Nach welchen Gesichtspunkten haben Sie Ihre Partner ausgewählt?
Watanabe: Erst einmal ist die Stärke am Markt natürlich wichtig. Aber auch das Portfolio spielt eine entscheidende Rolle. Ein Sechskanal-Leistungsanalysator für die Entwicklung im E-Mobility-Bereich braucht einen anderen Vertriebskanal als ein Zangenmultimeter für den Servicebereich. Im beratungsintensiven Bereich unterstützen wir unsere Kunden durch sehr erfahrene technische Vertriebspartner und haben dafür inzwischen auch ein Team von Produktmanagern und Applikationsingenieuren bei Hioki Europe. Für die Zangenmultimeter benötigen wir dagegen eher Partner mit einer guten Logistik inklusive eines umfassenden Lagerbestandes, der die schnelle Verfügbarkeit der Produkte gewährleistet. Das gab es bisher nicht, ist aber für den Ausbau des Geschäfts mit transaktionalen Produkten essenziell. Hierzu haben wir uns daher auch für eine Partnerschaft mit einem High-Service-Distributor, kurz HSD, entschieden.
Nur ein einziger HSD-Partner? Warum stellen Sie sich hier nicht breiter auf?
Watanabe: Auf dem Papier sieht die Gleichung einfach aus: Viele HSDs bedeuten viel Sichtbarkeit und großen Umsatz. Aber wir schaffen und verändern gerade sehr viel in sehr kurzer Zeit. Wir müssen realistisch sein und auch die zur Verfügung stehenden Ressourcen berücksichtigen, die für das Betreuen eines solchen Kanals gebraucht werden. Gleichzeitig fällt es auch einem – natürlich starken – Partner leichter, in eine bisher unbekannte Marke zu investieren, wenn mögliche Kanalkonflikte auf ein Minimum begrenzt werden. Hier haben wir das Gefühl, mit Premier Farnell den richtigen Partner gefunden zu haben.
Wie sehr wirft die aktuelle Pandemie Ihre Planungen durcheinander?
Watanabe: Ehrlich gesagt überhaupt nicht. Natürlich ist es gerade in einer Aufbauphase nicht hilfreich, wenn persönliche Gespräche und Trainings gerade auch mit neuen Partnern durch Reisebeschränkungen über längere Zeit nicht möglich sind. Gleichzeitig bauen wir die Kommunikation mit unseren Kunden und Partnern aber erst auf. Und die Pandemie hat dabei sehr deutlich gemacht, dass sich diese Kommunikation verändert. Einer unserer Partner in Skandinavien hat das sehr treffend beschrieben: »Die Kunden sind im Homeoffice und kaufen sogar ihr Essen online – das wird nach der Pandemie sicher nicht wieder werden wie früher.«
Auch wenn das jetzt wie eine Binsenweisheit klingt, so ist für uns einfach klar, dass der erste Kontakt zu uns immer mehr über das Internet zustande kommen wird. Wenn wir in unserem Privatleben etwas wissen oder kaufen möchten, dann schauen wir als erstes bei Google oder Amazon – und unsere Kinder bei YouTube. Warum sollte das im Berufsleben anders sein?
Wird aus Ihrer Sicht das Internet dann die Vertriebspartner langfristig obsolet machen?
Watanabe: Ganz und gar nicht. Denn Messtechnik ist ein komplexes Fach, in dem ohne die richtige Beratung schnell falsche – und dann durchaus teure – Kaufentscheidungen getroffen werden können. Außerdem suchen Kunden in erster Linie immer mehr nach Lösungen und nicht nach Produkten. Klar ist aber auch, dass der erste persönliche Kontakt mit Kunden erst dann stattfindet, nachdem diese bereits online für sich die ersten Fragen beantwortet haben. Bei der Beantwortung dieser ersten Fragen muss das richtige Produkt bei einem kompetenten Partner gefunden werden und unserer Meinung nach auch Online einen Mehrwert bieten.
Jetzt haben Sie gerade einen Wechsel der Geschäftsführung vollzogen. Wie sieht die weitere Ausrichtung von Hioki aus?
Watanabe: Wenn man Strukturen verändert – zumal in dieser Geschwindigkeit –, braucht es immer eine gewisse Zeit, bis sich diese Veränderungen durchgesetzt haben und akzeptiert sind. Unsere Idee ist jedoch, eine langfristige Win-Win-Situation für alle Hioki-Partner zu schaffen. Als japanisches Unternehmen ist es für uns sehr wichtig, starke und langfristige Strukturen und Beziehungen zu schaffen und zu festigen.«