Die Corona-Folgen schlagen jetzt auch in Deutschland auf die automobile Produktion durch. Während in Europa schon die meisten Bänder still stehen, hat der Shutdown hierzulande erst begonnen. BMW, Ford, Opel, Daimler, VW und Audi fahren ihre Produktion herunter. Die IG Metall fordert Ausgleichsgeld.
Volkswagen
Volkswagen muss nach Unterbrechungen in China ebenfalls die Fertigung in zahlreichen deutschen Werken aussetzen, um Ausbreitung des neuen Erregers zu verhindern. An den allermeisten Standorten solle am Freitag (20. März) die letzte Schicht laufen, heißt es aus dem Betriebsrat in Wolfsburg. Welche der Werke genau betroffen sind, ist noch nicht bekannt. In den vergangenen Tagen hatte es auch in deutschen VW-Fabriken erste bestätigte Fälle von Infektionen mit dem Sars-CoV-2-Virus gegeben. Der Konzernchef Herbert Diess erklärte, viele Standorte richteten sich auf zwei Wochen Unterbrechung ein.
Bisher waren die Lieferketten nach offiziellen Angaben nicht nennenswert unterbrochen oder gefährdet. Diess sagte, die Werke in Übersee seien «derzeit nicht in kritischem Zustand ». Der durch Software-Probleme verzögerte Start des Elektroautos ID.3 soll im Sommer nach wie vor stehen, trotz «temporärer Shutdowns». Auch bei einer Pause von drei Wochen sei die geplante Produktion von 100 000 Fahrzeugen in Zwickau möglich. In China hatte der Konzern zuletzt fast alle Standorte wieder ans Netz genommen.
Die VW-Tochter Audi fährt ihre Werke in Ingolstadt und Neckarsulm bis Ende dieser Woche schrittweise komplett herunter. Angesichts der deutlich verschlechterten Absatzlage und der sich abzeichnenden Unsicherheit der Teileversorgung der Werke «wird es an den meisten Standorten des Volkswagen-Konzerns zu Produktionsunterbrechungen kommen», teilte Audi mit. Ab kommendem Montag solle die Produktion in diesen Werken still stehen. In den deutschen Audi-Fabriken arbeiten rund 60 000 Beschäftigte.
Opel
Der Opel-Mutterkonzern PSA schließt wegen Covid-19 in den kommenden Tagen 15 Autofabriken in Europa. In Deutschland sind die Standorte Rüsselsheim und Eisenach betroffen, die Schließungen sollen bis zum 27. März dauern. Opel gehört seit gut zweieinhalb Jahren zu PSA, als Gründe für den Produktionsstopp nannte der Konzern Unterbrechungen in der Zulieferkette und einen deutlichen Rückgang des Absatzes.
Konkret fährt Opel nach eigenen Angaben seit Dienstag die Produktion in seinem Stammwerk Rüsselsheim kontrolliert herunter, ebenso wie in Eisenach und Kaiserslautern. Die Mitarbeiter seien noch für Abschlussarbeiten vor Ort. Zahlreiche Beschäftigte aus Entwicklung und Verwaltung hatten ihre Tätigkeit bereits in der vergangenen Woche ins Home-Office verlegt.
Das Werk Rüsselsheim wird nun vorerst geschlossen. Die rund 2400 Beschäftigten hatten bereits vor der Coronakrise Kurzarbeit, weil sich der Insignia nur noch mäßig verkauft. Eine bessere Auslastung wird erst ab 2021 erwartet, wenn der neue Astra in Rüsselsheim vom Band läuft. Opel spricht derzeit über die Ausweitung der Kurzarbeit, hieß es in einer internen Information vom Montag. Über Dauer, Umfang und Kopfzahl wurde zunächst nichts bekannt.
Ford
Auch Ford stellt seine Produktion in Europa vorerst ein. Ab Donnerstag sollen an den deutschen Standorten in Köln und Saarlouis sowie anderen Standorten in Europa die Bänder stillstehen, teilte der Autobauer mit. Zuvor hatte bereits der Kölner «Express» berichtet. Wie lange der Produktionsstopp anhalten werde, sei noch unklar, sagte ein Sprecher. Neben dem Schutz der Mitarbeiter ist auch eine extrem sinkende Nachfrage Schuld an der Maßnahme. Kurzarbeit bis Ende des Jahres hatte der Autobauer für den Kölner Standort bereits im Februar beantragt. Ob diese Maßnahme auch für weitere Standorte geplant sei, konnte das Unternehmen zunächst nicht bestätigen.
Daimler
Auch beim Autobauer Daimler wird ein Großteil der Produktion in Europa von dieser Woche an für zunächst zwei Wochen geschlossen, teilte der Konzern in Stuttgart mit. Betroffen seien sowohl die Pkw- und Transporter- als auch die Nutzfahrzeug-Produktion. Auch die Arbeit in ausgewählten Verwaltungsbereichen werde unterbrochen, hieß es. Bis zum Ende dieser Woche sollen die Werke heruntergefahren werden. Auch die Lieferketten, die derzeit nicht komplett aufrechterhalten werden könnten, sollen überprüft werden. Wo der Betrieb aufrechterhalten werden müsse, würden Vorkehrungen zum Schutz der Mitarbeiter getroffen, betonte Daimler. Bereits vor der Produktionspause hatte das Unternehmen nach Angaben von electrive.net persönliche Schichtübergaben gestrichen und Maßnahmen in den Kantinen ergriffen. Außerdem hat der Stuttgarter Autobauer seine für den 1. April in Berlin geplante Hauptversammlung verschoben. Die Gesundheit der Aktionäre und aller anderen Beteiligten und Gäste habe oberste Priorität, teilte der Konzern am Freitag in Stuttgart mit. Wann die Veranstaltung nachgeholt wird, steht noch nicht fest.
BMW zeigte sich am Dienstag noch zuversichtlich: »Die Werke der BMW Group und des Joint Ventures BMW Brilliance Automotive in China laufen regulär. Es gibt derzeit keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in unserer Lieferkette«, sagte eine BMW-Sprecherin. Heute morgen kündigte der Münchner Weltkonzern an, seine Autoproduktion in Europa für vier Wochen zu stoppen. Betroffen sind laut Konzern 30 000 Mitarbeiter. Vorstandschef Oliver Zipse sagte am Mittwoch in München:
Die Ausbreitung des Coronavirus dürfte die Nachfrage nach Autos in allen wesentlichen Märkten erheblich beeinträchtigen, teilte das Unternehmen mit. Vorstandschef Oliver Zipse sagte, dem absehbaren Rückgang der Nachfrage begegne BMW mit einer «Anpassung der Produktion». Betriebsratschef Manfred Schoch sagte, die Gesundheit der Mitarbeiter müsste geschützt und ihre Arbeitsplätze und Einkommen müssten abgesichert werden. Dazu gebe es drei mit dem Betriebsrat vereinbarte Instrumente: Arbeitszeitkonten, Homeoffice und Kurzarbeit. Ein Tarifmitarbeiter bekomme auch bei Kurzarbeit mindestens 93 Prozent seines Nettolohns. Mit diesen Instrumenten werde BMW die Belegschaft sicher durch die Coronakrise steuern.
Porsche stoppt wegen der Ausbreitung des Coronavirus seine Produktion. Das Stammwerk in Zuffenhausen sowie das Werk in Leipzig bleiben von Samstag an zunächst für zwei Wochen geschlossen, wie das Unternehmen am Mittwoch mitteilte. Primär gehe es um den Schutz der Belegschaft, darüber hinaus gebe es inzwischen aber auch Engpässe in den globalen Lieferketten, die eine geordnete Produktion nicht mehr zuließen. Bei dem Sportwagen-Hersteller durften viele Mitarbeiter in Leipzig am Mittwoch zu Hause bleiben, um die Betreuung ihrer Kinder zu organisieren. Am Stammsitz des Autobauers in Stuttgart durften Beschäftigte, die ihre Arbeit nicht mobil erledigen können, schon am Dienstag für einen Tag aussetzen. Dort waren bereits alle Schulen und Kitas geschlossen, um die Ausbreitung des Coronavirus zu bremsen. In Sachsen folgte dieser Schritt am Mittwoch.
MAN
Der Lastwagenbauer MAN hat für seine deutschen Werke Kurzarbeit beantragt. Die Regelung soll von diesem Montag an »für einen Großteil der Beschäftigten an den produzierenden Standorten gelten«, teilte die VW-Tochter am Dienstagabend in München mit.
betonte das Unternehmen. Auch in Werken außerhalb Deutschlands werde die Produktion zurückgefahren. MAN will nach eigenen Angaben alles daran setzen, den Betrieb der Vertriebs- und Servicestandorte weltweit, so lange es die Gesamtsituation zulässt, in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, um die Versorgungsketten sicherzustellen.
Der weitgehende Produktionsstopp dürfte auch Folgen für die Zulieferer der Industrieriesen etwa im Maschinenbau und der Chemie haben - und für den Geldbeutel der Beschäftigten, auf die nun in großem Stil Kurzarbeit zukommt. Die Pause in den deutschen Fabriken muss nach Auffassung der IG Metall für die Arbeiter finanziell ausgeglichen werden. Gewerkschaftschef Jörg Hofmann verlangte am Dienstag Zuschusszahlungen der Arbeitgeber, um die Nettogehälter der Beschäftigten abzusichern.
Die IG Metall unterstützt nach Worten ihres Vorsitzenden die temporären Schließungen, um auch die Produktionsbeschäftigten vor der Ausbreitung des Coronavirus zu schützen. Hofmann verwies darauf, dass zwar zahlreiche Angestellte im Homeoffice weiterarbeiten könnten. Aber für diejenigen, die das nicht könnten, müsse es einen finanziellen Ausgleich geben. »Auch in dieser Frage dürfen Produktionsbeschäftigte nicht gegenüber anderen Beschäftigtengruppen benachteiligt werden, die die Option haben, mobil zu arbeiten.« In den großen Automobilfabriken gebe es entsprechende Regelungen für Aufzahlungen. Es liege nun an den Arbeitgeberverbänden, das auch flächendeckend zu regeln.
Deutschlands Maschinenbauer sehen die geplanten Produktionsstopps in der Autoindustrie mit Sorge. »So lange die Werkshallen nicht ganz geschlossen werden, können unsere Firmen die bestellten Maschinen und Anlagen theoretisch auch weiterhin ausliefern oder ihren Service durchführen«, sagte VDMA-Chefvolkswirt Ralph Wiechers in Frankfurt. »Aber je stärker die Restriktionen in unseren Kundenbranchen werden, umso heftiger werden auch wir als Ausrüster getroffen.«