Nach 30 Jahren frisch wie am ersten Tag

Langzeiteinlagerung von Wafern

7. September 2024, 10:00 Uhr | Heinz Arnold
© HTV

Aufgrund von Abkündigungen entdecken jetzt viele Anwender die Möglichkeit, nicht nur Chips, sondern gleich ganze Wafer langfristig einzulagern, um Obsoleszenzen vorzubeugen. Holger Krumme von HTV, einer Tochtergesellschaft von Alter Technology TÜV Nord, erklärt, worauf es dabei ankommt.

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Markt&Technik: Ein wichtiges Standbein von HTV ist die Langzeitlagerung von elektronischen Komponenten bis hin zu Baugruppen und Systemen. Stoßen Sie auf weiter steigendes Interesse an der Langzeitlagerung?

Holger Krumme, HTV: Nicht zuletzt durch die Konzentrationsprozesse in der Halbleiterindustrie und die anschließenden Konsolidierungen ist die Zahl der Abkündigungen gestiegen. Die Auswirkungen der geopolitischen Spannungen beflügeln die Nachfrage ebenfalls – die Lieferkette soll sicherer werden. Deshalb schauen sich immer mehr Unternehmen genau an, welche Möglichkeiten es gibt, die Komponenten langfristig und sicher so zu lagern, dass sie auch nach 10, 15 oder 20 Jahren voll funktionsfähig und ohne Verlust ihrer Lötbarkeit weiterverarbeitet werden können. Zudem haben wir in den vergangenen Monaten verstärkt Bedarf aus einem Sektor verspürt, der bisher nicht so stark vertreten war: Viele Kunden wollen komplette Wafer langzeitlagern.

Was ist der Grund für die lange Lagerung von Wafern?

Bestimmte Typen kleinerer Wafer, etwa mit einem Durchmesser von 6 Zoll, werden derzeit abgekündigt, oft schon deshalb, weil demnächst kein Equipment mehr zur Verfügung stehen wird, auf dem die Wafer prozessiert werden könnten. Die Hersteller verschicken dann Last-Order-Aufforderungen an die Kunden. Die müssen sich nun überlegen, wie viele Wafer sie mittel- und langfristig benötigen, weil es diese Wafer künftig nie mehr geben wird. Die Situation spitzt sich gegenwärtig zu, und es geht nicht nur um kleinere Wafer-Durchmesser wie 6 Zoll und darunter, es kommen auch Anfragen zur Einlagerung von 8-Zoll- und sogar 12-Zoll-Wafern, obwohl 12-Zoll-Wafer wohl kaum abgekündigt werden dürften. Es existiert eine Vielzahl an Gründen, warum Kunden sich dazu entschließen, einzulagern. Es kommt auf die jeweilige individuelle Situation und jeweiligen Planungen für die Zukunft an.

Krumme Holger
Holger Krumme, Geschäftsführer von HTV: »Wir können sämtliche Prozesse anbieten, die es ermöglichen, nicht nur Halbleiterkomponenten und Baugruppen, sondern auch ganze Wafer über einen Zeitraum von 50 Jahren zu lagern, nahezu ohne dass Alterungsprozesse einsetzen, die sie unbrauchbar machen würden.«
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Um welche Mengen und Lagerzeiten geht es?

Die Anzahl der einzulagernden Wafer pro Kunde startet bei unter Hundert und geht bis zu mehreren Tausend. Um die Zahl der Wafer verlässlich einzuschätzen, die eingelagert werden müssen, sollte der Interessent vorher feststellen, wie viele Dies oder Chips auf dem Wafer wirklich funktionsfähig sind und wie viele nicht.

Die Einlagerungszeiten liegen bei einigen Jahren bis zu mehreren Jahrzehnten. Wir sind überzeugt, dass mithilfe unseres Tab-Plus-Langzeitkonservierungsverfahrens eingelagerte Wafer auch nach 50 Jahren noch verfügbar sein werden.

Für HTV dürfte es grundsätzlich kein großer Unterschied sein, statt ICs und Baugruppen jetzt auch vermehrt Wafer einzulagern.

Bei den Halbleiter-Bauelementen hat es sich inzwischen herumgesprochen, dass es nicht nur darauf ankommt, die Ware bei einer bestimmten Temperatur und in Stickstoff einzulagern. Stickstoff verhindert nur, dass sich eine Oxidschicht bildet. Es kommt aber genauso darauf an, die Alterung zu verhindern, also die Diffusionsprozesse in den Halbleitern zu unterbinden. Das spielt bei den immer kleineren Strukturgrößen auf den ICs eine zunehmend wichtigere Rolle, denn je kleiner die Geometrie, umso stärker fallen die Auswirkungen der Diffusionsprozesse ins Gewicht. Darüber wissen die Kunden auch im Wafer-Bereich oft nicht Bescheid. Wir müssen erklären, wie es zu Alterungsprozessen kommt, welche Auswirkungen sie haben und welche eigenen Prozesse wir entwickelt haben, um die Alterung zu stoppen. Immerhin können wir auf die guten Erfahrungen verweisen, die wir mit den Bauelementen gemacht haben, und das lässt sich auch in vielen Punkten auf die Wafer übertragen.

Die Langzeitlagerung von Wafern ist also prinzipiell nicht anders als die von Bare Dies?

Es gibt schon einige Unterschiede. So sind Bare Dies vor der Einlagerung immer getestet. Sie müssen auch nicht in Boxen gelagert werden wie die Wafer. Im Gegensatz zu den Bare Dies müssen die Wafer deshalb recht aufwendig gehandelt werden. Das Handling der Wafer muss oft im Reinraum und am besten vollautomatisch geschehen. Der Aufwand ist demnach um einiges höher als bei Bare Dies oder Chips.

Wissen die Interessenten, die jetzt ihre Wafer über längere Zeiträume einlagern wollen, darüber Bescheid, was genau geschieht und was getan werden muss, sodass sich später die ICs, die aus den Wafern vereinzelt werden, auch nach 20 Jahren so verhalten, als sei der Wafer frisch aus der Fab gekommen?

Das ist ein weiterer Unterschied zu der Einlagerung von Komponenten und Baugruppen. Weil wir die Komponenten schon seit 25 Jahren langzeitlagern, haben wir uns tiefgreifendes Know-how aufgebaut und die Lagerprozesse ständig weiterentwickelt. Die Kunden sind mitgewachsen, sie haben sich inzwischen an die Prozesse gewöhnt und mit der Zeit gelernt, worum es geht und worauf es ankommt. Dagegen haben die Kunden, die jetzt ihre Wafer einlagern wollen, den Lernprozess nicht mitgemacht. Deshalb müssen wir vieles wieder von Grund auf neu erklären, sind darauf aber gut vorbereitet.

Reinraum
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Es gibt also noch viel Erklärungsbedarf?

Das stimmt, deshalb bieten wir dazu ein an unserem Standort in Bensheim an: Optional können die Teilnehmenden schon am 3. 12. ab 19 Uhr die Vorabendveranstaltung besuchen. Hier lernen die Teilnehmer, was zu tun ist, um die eigene Versorgung mit Wafern bei einer Abkündigung der Produktionslinie durch den Wafer-Hersteller sicherzustellen und die Wafer gleichzeitig für einen langen Zeitraum zur Nutzung verfügbar zu machen. Dabei erhalten sie einen Einblick, welche Bedingungen bei der Lagerung und Bevorratung von Wafern wichtig sind, wie Alterungsprozesse wirken und warum eine spezielle Konservierungsmethode notwendig ist, um die Zukunft abzusichern und Obsoleszenz vorzubeugen. Wir werden zudem auf der kommenden electronica 2024 an unserem Stand 554 in der Halle A3 die Besucher unter anderem über das Thema informieren.

Welche Informationen muss HTV von den Interessenten erhalten, um mit der Einlagerung beginnen zu können?

Wir müssen auf jeden Fall wissen, ob ein Test vor der Einlagerung erfolgen muss oder ob es ausreicht, nach der Einlagerung zu testen. Und wir müssen wissen, auf welchen Plattformen die Tests erfolgen sollen, weil es sehr aufwendig ist, ein entsprechendes Testprogramm zu erstellen.

Wie behandelt HTV die Wafer, die eingelagert werden sollen?

Zunächst untersuchen wir die Wafer und entscheiden dann, unter welchen Bedingungen sie gelagert werden und welche Rezepturen wir jeweils anwenden müssen. Außerdem kommt es darauf an, was genau der Kunde möchte. Wir bieten zum Beispiel an, dass wir die Wafer zusätzlich regelmäßig auf ihre Bond-Fähigkeit und ihre elektrischen Eigenschaften prüfen, um sicherzustellen, dass sich die Parameter nicht verändern. Wenn das gewünscht ist, lagern wir Sample-Wafer mit ein, die dann in Absprache mit den Kunden regelmäßig überwacht werden.

Stehen die erforderlichen Testgeräte zur Verfügung?

Wir betreiben ein umfangreiches Testgeschäft, deshalb sind ausreichend Wafer-Prober vorhanden; erst kürzlich haben wir einen Prober der neuesten Generation angeschafft. Mit Blick in die Zukunft überlegen wir aktuell, weitere Inspektionssysteme anzuschaffen, die Alterungsparameter prüfen können, die bisher nicht berücksichtigt werden.

Was geschieht während der Zeit der Einlagerung?

Eine grundsätzliche Anforderung besteht darin, dass sämtliche Komponenten, die eingelagert werden, vollkommen vor Brand, Naturkatastrophen, Diebstahl und anderen äußeren Einflüssen abgesichert sind. In dieser Hinsicht unterscheiden sich Wafer nicht von anderen Komponenten; dass wir das beherrschen, haben wir bereits seit 25 Jahren gezeigt.

Sehr wichtig ist, dass die Wafer – so wie die anderen Komponenten – während der Lagerzeit in regelmäßigen Abständen überprüft werden. Wie oben angesprochen ist das bei Wafern etwas komplexer und aufwendiger. Dennoch sollte der Kunde jederzeit über den aktuellen Lagerbestand und den Zustand seiner Wafer informiert sein. Dafür steht ihm ein eigenes Online-Portal zur Verfügung über das er jederzeit auf seine Daten zugreifen kann. Wichtig ist auch, dass wir die eigenen Prozesse ständig fortentwickeln und verbessern. Alle Faktoren zusammen führen dazu, dass sich die Kunden sicher sein können, dass auf ihren Wafern über die Zeit der Einlagerung nahezu keine Alterungsprozesse stattfinden, sie also in einem stabilen Zustand verbleiben und folglich die vereinzelten Dies die Zeit der Einlagerung voll funktionsfähig überstehen und sich danach ohne Probleme verarbeiten lassen. Das ist schließlich das Ziel des ganzen Prozesses.


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