»Das smarte Gebäude wird immer selbstlernender werden«
Fabrik- und Gebäudeautomationssysteme nähern sich auf der technologischen Ebene an, nicht aber bei den technischen Normen und Richtlinien. Axel Schlarb, Leiter Portfoliomanagement Comfort bei Siemens Smart Infrastructure Deutschland, erläutert dieses Spannungsverhältnis und die aktuellen Trends näher.
Markt&Technik: Welchen Zwecken dient die Datenanalyse in der Gebäudetechnik heute und künftig, und welche Verfahren kommen dabei zum Einsatz?
Axel Schlarb: In einer zunehmend digitalisierten Welt müssen sich Gebäude ständig an wechselnde Technologien und Erwartungen anpassen. Die Digitalisierung bringt mit sich, dass Gebäude mehr und mehr vernetzt werden. Damit wird es immer wichtiger, alle Gebäudedaten im Blick zu haben. Offenheit und Flexibilität müssen die Grundprinzipien aller Systeme sein. Durch offene Kommunikationsprotokolle lassen sich Systeme leicht in andere Systeme einbinden und später ebenso leicht modernisieren. Wenn alle Gewerke, wie Heizung, Lüftung und Klimaanlagen, in einem Gesamtkonzept zusammengefasst werden, dient das dem effizienten und vorausschauenden Betrieb sowie dem Raumkomfort und der Sicherheit für die Gebäudenutzer.
Die Gebäudeautomation ist der Schlüssel und die Drehscheibe für ein effektives und energieeffizientes Gebäudemanagement und leistet damit einen unentbehrlichen Beitrag für die Erreichung der Klimaziele. Auch auf politischer Ebene wird dies unterstützt und gefördert: durch die Bundesförderung Energieeffizienz (BEG) sowie die Mindestausstattung an Gebäudeautomation in Gebäuden ab 290 kW in der anstehenden Novelle des Gebäudeenergiegesetzes 2023, der Umsetzung der EU-Gebäuderichtlinie EPBD 2018 (Energy Performance of Buildings Directive).
In der Zukunft werden Daten also immer wichtiger: Mithilfe von smarten Gebäudedaten, Machine Learning, intelligenter Auswertung und Simulation wird der zielgerichtete Nutzen von Daten stetig steigen. Das smarte Gebäude wird immer selbstlernender und prädiktiver im Management werden. So rücken die Versorgungssicherheit kritischer Anlagen und der Schutz der Gebäudeautomation vor Cyberangriffen immer mehr in den Fokus: abgesicherte Netzwerke, gehärtete Systeme, verschlüsselte Kommunikation. BACnet Secure Connect wird hier eine wichtige Rolle einnehmen.
Worin werden sich Systeme für die Gebäudeautomation technisch auch in Zukunft von Fabrikautomationssystemen unterscheiden, und wo werden die Gemeinsamkeiten liegen?
Automationssysteme sind mit ihren Grundfunktionen sehr universell einsetzbar. Moderne Automationsplattformen sind heute für beide Einsatzgebiete geeignet. Eine Annäherung auf der technologischen Ebene findet also eindeutig statt. Die langfristig in ihrem Marktsegment erfolgreichen Systeme sind jedoch in ihren wichtigen Eigenschaften, wie Bauform, Robustheit, Verarbeitungsgeschwindigkeit, Prozesskommunikation und Schnittstellen, auf ihren jeweiligen Einsatzschwerpunkt – Industrie oder Gebäude – optimiert. Hier macht in erster Linie nicht die Automations-Hardware, sondern die Software den Unterschied: Die Planungs- und Projektierungswerkzeuge, die Anwendungsbibliotheken und Managementsysteme, die das Branchen-Know-how und Anwendungswissen vermitteln, sind hier essenziell. Und genau das erwarten Kunden von der Automation.
Ein Beispiel aus unserem Hause verdeutlicht dies: Industriekunden möchten ein Prozess- und Gebäudeautomationssystem. Wir haben daher unser Branchenwissen mit den Anwendungsbibliotheken für Gebäudeautomation in das TIA Portal und den CFC übertragen und bieten nun eine leistungsfähige Gebäudeautomations-Lösung mit S7-1500 HLK an. Unterschiede bleiben dennoch, denn die industrielle Automation und die Gebäudeautomation gehen bei technischen Normen und Richtlinien seit jeher getrennte Wege, und eine Annäherung ist nicht absehbar. Diese Unterschiede bleiben uns noch lange erhalten.