller im Automobilbereich hat es sich zur Aufgabe gemacht, diese innovative Open-Source-Technologie voranzutreiben.« Schneid betont aber auch, dass es zusätzlich zu diesen Bemühungen andere Aktivitäten gibt, in denen Infineon gemeinsam mit strategischen Partnern aktiv ein schnell wachsendes offenes Standard-RISC-V-Ökosystem vorantreibt. Schneid: »Unser Fokus liegt darauf, die Anforderungen unserer Automobilkunden zu erfüllen, die erhebliche Ressourcen in die heute verfügbaren MCU-Architekturen investiert haben. Im Allgemeinen sind die Stärke und der Support eines gut abgestimmten Ökosystems für einen erfolgreichen Übergang zur neuen RISC-V-Architektur unerlässlich.«

STMicroelectronics ist vor Kurzem dem Quintauris-Joint-Venture beigetreten, »weil das Unternehmen davon überzeugt ist, dass die RISC-V-ISA interessante Funktionen bietet, die in bestimmten Anwendungsfällen von Nutzen sind«, so die offizielle Aussage. Aber es heißt auch weiter: »ST verwendet einige RISC-V-Kerne in einigen spezifischen Embedded-Anwendungen. Sie stellen aber im Vergleich zu den Arm-Kernen und dem Ökosystem, das weiterhin die erste Wahl von ST für die Roadmaps für STM32-General-Purpose-MCUs und die Automobil-MCUs ist, eine Minderheit dar.«

Andreas Mangler, Director Strategic Marketing bei Rutronik Elektronische Bauelemente, ist überzeugt, dass »die Notwendigkeit, kostengünstige, skalierbare und anpassbare Prozessorlösungen für unterschiedliche Anwendungen – von Infotainment über Fahrerassistenzsysteme bis hin zu autonomen Fahrfunktionen – zu entwickeln, RISC-V in die Karten spielt«. Und weiter: »Die Automobilindustrie hat schon immer auf leistungsfähige und flexible Prozessorarchitekturen gesetzt, um die steigenden Anforderungen an Sicherheit, Effizienz und Konnektivität zu bewältigen. RISC-V bietet hier den Vorteil der Offenheit und Anpassbarkeit, was es erlaubt, die Prozessoren exakt auf die jeweiligen Anforderungen zuzuschneiden. Da die Automobilindustrie zunehmend auf spezialisierte Halbleiterlösungen setzt, um komplexe Funktionen wie autonomes Fahren zu realisieren, ist RISC-V eine vielversprechende Alternative zu Arm, die sowohl Kosten- als auch Effizienzvorteile bieten kann.«

Auch jenseits der Automotive-Industrie erfolgreich

Ramamoorthi Krishnakumar von Microchip Technology
Ramamoorthi Krishnakumar, Microchip Technologies: »KI wird in allen Bereichen von Edge-Geräten bis zur Cloud eingesetzt. Die offene RISC-V-ISA bietet die dafür notwendige Flexibilität und ermöglicht plattformübergreifende Innovationen sowie ein schnelleres Wachstum dank kompatibler Tools und Anwendungen.«
© Microchip Technologies

Die Begründungen für den Erfolg lauten im Industrie- ähnlich wie im Automotive-Sektor. So nennt Krishnakumar (KK) Ramamoorthi, Senior Product Marketing Manager in der FPGA-Business-Unit von Microchip Technologies, zwei Hauptgründe für den Einsatz von RISC-V:

1. Die Anpassungsfähigkeit – denn damit sei es Microchip möglich, Produkte zu entwickeln, »die speziell für unsere Zielanwendungen optimiert sind, sei es KI, IoT, Luft- und Raumfahrt und Verteidigung, Automobilindustrie oder industrielle Automatisierung«, so Ramamoorthi.
2. Das rasant wachsende Ökosystem – dieses mache es für Unternehmen attraktiver, RISC-V zu übernehmen.

Ähnlich argumentiert Kjetil Hølstad, Executive Vice President Strategy & Product Management bei Nordic Semiconductor: »Nordic hat mit der Entwicklung eigener Kerne auf Basis der offenen RISC-V-Befehlssatzarchitektur begonnen. Die neuen SoCs, die nRF54-Serie, verfügen sowohl über Arm- als auch über RISC-V-Kerne. Der RISC-V-Kern übernimmt die Verwaltung und die Hauptfunktionen werden von den Arm-Kernen übernommen. In Zukunft wird Nordic die Möglichkeit haben, seine eigenen Kerne zu konfigurieren, um Probleme effizienter zu lösen, was zu mehr Flexibilität für den Kunden führt.« Aus seiner Sicht ergänzt RISC-V die Arm-Prozessorkerne durch eine Open-Source-Architektur für spezialisierte Anwendungen. »Dieser Ansatz ermöglicht es Entwicklern, Prozessoren so anzupassen, dass ihre Leistungsaufnahme geringer ausfällt, das ist so ähnlich wie Nordic proprietäre drahtlose Protokolle zur Leistungsoptimierung verwendet. RISC-V bietet die Möglichkeit für weitere Innovationen, insbesondere bei stromsparenden Anwendungen«, so Hølstad.

KI stärkt RISC-V

KI wird die Nachfrage nach RISC-V besonders pushen, ist Omdia überzeugt: »Es besteht kein Zweifel, dass KI einer der größten Treiber für die Einführung von RISC-V in vielen Segmenten sein wird; die Effizienz und Skalierbarkeit von RISC-V eignet sich hervorragend für die Entwicklung von Prozessoren zur Durchführung von KI-Operationen.«

Ramamoorthi hält die Aussage für richtig, sie decke sich mit der Sichtweise bei Microchip. Er sieht sogar die Möglichkeit, dass RISC-V in diesem Segment mit seinen unzähligen Teilnehmern eine gewisse einigende Wirkung haben kann: »Die offene ISA von RISC-V könnte eine ideale Plattform für die schnell wachsende KI-Branche sein. Sie bietet Entwicklern die nötige Flexibilität, um innovative Lösungen zu schaffen. Die ISA und das dazugehörige Ökosystem haben das Potenzial eine einigende Rolle zu übernehmen, da es plattformübergreifend kompatible Tools und Unterstützung bereitstellt, die von verschiedenen Unternehmen genutzt werden können.«

Auch die Tatsache, dass viele Unternehmen proprietäre KI-Beschleuniger entwickeln, bestätigen seiner Meinung nach die Aussage, dass KI RISC-V nach vorne bringen wird. »Die Flexibilität von RISC-V bei der Anpassung ist ein bedeutender Vorteil, der es Unternehmen ermöglicht, hochspezialisierte Lösungen zu entwickeln. Unternehmen, die ihre eigenen KI-Beschleuniger entwickeln, können RISC-V nutzen, um maßgeschneiderte Systeme zu entwerfen, die spezifische Leistungs- und Effizienzanforderungen erfüllen. Darüber hinaus können diese Unternehmen proprietäre KI-Beschleuniger in universelle RISC-V-Architekturen integrieren, was zu effizienteren und vielseitigeren Systemen führt.« Microchip nutze beispielsweise für seine KI-Lösung »VectorBlox« für die hausinternen FPGAs einen Softcore als Kernrecheneinheit, der auf einem RISC-V-basierten Vektorprozessor basiert.

Wie wichtig ist der Prozessorkern?

Khoo Daryl von Renesas Electronics
Khoo Daryl, Renesas Electronics: »Renesas möchte an der Spitze der RISC-V-Entwicklung stehen und bereit sein, wenn die Marktnachfrage nach RISC-V zunimmt.«
© Renesas Electronics

Als Arm seinen Siegeszug im Mikrocontroller-Segment antrat, haben viele Halbleiterhersteller ihre eigenen Entwicklungen mehr oder minder eingestellt. Damals hieß es oft, dass der Prozessorkern kein Differenzierungsmerkmal mehr darstelle. Renesas Electronics hat sich anders entschieden, so erklärt Daryl Khoo, Vice President of Embedded Processing bei Renesas: »Wir nutzen proprietäre CPUs, Arm-Cortex-CPUs und auch RISC-V-CPUs, die in unseren ASSPs, MCUs und MPUs Einsatz finden.« Er erklärt außerdem, dass Renesas weiterhin auch seine RL78-CPU- (16 bit) und RX-CPU- (32-bit-CISC) Kerne anbietet, »bei denen die Leistung der Zielanwendung entspricht. Das heißt, wir sind durchaus der Meinung, dass der Prozessorkern für diese Zielmärkte immer noch einen Differenzierungsfaktor darstellt.« Und Mangler betont abschließend: »Im Kontext von Standardanwendungen hat die Aussage, dass Prozessorkerne kein Differenzierungsmerkmal mehr darstellen, durchaus Gültigkeit. Allerdings gewinnen spezialisierte Prozessorkerne, insbesondere im Bereich von KI und maschinellem Lernen, zunehmend an Bedeutung. Hier bietet die Architektur des Prozessorkerns tatsächlich einen signifikanten Wettbewerbsvorteil, da sie gezielt auf bestimmte Aufgaben optimiert werden kann. RISC-V spielt in dieser Entwicklung eine entscheidende Rolle, weil es Entwicklern die Freiheit gibt, Prozessorkerne auf spezifische Anwendungen zuzuschneiden.«.

Infineon Technologies Halle C3, Stand 502
Nordic Semiconductor Halle B4, Stand 439
Renesas Electronics Halle B4, Stand 179
STMicroelectronics Halle C3, Stand 100–102


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