Hybride SiC-Kaskoden verbinden die Vorteile von Wide-Bandgap-Halbleiterschaltern mit der Flexibilität, einfachen Ansteuerung und Robustheit von Silizium-MOSFETs. Daher eignen sie sich sowohl als Ersatz in bestehenden Systemen als auch in Leistungswandlern und Umrichtern der nächsten Generation.
Halbleiter mit großer Bandlücke (Wide Bandgap, WBG) auf Basis von Siliziumkarbid (SiC) und Galliumnitrid (GaN) haben Vorteile, die mittlerweile hinlänglich bekannt sind. Sie versprechen höchste Leistungsdichten und Wirkungsgrade. Deutlich wird dies an der Google Little Box Challenge, bei der das Siegerteam die Mindestleistungsdichte für das System von 50 W/Zoll² um den Faktor drei übertraf.
In realen Systemen sind selbstsperrende Schalter (normally off) erforderlich. Zwar bieten SiC-MOSFETs und GaN-HEMTs vom Anreicherungstyp (Enhancement Mode) dies, aber sie haben ihre jeweils eigenen Grenzen und Besonderheiten. Beispielsweise benötigen beide Typen sehr spezielle Gate-Ansteuerspannungen. Zudem weisen SiC-MOSFETs relativ schlechte Body-Dioden auf, GaN-Bauelemente wiederum haben gar keine klassische Body-Diode und tolerieren keinen Lawinendurchbruch. In der Praxis ist jedoch eine Body-Diode oder ein gleichwertiges Bauelement nötig, zum Beispiel in Choppern, Halbbrücken und Totem-Pole-PFC-Stufen. Sind die Anforderungen an den Wirkungsgraden besonders hoch, benötigen SiC-MOSFETs und GaN-HEMTs oft eine antiparallele Hochleistungsdiode, was die Gesamtkosten und die Komplexität erhöht.
Moderne Variante einer alten Idee
Um das Beste aus der WBG-Technologie herauszuholen, haben einige Halbleiterhersteller eine Idee aus den 1930-er Jahren wieder aufgegriffen. Damals wurden Vakuumröhren in Reihe geschaltet, um ein Hybrid-Bauelement zu schaffen, dessen Leistungsfähigkeit höher ist als die der einzelnen Bestandteile. Diese Technik wurde Kaskode genannt und ist im Laufe der Jahre auch bei Bipolartransistoren und MOSFETs wieder aufgetaucht.
In seiner WBG-Implementierung ist eine Kaskode eine Reihenschaltung eines selbstsperrenden Silizium-MOSFETs und eines selbstleitenden SiC-JFETs (Bild 1). Befindet sich das Gate auf High, ist der MOSFET eingeschaltet, wodurch Gate und Source des JFETs kurzgeschlossen sind, sodass dieser zwangsweise eingeschaltet ist. Sinkt das MOSFET-Gate auf Low, steigt seine Drain-Spannung an, bis die Gate-Source-Spannung am JFET etwa –7 V erreicht. Dann schaltet der JFET aus und belässt etwa 7 V bis 10 V am Drain-Anschluss des MOSFETs. Der Hybrid ist somit ein selbstsperrendes Bauteil; die Gate-Steuerspannungen sind jetzt nicht kritisch und die parasitäre Body-Diode des MOSFET ist schnell – mit sehr niedriger Rückwärts-Erholladung (Reverse Recovery Charge) und einem geringen Spannungsabfall. Diese Eigenschaften basieren auf der Tatsache, dass es sich bei dem Silizium-MOSFET um einen Niederspannungstyp ist, der für die Anwendung optimiert und zusammen mit dem SiC-Chip in einem Gehäuse verbaut wird.
Die Kaskode ist eine Alternative zu SiC-MOSFETs und GaN-HEMTs und kann als Ersatz in bestehenden Designs dienen (Drop-in Replacement), die noch mit Silizium-MOSFETs und -IGBTs ausgestattet sind. Die Tabelle stellt eine 650-V-SiC-Kaskode anderen WBG-Bausteinen und einem Superjunction-MOSFET gegenüber.
Technologie | SiC-Kaskode (650 V, 45 mΩ; UJC6505K) | SiC-MOSFET Gen 3 | e-GaN-HEMT | Superjunction-MOSFET |
---|---|---|---|---|
RDS(A) / mΩ·cm² | 0,75 mΩ·cm² | 2 mΩ·cm² bis 3 mΩ·cm² | 3 mΩ·cm² bis 7 mΩ·cm² | 10 mΩ·cm² |
normalisierte Die-Fläche | 1 | 2,6 | 4 | – |
EOSS | 7,5 µJ | 22 µJ | 12 µJ | 14 µJ |
RDS(on) · EOSS | 255 | 660 | 350 | 480 |
Uth | 5 V | 2,8 V | 1,3 V | 3,5 V |
Lawinenfestigkeit | Ja | Ja | Nein | Ja |
Kurzschlussfestigkeit | Ja | Ja | Nein | Ja |
max. Gate-Spannung | ±25 V | ±22 V | ±7 V | ±20 V |
empfohlene Gate-Spannung | +12 V/0 V | ±18 V | ±6 V | +/-12 V |
Qrr der intrinsischen Diode | 85 nC | 53 nC | keine Diode | 13 µC |
Uf der intrinsischen Diode | 1,5 V | 4,3 V | keine Diode | 0,9 V |
Tabelle: SiC-Kaskoden im Vergleich zu anderen WBG-Halbleitern und Superjunction-MOSFETs.
Ein herausragender Wert ist die flächenspezifische Einschaltwiderstand RDS(A), weil der Chip sehr klein ist. Alles andere bleibt gleich. Damit ergibt sich wiederum eine niedrige Miller-Kapazität COSS, was zu geringeren Schaltverlusten EOSS und damit geringeren Gesamtverlusten (RDS(on)·EOSS) führt. Kaskoden zeigen ein stabiles Verhalten bei Lawinendurchbrüchen durch ihre natürliche Klemmfunktion – im Gegensatz zu GaN-HEMTs, die nicht avalanche-fest sind. Kurzschlüsse von 4 μs Dauer oder länger werden bei Kaskoden mit hohen Sättigungsströmen gehandhabt, die den Kanal beklemmen beziehungsweise abschnüren.
Der positive Temperaturkoeffizient des Durchlasswiderstands hilft ebenfalls. Im Gegensatz zu anderen Bauelementen hängt der Sättigungsstrom nicht von der Gate-Steuerspannung ab und bleibt nach voller Verstärkung bei einer UGS von etwa 8 V nahezu konstant. Obwohl der Chip recht klein ist, wird die Wärme äußerst effizient abgeleitet, denn einerseits ist die Wärmeleitfähigkeit von Siliziumkarbid dreimal besser als die von Galliumnitrid oder Silizium, andererseits erlaubt SiC als WBG-Material eine wesentlich höhere maximale Sperrschichttemperatur TJ(max).
Der bei Kaskoden erlaubte weite Hub der Gate-Steuerspannung von ±25 V bedeutet, dass für Si- oder SiC-MOSFETs entworfene Designs direkt kompatibel sind, sodass Kaskoden in dieser Hinsicht als Ersatz fungieren können. Sogar ein der Hub der IGBT-Gate-Steuerspannung von +15 V/–9 V steuert Kaskoden sicher an, womit sich ein System upgraden lässt, um entweder die Leistungsfähigkeit zu steigern oder wenn ältere Bausteine abgekündigt werden. Eine Fallstudie mit einem Hersteller von 10-kW-Batterieladegeräten, bei denen IGBTs durch Kaskoden ersetzt wurden, führte zu einem 1,5 % höheren Wirkungsgrad und zu einer 30 % höheren Ladeleistung bei gegebener Systemgröße. Die Gate-Ladung einer Kaskode ist wesentlich geringer als bei IGBTs. Wird daher der Spannungshub am Gate entsprechend verringert, sinken auch die Leistungsanforderungen an die Gate-Ansteuerung erheblich.
Kaskoden sind im gängigen TO-247-Gehäuse erhältlich und eignen sich daher als Drop-in-Ersatz für IGBTs oder Si/SiC-MOSFETs. Kleinere Änderungen am Gate-Steuerschaltkreis optimieren dabei die Lösung. Bild 2 beschreibt einen Schaltkreis mit verschiedenen Werten für RDS(on) und ROFF, die eine effektive Steuerung der du/dt- und di/dt-Werte ermöglichen. Eine Ferritperle dämpft je nach Layout die Schwingungen.
Eine negative Gate-Steuerspannung ist nicht notwendig, um eine Strom-Injektion in das Gate durch hohe du/dt-Werte am Drain zu verhindern, was zu einem fehlerhaften Einschalten führt, da keine Miller-Kapazität vorhanden ist. Die Anordnung um das Gate herum sollte, wie bei jedem schnellen Schalter, die Induktivität in der Source-Verbindung zu minimieren, die sonst Spannungstransienten über das di/dt im Kanal in das Gate einkoppeln könnten.
Die Tabelle zeigt auch, dass die Speicherladung der parasitären Diode von SiC-Kaskoden klein ist. Zusammen mit ihrer geringen Vorwärtsspannung Uf verringern sich damit die Verluste in Schaltungen, in denen die Diode leitet. Bild 3 vergleicht das Abschalten einer Kaskode und eines SiC-MOSFET – mit und ohne externe Diode – bei einer induktiven Last (800 V/11 A) und +150 °C. Beim Doppelpuls-Test zeigt die Kaskode im ausgeschalteten Zustand eine kürzere Erholungszeit und eine geringere Verlustleistung.
Es gibt in der Tat keinen direkten Vergleich mit GaN, da diese Technologie keine parasitäre Diode aufweist. GaN leitet aber umgekehrt wenn die Kanalleitfähigkeit zunimmt, sobald die Drain-Gate-Spannung negativ wird. Es gibt keine Sperrverzögerungsladung, aber der Spannungsabfall ist relativ hoch, sodass normalerweise eine Diode antiparallel hinzugefügt wird, wenn ein Rückstrom erforderlich ist, was zu den eigenen Rückwärts-Erholeigenschaften beiträgt.