Kleinste kryogene Verbindungen

Ausleseelektronik für kommerzielle Quantencomputer

22. Februar 2023, 11:28 Uhr | Heinz Arnold
Weniger als 10 µm beträgt der Rasterabstand der Leiterbahnen auf der kryogenen Umverdrahtung, das ist Weltrekord. Entwickelt hat die Ausleseelektronik für Quantencomputer das Fraunhofer IZM.
© Fraunhofer IZM/Volker Mai

Das Fraunhofer IZM hat supraleitenden Umverdrahtungen und das kryogene Packaging entwickelt, um Quantencomputer auslesen zu können und sie der Kommerzialisierung einen großen Schritt näher zu bringen.

Das Team um Dr.-Ing. Hermann Oppermann am Fraunhofer IZM in Berlin hat dazu eine 10 µm dünne Verbindung mit Hilfe einer auf Indium basierende Technologie entwickelt, um damit die Lotkontakte (Bumps) aufzubauen. Das Material ist unterhalb von 3,4 K supraleitend und erweist sich auch nahe des absoluten Nullpunkts als robust.

Rekord-Miniaturisierung für kryogene Verbindungen

Zur Erzeugung von Elektronikstrukturen wird das Indium mithilfe eines speziellen Elektrolyten galvanisch abgeschieden. Hierfür musste das Indium von dem bei diesen Strukturbreiten üblichen Nickelsockel auf einen alternativen Sockel transferiert werden. Das Ersetzen dieser Basis war insofern notwendig, als Nickel durch seine Eigenschaften große Magnetfelder produziert, die zu Störungen der Qubits führen würden. Mit dem neuen metallischen Übergang entsteht eine verträgliche Startschicht für die anschließende Indiumabscheidung. Diese Prozesse ermöglichen eine weltweit ungeschlagene Miniaturisierung für kryogene Verbindungen, beträgt doch der Rasterabstand der Leiterbahnen weniger als 10 µm.

Bemerkenswert ist auch der Aufbau extrem verlustarmer und supraleitender Verbindungen aus Niob und Niobnitrid: Mithilfe einer neu entwickelten Methodik wurden die Niob-Materialien flächig aufgebracht und mit einem Ionenstrahl geätzt. Somit entstehen kompakte kryo-geeignete Verbindungen, die aufgrund ihrer herausragenden Legierung hohe Stromdichten erlauben. Nach dem Aufbau der Indium-Bumps und der supraleitenden Schaltungsträger wurden die Elemente in einem kryogenen Messstand bei Temperaturen von bis unter 3 K erfolgreich getestet.

Wozu das Auslesen auf Tiefsttemperaturen erforderlich ist

Doch warum müssen die Quantenprozessoren bestimmter Quantenmcomputertypen überhaupt bis auf fast den absoluten Nullpunkt abgekühlt werden? Bisher ermöglichten Quantencomputer der ersten beiden Generationen grundlegende Erkenntnisse zu den Funktionsweisen des Geräts. Funktionale Vorreiter, etwa am Forschungszentrum Jülich, bringen es im Betrieb aktuell auf beachtliche 5.000 Qubits, also 25.000 potenzielle Zustände für jedes einzelne Quantenteilchen. Aus diesen ersten Errungenschaften ergeben sich jedoch auch Hürden: Das komplexe Geflecht sich überlagernder Qubits ist empfindlich, wodurch sich bisweilen Fehler in die Rechnungen einschleichen können. Deshalb muss eine Fehlerkorrektur die Lösungen verbessern, wofür wiederum das Vielfache der Qubits gebraucht wird, die für die eigentliche Rechnung notwendig sind. So visieren Forschende etwa eine Größenordnung von mindestens 100.000 bis zu 1 Million Einheiten für ein einziges Gerät an.

Um eine so hohe Qubit-Dichte in einem System zu erzielen, müssen neue integrierte Schaltungen und Leitungen in extremer Miniaturisierung hergestellt werden. Gleichzeitig müssen sie Temperaturen von bis zu -273° C aushalten. Denn nur in solch frostigen Umgebungen verlangsamen sich die Gitterschwingungen in den Festkörpern so weit, dass die Qubits länger verschränkt bleiben und damit leichter manipuliert oder ausgelesen werden können. Damit es nicht zur Eigenerwärmung durch elektrische Ströme kommt, werden bei tiefen Temperaturen verlustfreie Supraleiter eingesetzt.

Im Rahmen des InnoPush-Projekts »HALQ – Halbleiterbasiertes Quantencomputing« hat das Fraunhofer IZM gemeinsam mit den Projektpartnern eine übergreifende Plattform aufgebaut, die Technologien der Mikroelektronik für die Anwendung in höchstskalierbaren Quantencomputern zugänglich macht. Am Projekt beteiligten sich das Fraunhofer IPMS, Fraunhofer ITWM, Fraunhofer EMFT, Fraunhofer FHR, Fraunhofer IIS, Fraunhofer IISB, Fraunhofer ILT, Fraunhofer ISIT, Fraunhofer IOF, Fraunhofer ENAS sowie das Fraunhofer IAF.

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