Laut Analye von Fortune Business Insights hat der Markt für Electronics Manufacturing Services (EMS) ein riesen Potenzial. Doch was bleibt davon für Europa übrig? Markt&Technik ordnet die Zahlen ein.
Die Analysten von Fortune Business Insights haben die globale Marktgröße für Electronics Manufacturing Services (EMS) im Jahr 2023 auf 538 Milliarden USD geschätzt. Für 2024 wird ein Anstieg auf 573 Milliarden USD erwartet, mit einer Prognose auf 1017 Milliarden USD bis 2032, was einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 7,4 Prozent entspricht. Wie verteilt sich das Wachstum auf die Regionen und wie schneidet Europa ab? Markt&Technik ordnet die Analyse ein.
EMS-Unternehmen bieten Dienstleistungen wie Design, Fertigung, Testen und Montage für Original Equipment Manufacturers (OEMs) an. Der EMS-Markt wächst weltweit betrachtet stark, bedingt durch die zunehmende Komplexität elektronischer Produkte und die Notwendigkeit kosteneffizienter Produktion. Weil viele OEMs ihre Produktion nicht mehr als das entscheidende Kerngeschäft betrachten, lagern sie die Fertigung ihrer Entwicklungen aus. Treibende Faktoren sind – so sehen es zumindest die Analysten von Fortune Business Insights – die Nachfrage nach Konsumelektronik, industrieller Automatisierung, Medizingeräten und Automobil-Elektronik.
Die Herausforderungen der weltweiten EMS-Industrie sind vielschichtig und lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Global aussagekräftige Analysen für diesen Markt sind kaum zu finden, weil jede Region sehr spezifische Besonderheiten hat. Aus dem europäischen Blickwinkel haben »wie erwartet steigende globale Zinssätze und eine Marktanpassung zu einem niedrigeren Aktivitätsniveau in der Elektronikindustrie geführt. Gleichzeitig sind die Marktbedingungen aufgrund geopolitischer Entwicklungen weitaus komplexer geworden. Insgesamt haben der US-amerikanische Ansatz, sich von China abzuwenden, und die daraus resultierenden Markteffekte einen erheblichen Einfluss auf den globalen Handel«, beschreibt Bo Lybaek, CEO von GPV, die aktuelle Situation. GPV hat sein Headquarter in Dänemark, zählt zu den größten EMS in Europa und unterhält weltweit Produktionsstandorte.
Die Region Asien-Pazifik mit China und Taiwan hat sich dank Kostenvorteilen und einer gut etablierten Lieferkette als EMS-Zentrum unbestritten an die weltweite Spitze gesetzt. Im Jahr 2023 verzeichnet die Region Asien-Pazifik laut der vorliegenden Analyse den höchsten Marktanteil und die höchste durchschnittliche jährliche Wachstumsrate im EMS-Bereich. Dies ist auf die starke Position in den Sektoren Unterhaltungselektronik, Automobil und Telekommunikation zurückzuführen. Schnelle technologische Fortschritte und ein expandierendes Technologie-Ökosystem fördern das hohe Wachstum.
China hat trotz des Einbruchs während der Corona-Pandemie nach wie vor eine dominierende Stellung auf dem globalen EMS-Markt. Zahlreiche EMS-Anbieter, die sowohl nationale als auch internationale Märkte bedienen, haben ihren Hauptsitz in China. Der EMS-Sektor im Land ist in verschiedenen Branchen, darunter Unterhaltungselektronik, Telekommunikation, Automobil und industrielle Fertigung, stark vertreten. Die kostengünstige Fertigung macht China zu einem bevorzugten Standort für die Auslagerung der Elektronikproduktion. Zu den führenden EMS-Unternehmen in China zählen Foxconn alias Hon Hai Precision Industry, BYD Electronic und Flex. Einige chinesische EMS-Anbieter haben ihre Aktivitäten auf internationale Märkte ausgeweitet.
Was bekommt Europa vom Kuchen ab? Europa hält nach Asien-Pazifik laut Fortune Business Insights immerhin den zweithöchsten Marktanteil im EMS-Sektor. Der Fokus der Region auf Innovation und High-Tech-Fertigung fördere die Nachfrage nach EMS-Dienstleistungen, so die Auguren. Insbesondere im Automobil- und Luftfahrtsektor sei Europa stark. Europas Engagement für nachhaltige Fertigung wirke sich außerdem positiv auf den Stellenwert von EMS-Dienstleistungen aus.
Allerdings hat Europa insgesamt betrachtet am EMS-Markt eine Sonderstellung, da es zum Großteil von der EMS-Fertigung von Konsumgütern, etwa Handys oder Laptops, abgekoppelt ist. Der EMS-Markt in Europa ist stark fragmentiert und zum Teil auch sehr spezialisiert. Viele globale Player bewegen sich in Europa, aber auch zahlreiche Nischenanbieter sind auf dem Kontinent zu finden, allen voran in der D/A/CH-Region. »In Europa haben wir immer noch eine solide industrielle Basis, und die Automobilindustrie ist für einige Länder in Europa sehr wichtig, obwohl sie durch die Elektrifizierung vor Herausforderungen steht. Wir hoffen, dass sie die Wende schaffen und danach noch stärker dastehen, aber es ist eine Herausforderung«, fasst Thomas Kaiser zusammen, COO von GPV. Um als Europäer auf dem globalen Parkett mitspielen zu können, ist eine gewisse Unternehmensgröße erforderlich, davon sind Kaiser und sein CEO Bo Lybaek überzeugt.
Beispiele wie der deutsche EMS Limtronik zeigen aber auch, dass kleinere Anbieter sich gut am Markt behaupten können, wenn sie durch Spezialisierungen punkten können. Limtronik war ein Early Adopter der Elektronikfertigung nach den »Industrie-4.0-Prinzipien«, was sich letztlich auch positiv auf die Produktivität auswirkt, wie Geschäftsführer Gerd Ohl anmerkt: »Die für uns als EMS-Dienstleister notwendigen, aber nicht immer wertschöpfenden Prozesse werden mittlerweile durch Digitalisierung sehr gut unterstützt. Wir beschäftigen uns aktuell mit KI-basierter Bilderkennung.« Grundsätzlich ist die Situation eines EMS in Deutschland und Europa sehr stark davon abhängig, welche Branchen bedient werden. Als schwierig stuft Gerd Ohl Automobilelektronik und Maschinenbau ein. Limtronik selbst scheint jedenfalls zuversichtlich, was die Auftragslage anbelangt: »Unsere internen Prognosen haben gezeigt, dass wir im Jahr 2025 aufgrund der angekündigten Aufträge in kapazitive Engpässe geraten könnten.«
Bei der Frage, ob sich das Outsourcing von Fertigungsleistungen insgesamt in Europa verstärkt hat, ergibt sich kein einheitliches Bild. Während einige von Markt&Technik befragten EMS-Manager hier eher einen Status quo erkennen, schreitet laut Florian Weiß, Mitglied der Geschäftsführung und Head of Profit Center von BMK, der Trend hin zum Outsourcing von Value-Chain-Anteilen durch OEMs an externe Dienstleister weiter voran: »Immer mehr Unternehmen erkennen den Vorteil, auf einen starken und spezialisierten Partner zu setzen. Das gilt besonders für komplexe Produkte oder die Montage von Komplettgeräten.« Er sieht außerdem Europa als Fertigungsstandort im Aufwind: »Europa wird als Produktionsstandort immer relevanter, um sich der Abhängigkeit vom asiatischen Raum zu entziehen. Wir sehen hier eine zunehmende Regionalisierung der Elektronikproduktion.«
Der Vollständigkeit halber ein Blick auf die weiteren EMS-relevanten Regionen: Nordamerika belegt laut Fortune Business Insights den dritten Platz in Bezug auf den globalen Marktanteil. Große Investitionen in Forschung und Entwicklung machen sich bezahlt. Innovationszentren in den USA und Kanada fördern die Zusammenarbeit zwischen EMS-Anbietern und High-Tech-Industrien, was das Marktwachstum unterstützt. Zudem trägt die steigende Nachfrage im Gesundheitswesen zur Expansion des EMS-Marktes bei.
Die Region Naher Osten und Afrika entwickelt sich ebenfalls zu einem aufstrebenden EMS-Markt. Die zunehmende Infrastrukturentwicklung und Investitionen in Technologie fördern die Präsenz von EMS-Dienstleistungen.
Südamerika hält der vorliegenden Analyse zufolge einen vergleichsweise kleineren Marktanteil, etabliert sich jedoch zunehmend im EMS-Markt. Nicht zu vergessen ist hier Mexiko. Der Nachbar der USA dürfte einer der derzeit am stärksten wachsenden Regionen für Fertigungsdienstleistungen sein, nicht zuletzt auch deshalb, weil China den Standort nutzt, um weiter Zugang zum US-amerikanischen Markt zu haben, wie Markt&Technik in Ausgabe 29–30 berichtete. Mehr zum Thema lesen Sie im EMS-Guide, der im Oktober erschienen ist.