Neue Testmethode von ERS

Testkosten für GPUs und KI-Chips fallen drastisch

12. Dezember 2023, 13:35 Uhr | Heinz Arnold
Klemens Reitinger, CTO von ERS: »Mit unserer völlig neuen »True Section Control«-Technik beseitigen wir eine der Hürden für den breiten kommerziellen Einsatz der Chiplet-Technologie.«
© ERS

Erstmals werden jetzt komplexe ICs unter Spannung und mit Temperatur nicht erst im Endtest, sondern auf Wafer-Ebene getestet. Das erhöht die Ausbeute und reduziert die Kosten deutlich.

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»Damit werden Chiplet-basierte Prozessoren erschwinglich, aber auch einfachere Mikrocontroller für Autos können kostengünstiger produziert werden«, sagt Klemens Reitinger, CTO von ERS. 

Markt&Technik: ERS war bisher mit den im eigenen Hause entwickelten, luftgekühlten Chuck-Systemen sehr erfolgreich und hat stets die Vorteile dieser Technik im Vergleich zu den flüssigkeitsgekühlten Chucks betont. Pünktlich zur Semicon Europa stellt ERS hier auf der Messe einen neuen wassergekühlten Chuck vor. Warum nun der Sinneswandel?

Klemens Reitinger: Das mag auf den ersten Blick nach Sinneswechsel aussehen, ist es aber nicht. Wir sind weiterhin davon überzeugt, dass luftgekühlte Thermal-Chuck-Systeme in den allermeisten Einsatzfällen die bessere Wahl sind, und wir bleiben grundsätzlich bei unserer Philosophie: die Luftkühlung einzusetzen, wo immer dies möglich ist. Vor allem aber: Dass die neuen Chucks flüssigkeitsgekühlt sind, ist gar nicht die Innovation, das ist sozusagen nur der Beifang.

Was ist also das wirklich Neue, das ERS auf der Semicon Europa vorstellt?

Da fange ich am besten auf der obersten Ebene an, der Anwendung. Alle Hersteller von Prozessoren und Mikrocontrollern, ganz besonders aber die Hersteller von High-End-CPUs, -GPUs und KI-Prozessoren, unabhängig davon, ob es sich um IDMs oder Foundries handelt, stehen vor einem riesigen Problem: Sie können diese ICs nicht vollständig auf Wafer-Ebene testen. Ob sie funktionieren oder nicht, stellt sich erst beim Endtest heraus, nachdem die ICs vereinzelt wurden. Doch fehlerbehaftete ICs erst nach dem Endtest aussortieren zu können kommt die Hersteller viel teurer, als wenn sie sie schon zuvor auf dem Wafer identifizieren könnten.

Warum trifft das insbesondere auf die High-End-Typen zu?

Weil diese Typen nicht mehr monolithisch integriert sind. Stattdessen fertigen die Hersteller einzelne Funktionsblöcke jeweils separat in den dafür geeignetsten Prozesstechnologien. Anschließend werden diese sogenannten Chiplets mithilfe von Advanced-Packaging-Techniken in einem Gehäuse integriert. Damit dies kostengünstig geschehen kann, muss es sich bei den Chiplets um Known Good Dies handeln. Wenn sie erst im Endtest im Package auf ihre Funktionsfähigkeit geprüft werden können, verursacht dies hohe Kosten. Denn wenn nur ein Chiplet fehlerhaft ist, dann funktioniert beispielsweise die gesamte GPU nicht. Unsere neue Technologie wird also maßgeblich dazu beitragen, die Kosten für die neuen High-End-CPUs und GPUs signifikant zu senken – und den Einsatz der Chiplets-Technik wirtschaftlich sinnvoll zu machen.

Lässt sich angeben, um wie viel Prozent die Kosten durch die neue Technik sinken werden?

Dazu müsste ich das am besten gehütete Geheimnis der Hersteller kennen, ihre Ausbeute! Die erfährt natürlich keiner. Aber ich weiß, dass auch die Hersteller von Controllern, etwa für die Automotive-Industrie, sehr interessiert an unserer neuen Technologie sind. Und das, obwohl die Controller, die in Autos Einsatz finden, lediglich monolithisch integriert sind – das Problem mit den Known Good Dies tritt hier gar nicht einmal auf. Aber weil auch für diese Chips die Kosten durch den Test auf Wafer-Ebene sehr deutlich sinken, sind die Hersteller ebenfalls schon hochinteressiert. Dann müsste dies für die Chiplet-basierten High-End-CPUs und GPUs umso mehr zutreffen. Wir beseitigen eine der Hürden für den breiten kommerziellen Einsatz der Chiplet-Technologie!

Hat ERS bei der Entwicklung mit Leitkunden zusammengearbeitet?

Wir haben die Technik zusammen mit einem führenden Hersteller von Testgeräten entwickelt, der die neuen Chucks mit »True Section Control«, so der Name unserer neuen Technik, in seine Geräte integrieren wird. Wir führen die Leistung ab, die er auf der anderen Seite einbringt. Das müssen wir synchronisieren und aufeinander abstimmen.

Worin genau besteht nun die technische Innovation, wenn es die Flüssigkeitskühlung gar nicht ist?

Die ICs, von denen ich sprach, werden alle auf 300-mm-Wafern gefertigt. Sie liegen auf einem Metall-Chuck mit einer Masse von 20 kg. Er muss so viel Wärme abführen, dass Temperaturänderungen bis 30 Grad pro Sekunde möglich sind. Das war bisher schlicht nicht möglich. Deshalb musste mit dem Test gewartet werden, bis die ICs vereinzelt wurden. Denn erst die thermische Last eines einzelnen IC ist so gering, dass eine Leistungsabfuhr von 400 W für das Testprogramm ausreicht. Der ganze Wafer dagegen würde weit mehr als das Zehnfache erfordern.

Wie gelang der technische Durchbruch, der es erlaubt, jetzt erstmals auf Wafer-Ebene zu testen?

Wir haben eine neue Art der Regelung entwickelt, die wir True Section Control nennen. Damit können wir 2500 W bei–40 °C abführen. Bestehende Systeme schaffen nur 100 W, wir kommen auf 500 W, und das dynamisch geregelt! Denn mit True Section Control können wir 32 Sektoren einzeln kontrollieren. Pro Zone funktioniert die Kühlung sehr schnell, und das erlaubt es, das Final-Test-Programm auf die einzelnen ICs im Wafer-Verbund abzubilden, was den IC-Herstellern zu enormen Kostenreduktionen verhilft. Das hat die Welt noch nicht gesehen!

Es muss aber immer noch so viel Leistung pro Sektor abgeführt werden, dass die Luftkühlung dazu nicht ausreicht?

Um die Physik kommen wir nicht herum, genau deshalb setzen wir in diesem Fall eben doch auf Flüssigkühlung. Diese Chucks haben darüber hinaus den Vorteil, dass die Temperatur auf 0,1 °C genau eingestellt werden kann, sodass es dafür weitere Einsatzmöglichkeiten und Anwendungen gibt. Aber wir werden für alle anderen Märkte wie gehabt die luftgekühlten Typen weiterentwickeln.

Welche Flüssigkeiten kommen zum Einsatz?

Es handelt sich um inerte Flüssigkeiten, auch Engineered Fluids genannt. Die Flüssigkeiten werden nämlich jeweils auf die unterschiedlichen Leistungsanforderungen der jeweiligen Einsatzfälle speziell abgestimmt. Die Kältemittel, die es derzeit gibt, sind leider noch nicht CO2-neutral, aber wir arbeiten daran und werden die ersten sein, die Kältemittel ohne Global-Warming-Potential einsetzen können. Darauf sind unsere Kühler bereits vorbereitet, wir haben sie in dieser Hinsicht sehr flexibel und zukunftssicher ausgelegt.

Auf Basis der tiefen Kenntnisse von ERS im Bereich der Thermal Chucks und des Wärmemanagements entwickelt ERS zudem Maschinen für das Thermal Debonding im Bereich des Fan-out-Wafer-Level- und des FO-Panel-Level-Packaging. Gibt es auch in diesem Bereich Neuigkeiten?

Auf diesem Gebiet entwickeln wir zusammen mit PulseForge Inc. eine neue automatische Debonding-Maschine, die erstmals mit Licht arbeitet, wir sprechen von Photonic Debonding. Ein besonderer Träger verwandelt das Licht in Wärme und wird auf das Substrat aufgebracht. Wir verwenden keine Laser-Quelle, sondern arbeiten mit Blitzlicht. Dadurch können wir Licht in sehr schnellen Pulsen in Wärmeenergie umwandeln und eine Schicht des Klebstoffs entfernen, ohne die Wärmeenergie auf die Wafer zu übertragen. Der Träger löst sich ohne Kraftaufwand vom Wafer ab.

Ohne auf Einzelheiten des Prozesses einzugehen: Gegenüber heute gängigen Verfahren sparen wir einen vollständigen Coating- und Cleaning-Prozess ein, wir benötigen deutlich weniger Material und die Ausbeute steigt, weil weniger Prozessschritte erforderlich sind. Zusätzlich sind Blitzlichtquellen in der Anschaffung und im Betrieb deutlich günstiger als Laser. Unter dem Strich sparen die Anwender also signifikant an Kosten, und sie sind sehr viel flexibler als bisher: Sie können alle Adhesives verwenden und alle Fan-out-Prozesse – Chip First oder Chip Last – einsetzen. Deshalb sind wir überzeugt: Das Photonic Debonding wird ein echter Game-Changer! Ein weiterer wichtiger Schritt, um die Fan-out-Technologien in den Massenmarkt zu bringen.

Wie laufen die Geschäfte derzeit?

Hervorragend, wir haben über die vergangenen sechs Jahre den Umsatz vervierfacht; bis 2030 wollen wir ihn noch einmal verdoppeln. Dann soll bereits ein großer Teil mit den Maschinen für das Advanced Packaging generiert werden.

Um das weitere Wachstum zu finanzieren, ist die europäische Investment-Gesellschaft Gimv bei ERS als Investor eingestiegen.

Das ist richtig und wir sind sehr froh darüber, dass Gimv eigestiegen ist. Jetzt haben wir genügend Ressourcen für unseres weiteres Wachstum. Als CTO von ERS kann ich mich jetzt wieder voll auf die Entwicklung neuer Technologien konzentrieren, es macht richtig Spaß! Jeder merkt, dass in der Firma ein ganz anderer Spirit herrscht, der Korken ist raus!


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