Die Portus Data Centers baut ihre Rechenzentrums-Kapazitäten massiv aus. Im Interview spricht Falk Weinreich, der neue CEO des Colocations-Anbieters, über die Dezentralisierung der Cloud, Infrastruktur-Anforderungen und warum KI und Datensouveränität gerade der Turbo für den Markt sind.
Markt&Technik: Bislang hatte jeder Standort bei Portus Data Centers einen eigenen Geschäftsführer. Sie sind nun CEO der Gruppe. Ist das nur ein neues Organigramm oder eine strategische Neuausrichtung?
Falk Weinreich: Es ist mehr als eine Hierarchiefrage. Mit dem Einstieg unseres Investors Arcus vor gut zwei Jahren begann eine Phase des Wachstums durch Akquisitionen. Zunächst haben wir in Luxemburg ein Rechenzentrum übernommen, dann in Hamburg und schließlich in München. Diese drei Standorte wurden bislang weitgehend unabhängig betrieben. Eine Gruppe im eigentlichen Sinne gab es noch nicht. Um die Wachstumsziele zu erreichen und die Investitionen effizient zu steuern, brauchte es jemanden, der alle Fäden zusammenhält, die Strukturen harmonisiert und die Marke stärkt. Genau das ist jetzt meine Aufgabe. Ich verstehe mich als Dirigent, der die drei Standorte orchestriert, Prozesse optimiert und die Positionierung von Portus Data Centers schärft.
Sie feierten kürzlich den Spatenstich für das neue Rechenzentrum MUC2 in München. Sie wollen bis Anfang 2027 die Fläche verdoppeln und die Leistung vervierfachen. Das sind ambitionierte Pläne. Ist der Zeitplan realistisch?
Ja, auch wenn der Bau ein komplexes Unterfangen ist. Aber der Markt ist im Moment sehr aufnahmefähig, die Nachfrage nach leistungsfähigen Rechenzentren ist hoch. Wir sind zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Und wir sehen die aktuellen Entwicklungen als Rückenwind, um dieses Projekt termingerecht umzusetzen.
Welche Marktentwicklungen sehen Sie im Rechenzentrumsumfeld?
Ein wichtiger Treiber ist die Dezentralisierung der Cloud. In den vergangenen Jahren haben über 90 Prozent der deutschen Unternehmen auf Hyperscaler wie AWS, Google Cloud oder Azure gesetzt – aus guten Gründen, denn das Modell ist flexibel und gut skalierbar. Aber inzwischen haben viele Firmen die Risiken der Abhängigkeit erkannt. Datensouveränität ist zum entscheidenden Faktor geworden. Europa spielt hier eine immer größere Rolle. Unternehmen wollen sicherstellen, dass ihre Daten nach europäischen Standards gespeichert und verarbeitet werden.
Gleichzeitig steigt der Wunsch nach hybriden Lösungen. Viele Firmen wollen die Vorteile der Cloud – Orchestrierung, Virtualisierung, »as-a-Service«-Nutzung – aber in einer privaten, kontrollierten Umgebung. Das kann in ihrem eigenen Rechenzentrum sein, muss es aber nicht. Immer mehr Kunden entscheiden sich für Colocation bei Anbietern wie Portus Data Centers, um Flexibilität und Sicherheit zu haben, aber auch, um die Kosten besser kalkulieren zu können.
Ist dieser Trend rein kundengetrieben oder gibt es auch technologische Gründe?
Dieser Trend ist eindeutig von der Kundennachfrage getrieben. Um dieser künftig noch schneller gerecht zu werden, investieren wir derzeit in den Ausbau unserer Standorte in Luxemburg und Hamburg – die Erweiterung in München kommt daher genau zum richtigen Zeitpunkt. Gleichzeitig beschleunigen technologische Entwicklungen, allen voran der Einsatz von künstlicher Intelligenz, diesen Trend. Neue KI-Modelle müssen trainiert werden, und das benötigt enorme Rechenleistung. Viele dieser Modelle werden aus Compliance- oder Performancegründen nicht in einem global verteilten Hyperscaler-Netzwerk gehostet. Die geopolitische Lage spielt uns in die Karten.
Wie unterstützen Ihre Rechenzentren konkret die Datenhoheit der Kunden?
Indem unsere Kunden nicht in eine Abhängigkeit geraten, sondern selbst bestimmen können, wie sie Virtualisierungs- oder Cloud-Plattformen betreiben. Viele nutzen zum Beispiel Broadcom-, Nutanix- und Proxmox-Lizenzen oder andere Softwarelösungen, betreiben diese eigenständig und setzen sie in unserer Infrastruktur um. Sie genießen weiterhin den Komfort der Cloud, aber unter ihrer eigenen Kontrolle – unabhängig von den Preis- und Betriebsmodellen der Hyperscaler. Das ist ein entscheidender Unterschied, gerade für regulierte Branchen oder sicherheitskritische Anwendungen.
Welche Branchen adressieren Sie?
Unsere Kunden stammen aus verschiedenen Segmenten. Im Gesundheitswesen und im Public Sector ist Datensouveränität besonders wichtig. Wir sehen außerdem steigendes Interesse aus dem KI-Umfeld, einem noch jungen Markt in Deutschland, in dem wir uns bewusst positionieren. Dazu kommen Kunden aus Telekommunikation und Content Delivery, die eine exzellente Vernetzung brauchen. Gaming wird auch immer wichtiger. Portus Data Centers ist kein Hyperscaler mit 100-Megawatt-Campusanlagen, wir sind aber auch kein reines Edge-Datacenter mit unter einem Megawatt. Wir positionieren uns im mittleren Segment, leistungsstark, aber lokal und kundennah.
Wie stellen Sie Sicherheit und Verfügbarkeit sicher?
Alle unsere Standorte sind nach ISO/IEC 27001 zertifiziert, erfüllen also internationale Standards für Informationssicherheits-Management. In Luxemburg und München betreiben wir ein Tier-4-zertifiziertes Rechenzentrum – das höchste Verfügbarkeitslevel, mit vollständiger Redundanz in Energie- und Kühlversorgung. Dazu kommen physische Sicherheitsmaßnahmen: mehrstufige Zugangskontrollen und 24/7-Überwachung. Kunden müssen sich darauf verlassen, dass ihre Daten physisch geschützt und die Services hochverfügbar sind.
Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema. Wie setzen Sie die Anforderungen des Energieeffizienzgesetzes um?
Deutschland hat mit dem neuen Energieeffizienzgesetz eine Vorreiterrolle eingenommen. Es gibt nun klare Vorgaben zu PUE-Werten und zur Nutzung von Abwärme. Wir bauen MUC2 so, dass es die vorgeschriebenen PUE-Grenzen sicher einhält. Unser Zielwert liegt bei ≤ 1,3, was im internationalen Vergleich exzellent ist. Außerdem implementieren wir eine Abwärmeauskopplung, um Energie an städtische Netze oder Industriepartner abzugeben. Das erfordert Zusammenarbeit mit den Kommunen, denn nur wenn die Infrastruktur auf Abnehmerseite vorhanden ist, kann die Wärme genutzt werden. Nachhaltigkeit endet nicht am Rechenzentrumszaun.
Wie gehen Sie beim Thema Kühlung vor, Luft- oder Flüssigkühlung?
Wir setzen auf hocheffiziente Luftkühlung. In München nutzen wir eine Warmgangeinhausung, um die Racks effizient zu betreiben. Gleichzeitig ist MUC2 »liquid ready«, d. h. für direkte Flüssigkühlung vorbereitet. Das ist wichtig, wenn Kunden Racks mit sehr hoher Leistungsdichte installieren. Damit bleiben wir flexibel für zukünftige Anforderungen, ohne den gesamten Standort auf Flüssigkühlung umzustellen.
Was sind die größten Herausforderungen im Colocation-Markt?
Die Kostenexplosion. Baupreise, Materialkosten, Energie und Finanzierung sind deutlich gestiegen. Trotzdem erwarten Kunden stabile oder sinkende Preise pro kW. Wir müssen extrem effizient planen – von der Standortauswahl über die Energieversorgung bis zur modulartigen Bauweise. Denn Kunden erwarten wettbewerbsfähige Preise. Hier die richtige Balance zu finden, ist die größte Herausforderung der Branche.
Nach welchen Kriterien wählen Sie Standorte aus?
»Lage, Lage, Lage« gilt auch bei Rechenzentren. Wir prüfen Grundstückspreise, Telekommunikationsanbindung, Stromversorgung und Redundanzen. Ebenso wichtig ist die Nähe zu den Wirtschaftsräumen, die wir adressieren. Nur so können wir niedrige Latenzen und kurze Wege garantieren.
Blicken wir in die Zukunft. Welche weiteren Pläne hat Portus Data Centers?
Der Fokus liegt jetzt auf der pünktlichen Fertigstellung und Vermarktung von MUC2. Zudem haben wir konkrete Ausbaupläne an unseren Standorten in Hamburg und Luxemburg. Wir beobachten Märkte wie das Ruhrgebiet oder Berlin, wo wir Potenzial für lokale Rechenzentren sehen. Auch Österreich, die Schweiz oder die Beneluxstaaten sind für uns durchaus interessant.
Das Interview führte die Journalistin Carolina Heyder für Markt&Technik.