Bisher blieb das Potenzial, das eine Automatisierung der Leitungssatzbranche bringen könnte, aufgrund von Komplexität, Variantenvielzahl und kaum kalkulierbaren Effekten auf die Prozessketten weitgehend ungenutzt. Der »Transformations-Hub Leitungssatz« will dies ändern.
Der Fahrzeugbau tendiert seit einiger Zeit vermehrt dazu, hochkomplexe Leitungssätze zonenbasiert aufzuteilen, wodurch sich kleinere Leitungssatzmodule mit weniger Adern und Stecksystemen ergeben. Erste Fahrzeuge mit neuen zonalen Konzepten sind für dieses Jahr angekündigt. Diese Zonalisierung erlaubt potenziell eine Automatisierung der Leitungssatzproduktion. Der »Transformations-Hub Leitungssatz« – gefördert vom »Zukunftsfonds Automobilindustrie« mit seinen Partnern Arena2036, Bayern Innovativ und OHLF – adressiert die Ausgestaltung von robotergestützten Montagekonzepten zur Leitungssatzproduktion durch die Initiierung der Robotik Challenge. Ziel ist es, Wissenschaft und Industrie zu vernetzen und praxisnahe Erkenntnisse moderner KI-gesteuerter Robotik für die Leitungssatzproduktion bereitzustellen.
Die erste Robotik Challenge fand 2023/2024 statt und umfasste acht Teilnehmer, die am 11. April 2024 ihre Konzepte präsentierten (Bild 1). Ziel war es, drei verschiedene Crimp-Kontakte automatisiert mit Knickarmrobotern in vorgesehene Steckerkammern einzusetzen. Eine Fachjury bewertete die Ergebnisse nach Innovation, Robustheit, Technologie und Wirtschaftlichkeit. Die hohe Vernetzung der Teilnehmer während der Bearbeitung der Robotik Challenge führte zu einer Bündelung des Knowhows, das in die erfolgreiche Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen floss.
Der Transformations-Hub Leitungssatz |
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Der Transformations-Hub Leitungssatz wird durch den »Zukunftsfonds Automobilindustrie« der Bundesregierung gefördert und fungiert als Bindeglied zwischen Unternehmen und Wissenschaft. Das Konsortium, bestehend aus Arena2036, Bayern Innovativ und der Open Hybrid LabFactory, leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Transformation der Leitungssatzbranche. Ziel ist es, die Branche beim Übergang zu automatisierten Produktionsprozessen und resilienten Lieferketten zu unterstützen. Der Hub analysiert Trends – sowohl innerhalb der Branche als auch in angrenzenden Technologiefeldern – und bringt die Erkenntnisse in die Praxis. Dafür beteiligt sich der Hub an Branchenevents, organisiert eigene Formate und fördert den Austausch zwischen _Industrie und Wissenschaft – unter anderem mit dem Robotik-Challenge-Format. www.leitungssatz-hub.de |
Aufgrund der positiven Erfahrungen wurde im Juli 2024 eine zweite Robotik Challenge gestartet. Dieses Mal war das Ziel die Herstellung eines Leitungssatzmodules in einer, mit manuellen Tätigkeiten vergleichbaren Zeit. Die prototypischen Montagezellen sollten einen realen Leitungssatz mit verschiedenen Stecksystemen, Kontaktteilen und Leitungen innerhalb von 180 Sekunden herstellen können. Dabei galt es, zentrale Arbeitsschritte automatisiert ohne Qualitätsverluste in Serienqualität durchzuführen. In einem skizzierten Bauplan (Bild 2) wird die Anordnung der Stecker und die Positionierung der Leitungen mit Crimp-Kontakten sowie das Routing der Leitungen dargestellt.
Teilnehmer der Challenge erhielten detaillierte Prozessspezifikationen und Materialien, darunter:
Die zu bewältigenden Prozessschritte waren Aufgreifen, Orientieren, Stecken, Verlegen, Schließen der Sekundärverriegelungen an den Steckern, Montieren in ein Umgehäuse und Fixieren.
Für die Challenge stellte TE Connectivity jedem Teilnehmer das Material für 100 Leitungssätze und Stecksysteme mit dazugehörigen CAD-Daten zur Verfügung. HellermannTyton unterstützte die Teilnehmer mit der Bereitstellung des Fixiersystems cpk inklusive Software zur Anbindung an die Robotersysteme. Start der Robotik Challenge war der 1. November 2024, mit Abgabe bis 28. Februar 2025. Die Entwicklung erfolgte dezentral, ohne Vorgaben zur Teamgröße, Technik oder Budget. Die Präsentation der fünf finalen Demonstratoren fand am 9. April 2025 in der Arena2036 statt. Nach einer Bewertung durch die Fachjury wurde der »Award für Technologie« an den Lehrstuhl für Fertigungsautomatisierung und Produktionstechnik (FAPS) der FAU Erlangen-Nürnberg und der »Award für Wirtschaftlichkeit« an Agile Robots vergeben.
Die Arena2036 |
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Arena2036 steht für »Active Research Environment for the Next generation of Automobiles« und ist einer von neun Forschungscampi der Förderinitiative »Forschungscampus – öffentlich-private Partnerschaft für Innovationen« in Deutschland. Arena2036 wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) unterstützt und als eingetragener Verein mit Mitgliedern aus Wissenschaft und Industrie geführt. Die Mitglieder sind in verschiedenen Disziplinen tätig – von der Automobilbranche über Luft- und Raumfahrttechnik, Textil- und Materialforschung bis zur Arbeitswissenschaft. Als Forschungscampus der Zukunft bildet Arena2036 eine Innovationsplattform für eine Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft mit Schwerpunkt Mobilität der Zukunft. Diese Zusammenarbeit findet in einer wandlungsfähigen Fabrikhalle statt, die als offener Co-Working Space dient. Durch die Zusammenarbeit in heterogenen Projektgruppen wird ein Kompetenztransfer jenseits der eigenen Firmen- und Institutsgrenzen hinweg ermöglicht. So werden vor allem Forschungsergebnisse außerhalb der etablierten Lösungsräume angestrebt, gefördert und unterstützt. Es gibt drei verschiedene Projektarten: Verbundprojekte, Fokusprojekte und sogenannte Schnellboote. Die Projektarten unterscheiden sich in Projektlaufzeit, Größe des Konsortiums, Finanzierung und Umfang. |
Die Konzepte der Teilnehmer zeigten signifikante Unterschiede, wie folgt:
Die Ergebnisse der Teilnehmer beeindruckten und zeigten, dass die Automatisierung der Leitungssatzproduktion auf ein neues Niveau gebracht werden kann. Ein wichtiger Effekt dabei ist, dass durch das Projekt der Robotik Challenge die Robotik-Branche das Thema Leitungssatzproduktion als relevantes Betätigungsfeld aufgenommen hat. In einem nächsten Schritt unterstützt das Team des »Transformations-Hub Leitungssatz« die Teilnehmer und interessierte Leitungssatzproduzenten beim Transfer der Ergebnisse in reale Produktionsketten. Hierbei werden drei Optionen verfolgt:
Die zweite Robotik Challenge hat gezeigt, dass eine vollautomatisierte Leitungssatzmontage durch den gezielten Einsatz von KI und Robotik machbar ist. Künstliche Intelligenz ermöglichte dabei sowohl die präzise Steuerung realer Prozesse als auch beeindruckende Simulationsergebnisse. Eine Fortsetzung der Robotik Challenge ist geplant.