Maßgeschneiderte Forschungsumgebungen

Frischer Schwung für Quanten- und neuromorphe Computer

20. Januar 2023, 7:00 Uhr | Heinz Arnold

Fortsetzung des Artikels von Teil 1

"Grundsätzlich stellen wir die Forschungsumgebungen zur Verfügung"

Wie kommt jetzt das neuromorphe Computing ins Spiel?

Grundsätzlich können neuronale Netze auf herkömmlichen digitalen Controllern und Prozessoren über Software abgebildet werden. Besonders für Einsätze in Edge-Geräten, bei denen der Energiebedarf eine große Rolle spielt, sind hardwarebasierte Lösungen jedoch attraktiv. Deshalb werden elektronische Elemente entwickelt, die den biologischen Neuronen sehr viel näherkommen als digital arbeitende Transistoren in herkömmlichen Prozessoren. Bei diesen neuartigen Elementen kann es sich beispielsweise um bestimmte Speicher handeln wie auf Hafnium basierende nichtflüchtige Speicherzellen. Memristoren wären ein anderes Beispiel.

All den Ansätzen ist gemeinsam, dass auch sie nicht ohne Weiteres in Standard-CMOS-Prozessen realisiert werden können. Die speziellen Materialien, die für den Aufbau der neuen Elemente erforderlich sind, stellen eine Herausforderung dar, weil sie zwar einerseits im Chip verbaut werden müssen, andererseits jedoch die Siliziumtransistoren damit keinesfalls kontaminiert werden dürfen. Schon geringste Spuren von bestimmten Elementen der Übergangsmetalle oder auch der Seltenen Erden können die elektrischen Eigenschaften der Transistoren signifikant verändern.

Wie dies dennoch effektiv gemacht werden kann, ist wiederum eine interessante Aufgabe der mikroelektronischen Fertigung sowie der Aufbau- und Verbindungstechnik. Die Laborumgebungen und Pilotlinien der Institute sind für solche sehr speziellen Arbeitstechniken besser als die großen Reinräume der meisten Industriebetriebe geeignet. Es gibt also auf dieser Ebene zwischen der Fertigung von Bauelementen für neuromorphe Computer und der für Quantencomputer viele Synergien, die wir nutzen können.

Weil sich das Projekt FMD-QNC auf die mikroelektronischen Prozesse fokussiert, können nur ganz bestimmte Quantenprozessor-Technologien unterstützt werden?

Grundsätzlich stellen wir die Forschungsumgebungen zur Verfügung. Auf welchen Technologien und Architekturen die Quantencomputer oder die Quantenprozessoren basieren, ist dabei nur insofern von Interesse, als wir die verschiedenen Prozessierungsmöglichkeiten anbieten. Das gilt entsprechend auch für das neuromorphe Computing. Aber wegen des mikroelektronischen Ansatzes gibt es natürlicherweise vier Quantenprozessor-Technologien, die wir mit unseren Umgebungen besonderes adressieren: supraleitende Josephson-Kontakte, auf neutralen Atomen basierende Qubits, Quantenpunkte und Ionenfallen. Aber vieles, was dort entwickelt wird, lässt sich zumindest teilweise auch auf weitere Technologien anwenden, etwa Fehlstellen in Diamantgittern. Auch photonische bzw. optische Technologien nehmen in unserem Projekt eine wichtige Rolle ein.

Es kommt aber nicht nur auf die Technologien selber an, sondern auf die Mitarbeiter, die mit ihnen umgehen können. Woher bekommen Sie, aber auch die Unternehmen die richtig ausgebildeten Fachkräfte?

Das ist ein wichtiges Thema, das wir auch im Rahmen des Projekts bearbeiten werden. Die FMD hat gerade die »Mikroelektronik-Akademie« ins Leben gerufen mit dem Ziel, passende Aus- und Weiterbildungen im Themenfeld Mikroelektronik anzubieten. Dies ist eines der zentralen Themen der letzten Jahre, um Deutschland als Forschungsstandort an der Weltspitze zu etablieren. Im FMD-QNC werden Facharbeiter für Quanten- und neuromorphe Technologien entsprechend aus- und weitergebildet. Das Angebot richtet sich aber auch an Experten, die bereits im Berufsleben stehen.

Zudem schaffen wir mit dem QNC-Betreibermodell als weiterem Bestandteil von FMD-QNC ein niederschwelliges Zugangsmodell für die Partner aus Wissenschaft und Wirtschaft, um agil auf die fortschreitenden neuen Entwicklungen und die Bedarfe aus Forschung und Entwicklung zu reagieren sowie den Transfer in die Wirtschaft zu beschleunigen. Damit wird allen Beteiligten ermöglicht, sich im Rahmen der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten weiter zu qualifizieren. Außerdem sollen Netzwerke mit verschiedenen Nutzergruppen sowie ausgewählte flankierende Forschungsarbeiten zur Integration der Technologien in die Forschungsstrukturen ausgebaut werden. Dies umfasst den QNC-Space zur Erprobung spezieller Herstellmethoden, sogenannte Multi-Project-Technologien als vereinfachten Zugang zu Chipfertigungsdurchläufen und eine Open-Design-Plattform.

Ist die FMD-QNC in die Forschungsprojekte auf europäischer Ebene eingebettet?

Das Projekt »Partnership for Realization and Validation of AI hardware Leadership«, kurz PREVAIL, startete zusammen mit FMD-QNC zeitgleich am 1. Dezember 2022. In diesem Projekt arbeiten die vier europäischen Forschungsorganisationen CEA-Leti, Fraunhofer, imec und VTT zusammen, um eine vernetzte 300-mm-Technologie-Plattform zur Herstellung von Chip-Prototypen für fortschrittliche Anwendungen der künstlichen Intelligenz und neuromorphes Computing zu schaffen.

Der nationale Teil von PREVAIL umfasst die vier Fraunhofer-Institute EMFT, IIS, IPMS und IZM, die als Teil der FMD ihre 300-mm-Fertigungs-, Design- und Testeinrichtungen erweitern und komplementär zu der 300-mm-Technologie ihrer europäischen Forschungspartner einsetzen.

Die geplanten Projektaktivitäten innerhalb von PREVAIL und FMD-QNC werden synergetisch vernetzt und sind wichtige Vorbereitungen für das technologische Fundament des »European Chips Act«. Durch das Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission soll die Entwicklung der Halbleitertechnologie auf eine neue Stufe gehoben und die europäische Innovationskraft in der Mikroelektronik ausgebaut werden.

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