Forschende des Forschungszentrums Jülich und des IHP haben mit »CSiGeSn« eine neuartige Halbleiterlegierung aus vier Elementen der IV. Hauptgruppe entwickelt. Sie ist CMOS-kompatibel, erlaubt präzise Bandlückensteuerung und eröffnet neue Wege für Photonik, Thermoelektrik und Quantentechnologie.
CSiGeSn ist eine stabile Legierung aus Kohlenstoff, Silizium, Germanium und Zinn. Das Besondere: Alle vier Elemente stammen wie Silizium aus der vierten Hauptgruppe des Periodensystems. Das macht die Legierung kompatibel mit dem CMOS-Prozess der Halbleiterindustrie - ein entscheidender Vorteil.
»Mit der Kombination dieser vier Elemente haben wir ein lang verfolgtes Ziel erreicht: den ultimativen Halbleiter auf Basis der vierten Hauptgruppe«, erklärt Dr. Dan Buca vom Forschungszentrum Jülich.
Mit der neuen Legierung lassen sich Eigenschaften so feinjustieren, dass Bauelemente möglich werden, die mit reinem Silizium nicht realisierbar wären: etwa für optische Komponenten oder in Quantenschaltungen. Die Strukturen lassen sich direkt bei der Herstellung auf dem Chip erzeugen. Die Chemie setzt dabei klare Grenzen: Nur Elemente, die zur selben Hauptgruppe gehören wie Silizium, fügen sich nahtlos ins Kristallgitter auf dem Wafer ein. Elemente anderer Gruppen stören das empfindliche Gefüge. Als zugrunde liegendes Verfahren kommt die Epitaxie zum Einsatz, mit der dünne Schichten atomgenau auf einem Substrat abgeschieden werden können.
Schon zuvor war es Forscherinnen und Forscher um Dan Buca gelungen, Silizium, Germanium und Zinn zu kombinieren und daraus Transistoren, Photodetektoren, Laser und LEDs zu entwickeln – oder thermoelektrische Materialien. Die Hinzunahme von Kohlenstoff erweitert nun die Möglichkeiten, die Bandlücke – entscheidend für das elektronische und photonische Verhalten – gezielt einzustellen.
»Ein Beispiel ist ein Laser, der auch bei Raumtemperatur funktioniert. Viele optischen Anwendungen aus der Silizium-Gruppe stehen noch ganz am Anfang«, erläutert Dan Buca. »Auch für die Entwicklung von geeigneten Thermoelektrika ergeben sich neue Möglichkeiten, um Wärme in Wearables und Computerchips in elektrische Energie umzuwandeln.«
Die Herstellung der neuen Verbindung galt lange als kaum machbar. Kohlenstoff ist winzig, Zinn groß und ihre Bindungskräfte sind sehr verschieden. Erst durch präzise Einstellung der Herstellungsprozesse gelang es, diese Gegensätze zu vereinen – mit einer industriellen CVD-Anlage von AIXTRON. Keine Spezialapparatur, sondern ein Gerät, wie es auch in der Chip-Produktion genutzt wird.
Das Ergebnis: ein Material von hoher Qualität, gleichmäßig zusammengesetzt. Daraus entstand auch erstmals eine Leuchtdiode, die auf sogenannten Quantentopfstrukturen aus den vier Elementen aufbaut – ein wichtiger Schritt in Richtung neuer optoelektronischer Bauelemente.
»Das Material bietet eine bislang einzigartige Kombination aus abstimmbaren optischen Eigenschaften und Silizium-Kompatibilität«, sagt Prof. Dr. Giovanni Capellini vom IHP (Leibniz-Instituts für innovative Mikroelektronik), der seit über 10 Jahren mit Dan Buca zusammenarbeitet, um die Anwendungspotenziale neuer Gruppe-IV-Halbleiter zu erschließen. »Damit schaffen wir die Grundlage für skalierbare photonische, thermoelektrische und quantentechnische Bauelemente.«