Die messtechnischen Herausforderungen, die 5G mit sich bringt, beschäftigen auch die Standardisierungsgremien. 5G basiert zwar im Grunde genommen auf den vorherigen Technologien, bringt jedoch noch einige zusätzliche Hürden mit. »Im mm-Wellenbereich ist die Wellenausbreitung fundamental anders als bei niedrigeren Frequenzen«, verdeutlicht Dr. Joachim Peerlings. »Man braucht zum einen eine gerichtete Welle, um die hohen Verluste der Strecke zu kompensieren, und diese Welle muss das Endgerät auch quasi verfolgen können. Das heißt, man hat eine räumliche und zeitliche Dynamik dieser mm-Wellen.«
Weitere Herausforderungen für das 5G-Testen im mm-Wellenbereich sieht Jonathan Borrill in Bezug auf Verluste, Kopplungen, Leistungseffizienz und Kühlung. Zudem seien die 5G-Datenraten sehr hoch und erforderten besondere Testkapazitäten, um diese abzubilden. Meik Kottkamp fügt an: »5G beruht wie 4G auf einem OFDM-Verfahren bei der Datenübertragung, wodurch sich Synergien zur bestehenden Messtechnik ergeben. Die besonderen Herausforderungen ergeben sich aus der Einführung neuer Frequenzbereiche. Die Realisierung von Komponenten, Chipsätzen, Modulen bis hin zu fertigen Endgeräten und Basisstationen in Bereich von 28 oder 39 GHz erlaubt eine höhere Integrationsdichte und erfordert zugleich den Einsatz aktiver Antennensysteme. Das heißt, es müssen OTA-Testlösungen her, die die bisherigen kabelgebundenen Messmethoden ablösen. Damit werden zusätzliche Schirmkammern nötig, und auch die Kalibrierung des Messaufbaus erfordert besondere Sorgfalt. Darüber hinaus erlaubt 5G Netzwerkbetreibern mehr Flexibilität bei der Netzkonfiguration (Network Slicing) und bei der Konfiguration der Datenübertragung über die Luft, um verschiedene Services wie enhanced mobile broadband (eMBB), massive connectivity und ultra-reliable low-latency communication(URLLC) abzudecken. Dies erfordert flexible, aber intuitive Messlösungen.«
Die generellen Anforderungen ändern sich also...
...Brauchen Anwender nun komplett neue Messtechnik oder können sie vorhandene Geräte weiter nutzen? Eine Pauschalantwort auf diese Frage gibt es nicht. So können laut Chris Loberg bestehende Messgeräte für einige Anwendungen wiederverwendet werden – zum Beispiel gäbe es Spektrummanagement-Tests unterhalb 6 GHz, die mit der Messtechnik durchgeführt werden könne, die auch schon für 4G eingesetzt wurde. »Jedoch stellt 5G im Vergleich zu 4G weitaus höhere Anforderungen an die Frequenzabdeckung«, so Loberg. »Zudem wird die Wiederverwendung schwieriger, weil bezüglich der Testprozeduren von 5G viele Änderungen aus der Industrie hinzukommen. Und es gibt viele regionsspezifische Anforderungen mit unterschiedlichen Frequenzabdeckungen. So ist sind die Anforderungen in Korea beispielsweise nicht identisch mit denen der Vereinigten Staaten.« Meik Kottkamp ergänzt: »Eine wesentliche Komponente in der 5G-Netzwerkarchitektur, die von der Mehrheit der Netzwerkbetreiber für den ersten Rollout favorisiert wird, erfordert einen sogenannten „LTE-Anchor“, d.h. ein Großteil der Signalisierung wird über die LTE-Basisstation realisiert, und die Datenübertragung kann dynamisch durch die 5G-Basisstation verbessert werden. Daher ist 4G LTE ein unabdingbarer Bestandteil bei der Einführung von 5G, und die dort zum Einsatz kommenden Lösungen dienen als Basis der neuen Technologie. Ein Großteil unserer Messtechnik erfüllt die entsprechende Aufgabe durch Aufprägen der entsprechenden Software. Vorhandene Signalgeneratoren und Spektrum- und Signalanalysatoren lassen sich durch Softwareerweiterungen aufrüsten. Aber vor allem das gleichzeitige Testen von LTE und 5G braucht auch Hardwareerweiterungen, nicht zuletzt weil OTA-Messlösungen zusätzliche Schirmkammern erfordern.« Einen weiteren Blickwinkel bringt Dr. Joachim Peerlings von Keysight ins Spiel: »5G als Technologie kann man natürlich mit Wireless-Messgeräten testen, aber um 5G wirklich als Industrie nutzen zu können, müssen zum einen die drahtlosen Netzwerke verbessert werden, aber auch die gesamte faseroptische Infrastruktur und die Datenzentren. Denn die Anforderungen, die 5G an hohe Bandbreiten, kurze Latenzzeiten und hohe Abdeckung stellt, zieht sich durch die gesamte Netzwerkstruktur durch – Wireless und Wireline.«