Neue Aufnahme- und Analysemethoden sorgen für ein robustes Monitoring verschiedener Vital- und Bewegungsdaten wie Atmung und Puls. Die Radar-Technologie soll nicht nur in der Medizin sondern auch zur Überwachung in Autos, Zuhause oder am Arbeitsplatz zum Einsatz kommen.
Atmungsaussetzer im Schlaf, kritische Vitalparameter eines Säuglings oder das notwendige Monitoring von Atmung und Herzrate auf der Intensivstation und in der Pflege: Die Messung von Vitalzeichen ist essentiell - die dazu benötigten Sensoren allerdings müssen mit viel Aufwand desinfiziert, positioniert und justiert werden. Mit konstantem Druck auf den Körper können die kontaktbasierten zudem für Patienten unangenehm sein, hoher Verschleiß inklusive.
Forschende am Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT in Oldenburg haben ein neues, kontaktloses Radar-Verfahren zur Erhebung und Auswertung von Vitaldaten des menschlichen Körpers entwickelt. Der Clou: Durch eine seitliche Positionierung erhebt das Radar berührungslos besonders robust Daten der verschiedenen Körperbereiche, wie Atmung und Puls. Die Technologie ist für ideal für das Langzeit-Monitoring geeignet und spart dazu Mühl, Aufwand und Verbrauchsmaterialien. In Kombination mit intelligenten Analysemethoden eröffnen sich damit neue Anwendungen in der Medizin - aber auch in der Überwachung im Auto, Zuhause oder an Gefahrenarbeitsplätzen.
Ein Radarmessgerät registriert Bewegungen des Menschen aus der Entfernung. Das können große Bewegungen der Gliedmaßen sein, aber auch kleinere Bewegungen entlang der Hautoberfläche, wie der Puls oder die Atmungsbewegung entlang des Torsos. Am Fraunhofer IDMT wird mit einem Radarsystem gearbeitet, das den Raum vor dem Sensor in gleichgroße Abschnitte unterteilt. Jeder Abschnitt wird zeitgleich auf Bewegungen untersucht. Bei Puls- und Atmungsbewegungen nähert sich die Haut im jeweiligen Abschnitt an den Radarsensor an und entfernt sich wieder. Die Forschenden am Fraunhofer IDMT arbeiten daran, die vielen unterschiedlichen Bewegungen im Körper gleichzeitig zu erfassen, voneinander zu unterscheiden und zu analysieren. So können auch ohne Kontaktsensoren möglichst viele Aussagen zu Vitalparametern und zum Gesundheitszustand eines Menschen getroffen werden.
Im gängigen Einsatz wird der Radarsensor oft vor dem Bauch oder hinter dem Rücken der Patientin oder des Patienten positioniert. Dadurch erstreckt sich der Körper vor dem Sensor nur über wenige Abschnitte, in denen sich dann viele Bewegungen, wie Puls, die Atmungsbewegung des Torsos und Bewegungen der Gliedmaßen, überschneiden.
Die Forschenden am Fraunhofer IDMT setzen auf eine seitliche Positionierung des Radarmessgeräts, z. B. am Fußende des Betts, wodurch der menschliche Körper aus Sicht des Radars in deutlich mehr voneinander unabhängige Abschnitte aufgeteilt wird.
»Entlang des gesamten Körpers können verschiedenste Vitalparameter an jeweils vorteilhaften Körperregionen beobachtet werden. So sehen wir z. B. zeitgleich die Atmungsbewegung deutlich am Torso und den Puls an den Beinen - ohne eine störende Überlagerung der Signale. Durch die Aufteilung des Körpers in Messabschnitte während der Messung entfällt die aufwendige Trennung von Atmung und Puls nach der Messung in der anschließenden Datenanalyse« |
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Lars Hornig, Fraunhofer IDMT |
In dem vollständigen, in Abschnitte aufgeteilten Körpermodell, können für die Auswertung noch weitere Informationen freigelegt werden. Die Unterscheidung von Bauch- und Brustatmung ist beispielsweise interessant für die Erkennung der chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) oder einer obstruktiven Schlafapnoe. Zusätzlich können unzureichend informative Vitaldaten eines Körperabschnitts durch die Informationen aus einem anderen Körperabschnitt ergänzt werden.
Die Überwachung von Vitaldaten via Radar nicht nur im medizinischen Bereich denkbar. Das Team des Fraunhofer IDMT testet bereits den Einsatz für Personen im Sitzen, z.B. um im Auto die Vitalparameter des Fahrenden zu überwachen. Das Verfahren könnte damit Berufskraftfahrende oder Menschen in autonomen Fahrzeugen monitoren.
In diesem Fall ist die Positionierung des Radars beispielsweise in der Fahrzeugdecke denkbar. Außerdem könnte der Einsatz an Gefahrenarbeitsplätenz Mitarbeitende durch ein Monitoring von Vitalparametern zusätzlich zu bisherigen Schutzmaßnahmen absichern. Zuhause kann das Radar Daten für ein Schlafmonitoring liefern, um lange Wartezeiten auf einen Platz im Schlaflabor zu umgehen und gleichzeitig besonders aussagekräftige Daten aus dem Alltag zu erheben. Ebenso wird der Einsatz in einem smarten Assistenten für das stationäre oder häusliche Leben anvisiert, der neben Audio- und Video-Sensorik auch das Radar nutzt und dadurch das Anwendungsspektrum auf die oben beschriebenen Vitaldaten erweitert.
Die Fraunhofer-Gesellschaft hat für das beschriebene Verfahren ein Patent angemeldet (Patentnummer: 102022208945.6). (uh)