Wie die Europäer sich aus der Abhängigkeit von Asien im Advanced Packaging befreien und die Schlüsseltechnologien aufbauen können, die die Performance der Chips künftig definieren - zum Wohle gerade des Mittelstandes.
Die europäische Chipindustrie befindet sich in einem Dilemma: Einerseits ist sie im Bereich einer Schlüsseltechnologie vollständig von Asien abhängig, andererseits kann sie es sich nicht leisten, sich aus der Abhängigkeit zu befreien – obwohl sich das grundsätzlich sowohl die Politik als auch die Industrie wünschen würden.
Es geht um das Advanced Packaging, eine Technologie, über die sich schon heute die Leistungsfähigkeit von Chips definiert – und künftig noch viel stärker definieren wird: KI-Chips und viele weitere künftige IC-Generationen sind ohne die neusten Methoden des Advanced Packaging und der Heterogeneous Integration schlicht nicht realisierbar, unabhängig davon, ob es um Chips für den Verteidigungssektor, die Luft- und Raumfahrt, die Mobilität, die Industrie oder die Medizintechnik geht. Auch in den Consumer-Sektor wird Advanced Packaging vordringen.
Doch in Europa spielt Assembly, Packaging und Test keine Rolle. Das Back-End findet in Asien statt – von geringen Ausnahmen abgesehen, wie die beiden in Deutschland angesiedelten Unternehmen ERS und HTV Alter kürzlich gezeigt haben: HTV Alter investiert in neue Test-Anlagen am Standort Bensheim (siehe Seite 8 in dieser Markt&Technik-Ausgabe). ERS electronic mit Hauptsitz in Germering bei München hat ein neues Technologiezentrum in Barbing bei Regensburg eröffnet, wo sich Kunden mit den Maschinen und Prozessen für das Wafer- und Panel-Level-Packaging vertraut machen können, die ERS entwickelt und fertigt.
Das kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass in Europa eine Technologielücke klafft, die dringend geschlossen werden müsste. Allerdings nicht, indem mit Steuergeldern der EU-Mitgliedsländer eine Advanced-Packaging-Fab auf die grüne Wiese gesetzt wird, die niemals kostendeckend arbeiten könnte.
Zwei Alternativen zeichnen sich ab: Erstens könnte mit Hilfe der APECS-Pilotlinie, wie vom »pack4EU«-Projekt vorschlagen, die Transfer-Lücke zwischen Entwicklung und Industrie geschlossen werden, zweitens könnte gerade die mittelständische Industrie von den APECS-Ergebnissen profitieren, das wäre schnell umsetzbar und würde verhältnismäßig wenig kosten. Auch das Ministerium für Wirtschaft und Klimaschutz stellt 2 Mrd. Euro zur Verfügung, um Halbleiterfertigungskapazitäten aufzubauen, ein Vorhaben, an dem auch Packaging-Unternehmen teilnehmen können.
An diesen Projekten wird sich zeigen, ob Europa das Ruder in dem so entscheidenden Advanced-Packaging-Thema noch herumreißen kann – oder ob eine wesentliche Voraussetzung für die technologische Souveränität für immer verloren geht.