Intelligente akustische Sensorsysteme

Ein Hörsinn für das Auto - keine Zukunftsmusik mehr

5. September 2023, 16:17 Uhr | Nicole Wörner
Hören wir Menschen zuverlässig, aus welcher Richtung sich ein Einsatzfahrzeug nähert? The Hearing Car des Fraunhofer IDMT erkennt mit Hilfe der akustischen Außenwahrnehmung am Fahrzeug die Richtung, aus der die Sirene kommt.
© Fraunhofer IDMT / Anika Bödecker

In der Zukunft sollen Autos dank Mikrofonen und Sensoren Geräusche wie die Klingel eines Fahrrads, spielende Kinder oder das Martinshorn eines Einsatzfahrzeugs "hören" können. Fraunhofer-Forscher arbeiten bereits an KI-gestützten Systemlösungen für die akustische Szenarioerfassung im Fahrzeugumfeld.

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Moderne Fahrzeuge sind gegen Außengeräusche isoliert, um den Anforderungen der Kunden an den Fahrkomfort, insbesondere bei höheren Geschwindigkeiten, gerecht zu werden. Sicherheitsrelevante Geräusche erreichen die Ohren der Fahrenden dadurch oft nicht oder erst spät. Dabei liefern Außengeräusche am Fahrzeug – sei es die Sirene eines Krankenwagens, eine nasse Fahrbahn oder die Schraube im Reifen – wichtige Informationen. Gängige Sensorik am Fahrzeug kann diese nur schwer erfassen, deshalb sollen intelligente akustische Sensorsysteme des Fraunhofer IDMT am Oldenburger Institutsteil Hör-, Sprach und Audiotechnologie HSA dem Auto einen Hörsinn geben. Im Zusammenspiel mit anderen Fahrassistenzsystemen liefert die smarte Akustik relevante Informationen für notwendige Fahrmanöver oder die (vorausschauende) Wartungen.

Der Hörsinn für das Auto. Für mehr Sicherheit im Straßenverkehr, für autonome Fahrzeuge und die vorausschauende Wartung.
Der Hörsinn für das Auto. Für mehr Sicherheit im Straßenverkehr, für autonome Fahrzeuge und die vorausschauende Wartung.
© Fraunhofer IDMT / Anika Bödecker

»Im Auftrag von Automobilherstellern und Zulieferern entwickeln und erproben wir neue Sensor-Technologien und Algorithmen zur akustischen Umfelderfassung, Quellenlokalisation, Signalverbesserung und zur Sprachinteraktion auf der Teststrecke und der Straße«, erklärt Moritz Brandes, Projektleiter des Projektes The Hearing Car am Fraunhofer IDMT in Oldenburg.

Szenario »akustischer Abbiege-Assistent«: In den toten Winkel horchen

Um den Verkehr überwachen zu können, nutzen Lkw und Autos mittlerweile Kameras statt Spiegel, auch für den sogenannten toten Winkel, der während des Abbiegevorgangs entsteht. In Ergänzung zu den Kamerasystemen kann eine akustische Szenenanalyse oder die Detektion von wichtigen Umgebungsgeräuschen in aktuellen und für autonom agierende Fahrzeuge eine wichtige Sinneserweiterung darstellen. Am Institutsteil HSA des Fraunhofer IDMT wird konkret an Algorithmen zur Detektion und Ortung von verkehrsrelevanten Geräuschen geforscht, um das Fahrzeug der Zukunft sicherer in den Verkehrsfluss integrieren zu können. Mikrofone in Spiegeln und Kameraarmen der LKW bieten beispielsweise eine Chance, bei Abbiegeszenarien die Wahrnehmung des Fahrers für akustische Informationen zu erweitern und können so helfen, Unfälle zu vermeiden.

Szenario »akustische Rückfahrkamera«: Nach hinten hören

Beim rückwärtigen Einparken, dem Ankoppeln von Anhängern oder anderweitigem Rangieren mit dem Fahrzeug können akustische Signale eine große Hilfe sein und die Sicherheit für Autofahrerinnen und Autofahrer sowie von Passantinnen und Passanten erhöhen. Am Fahrzeug angebrachte Mikrofone und intelligente Software ermöglichen die Interaktion mit Außenstehenden, ohne die Fenster öffnen zu müssen. Am Fraunhofer IDMT in Oldenburg wird an der ortsgetreuen Aufzeichnung und Wiedergabe der Umgebungsgeräusche sowie der dazugehörigen Mikrofonhardware geforscht. Die Funktion steigert die Aufmerksamkeit des Fahrers bei diversen Fahrmanövern und kann, so erhoffen sich die Entwicklerinnen und Entwickler, aktiv vor Unfällen schützen.

Mobile Systeme zur Elektroenzephalographie (EEG) für optimale Mensch-Maschine-Interaktion

Der Fahrer muss dem Straßenverkehr jederzeit aufmerksam folgen, um in Gefahrensituationen rechtzeitig zu reagieren.

Mit mobiler EEG-Messung erfassen die Forschenden Aufmerksamkeitsveränderungen, wo sie entstehen:
Mit mobiler EEG-Messung erfassen die Forschenden Aufmerksamkeitsveränderungen, wo sie entstehen: Bei Veränderungen neuronaler Aktivitäten. Die EEG-Daten können dabei nicht nur im Labor erfasst werden, sondern auch in realen Fahrsituationen.
© Fraunhofer IDMT /Leona Hofmann

Aber wie verändern sich die Aufmerksamkeit und die Reaktionsbereitschaft, wenn das Fahrzeug autonom unterwegs ist? Auch diese Frage stellen sich Forschende des Fraunhofer IDMT-HSA und untersuchen unter anderem mit Hilfe eines selbst entwickelten mobilen EEG-Sensorsystems die Veränderungen des sogenannten Vigilanzzustands. Ein EEG zeichnet über Elektroden am Kopf Gehirnaktivität auf. Die Vigilanz, zu Deutsch »Wachsamkeit«, bezeichnet einen Zustand andauernder Aufmerksamkeit bei eintönigen Tätigkeiten. Wie die Daten in der Praxis erfasst werden können, wird am Messestand erfahrbar gemacht.

YourSound personalisiert Klangerlebnisse

Der Institutsteil Hör-, Sprach- und Audiotechnologie HSA wartet darüber hinaus mit spannenden Entwicklungen für den Fahrzeug-Innenraum auf. Mit dem YourSound-Verfahren beispielsweise lässt sich der Klang von Audio-Devices wie Kopfhörern, Smart Speakern oder Multimedia-Systemen in Fahrzeugen schnell und intuitiv personalisieren und ermöglicht individuelle Klangerlebnisse im Auto. Die einmalige Klangpersonalisierung mit Hilfe des in ein Infotainmentsystem integrierbaren YourSound-Verfahrens dient als Grundlage für alle zukünftigen Audiowiedergaben im Fahrzeug. Einmal eingestellt erleben Nutzer ein individuell besseres Hörerlebnis, egal bei welcher Wiedergabelautstärke und Fahrsituation.


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