Interview mit Professor Leo Lorenz, ECPE

»Die Passiven sind der Flaschenhals«

17. April 2018, 14:30 Uhr | Ralf Higgelke
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Fortsetzung des Artikels von Teil 2

Hochschulen und Industrie investieren zu wenig in passive Komponenten

Apropos passive Komponenten. Ich habe das Gefühl, diese hinken in ihrer Weiterentwicklung den Halbleitern hinterher. Haben die Hochschulen und die Industrie im Bereich der Passiven zu wenig in Forschung und Entwicklung investiert?

Eindeutig ja! Natürlich gibt es viel weniger Hochschulen und Forschungsinstitute, die in diesem Bereich tätig sind, als solche, die sich um Leistungshalbleiter kümmern. Das ist der eine wichtige Aspekt. Der andere ist, dass die Forschung und Entwicklung im Bereich der passiven Komponenten sehr viel schwieriger und langwieriger ist.

Bei den Ferriten beispielsweise geht es vor allem darum, ein Pulver zu entwickeln, das möglichst geringe Ummagnetisierungsverluste hat, bei dem also die Hystereseschleife möglichst klein ist. Das ist in erster Linie Materialwissenschaft, und da sind wir auch in Deutschland schlecht aufgestellt. Bei Materialwissenschaften denke ich sofort an Japan. Deren Hochschulen und Forschungsinstitute machen in dieser Hinsicht wirklich viel. Bei uns wird der Fokus viel mehr auf die Halbleiterei gelegt. Das ist immer attraktiver, auch für junge Leute. Und passiv – dieses Wort hat einfach einen negativen Beigeschmack.

Gibt es trotzdem auch hier bei uns in dieser Hinsicht spannende Entwicklungen?

Doch, und bei einer durfte ich mit dabei sein. Das war eine Doktorarbeit bei BMW, die sich mit der Ansteuerung von Lampenmodulen im Auto befasste. Bei so etwas geht es darum, dass es möglichst klein sein muss und möglichst wenig Abwärme erzeugen darf. Der Doktorand nutzte GaN-Transistoren und musste feststellen – wie auch viele bei der Google Little Box Challenge –, dass der optimale Arbeitsbereich für Ferrite bei 300 bis 500 Kilohertz endet. Über diesem Weg konnte er das Volumen der Lampensteuerung aus thermischen Gründen also nicht genug verkleinern. Daher hat er einen großen Sprung in der Schaltfrequenz auf sieben Megahertz gewagt. Damit fällt der Ferrit weg, und er nutzt Luftspulen. Und diese wiederum lassen sich in eine Leiterplatte integrieren.

Bei solch extremen Schaltfrequenzen muss man allerdings die parasitären Komponenten jedes einzelnen Bauteils sowie der Leiterplatte berücksichtigen. Darunter fallen die parasitären Kapazitäten des GaN-Schalters oder die Koppelkapazitäten der Luftspule. Und beim resonanten Schalten muss ich dieses gesamte parasitäre Netzwerk verstehen, es modellieren und mit einbeziehen.

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Und wie sieht es derzeit bei den Kondensatoren aus?

Bei den Kondensatoren geht es ja immer um Energiedichte, also um die Ampere pro Mikrofarad. Da liegt die Grenze bei etwa fünf Ampere pro Mikrofarad. Will ich mehr, dann muss ich viele Kondensatoren in Reihe und parallel schalten. Aber dann habe ich wieder ein Netzwerk mit vielen parasitären Komponenten, zuvorderst die Innenwiderstände und die Streuinduktivitäten, die ich ebenfalls beherrschen muss. Aber diese Herausforderung verstehen mittlerweile alle gut verstehen, besonders wenn man diese extrem schnellen Schalttransistoren voll ausnutzen möchte. Und das ist auch nötig, um die höheren Kosten zu rechtfertigen.

Summa summarum sind die passiven Bauelemente derzeit der Flaschenhals, und es wird in dieser Hinsicht auch zu wenig gemacht.

Herr Professor Lorenz, herzlichen Dank für das Gespräch.

Das Interview führte Ralf Higgelke


  1. »Die Passiven sind der Flaschenhals«
  2. Gemischte Gefühle bei SiC für die Elektromobilität
  3. Hochschulen und Industrie investieren zu wenig in passive Komponenten

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