Seit der Übernahme durch Emerson im Oktober 2023 steht Europa für NI stärker im Fokus denn je. Ritu Favre, Group President Emerson Test and Measurement bei NI, über die Auswirkungen der Integration auf NIs Geschäftsentwicklung und über die strategisch wichtige Rolle Europas.
Markt&Technik: NI wurde im Oktober 2023 von Emerson übernommen. Wie reibungslos hat sich der Übergang gestaltet?
Ritu Favre: In dieser Zeit haben wir eine unglaubliche Wandlung durchgemacht, sind unseren Wurzeln aber treu geblieben. Die Integration in Emerson ist dank ähnlicher Unternehmenskulturen und einer gemeinsamen Vision rund um das Thema Automatisierung äußerst positiv verlaufen. Auf Führungsebene wurde das gesamte NI-Team sowie auch ich selbst während dieses Prozesses wirklich gut unterstützt.
Wie hat sich das Unternehmen seither entwickelt? Und welche Auswirkungen hatte die Übernahme auf das globale Geschäft von NI?
Wir merken, dass unsere Zugehörigkeit zu Emerson unsere globale Präsenz enorm gestärkt hat. Wir können jetzt auf ein größeres Netzwerk zurückgreifen, unsere Geschäftsaktivitäten effektiver skalieren und nach wie vor Innovationen an vorderster Front vorantreiben. Wir haben gravierende Fortschritte gemacht bei der Weiterentwicklung von Kernprodukten wie NI LabVIEW und NI DAQ und damit auch unseren Anspruch untermauert, technologisch führende Lösungen zu entwickeln. Die Partnerschaft mit Emerson hat unseren Fokus auf Innovation wieder neu entfacht, besonders im Bereich KI-gestützter Testlösungen.
In Europa war es in den letzten Jahren eher ruhig um NI. Wie läuft das Europageschäft?
Ich kann verstehen, dass es so ausgesehen hat, als wäre es bei uns ruhig gewesen, aber tatsächlich war eher das Gegenteil der Fall. In den Jahren vor der Übernahme haben wir uns stark auf globale Trends konzentriert, was vielleicht mit dazu geführt hat, dass unsere Aktivitäten in Europa weniger sichtbar waren. Und natürlich waren wir während des Übernahmeprozesses 2023 aufgrund rechtlicher Auflagen in unserer Kommunikation etwas eingeschränkt. Dennoch sind wir Europa weiterhin sehr verbunden. Wir haben trotz teils schwieriger Marktbedingungen weiterhin eng mit Branchen wie der Luft- und Raumfahrt, der Automobilindustrie und der Halbleiterindustrie zusammengearbeitet. Unsere Sektoren Luft- und Raumfahrt und Verteidigung sind gewachsen, und wir spielen bei Programmen wie Galileo auch eine wichtige Rolle in der europäischen Space-Community. Wir haben sogar ein Weltraumlabor in Debrecen eröffnet, um die Innovationskraft von Hochschulabsolventen zu fördern. Und jetzt sind wir mit der NI-Days-Veranstaltungsreihe auch wieder präsenter in Europa, unter anderem in Italien, Deutschland, Frankreich und Großbritannien.
Wie positioniert sich NI auf dem europäischen Markt? Und wie behaupten Sie sich gegenüber lokalen Wettbewerbern und anderen großen internationalen Unternehmen?
Wir sind schon seit Jahrzehnten im europäischen Markt verwurzelt und betrachten uns daher selbst als etablierten Marktteilnehmer hier. Wir haben Regionalbüros in den Ländern, Forschungs- und Entwicklungszentren und natürlich langjährige Partnerschaften in wichtigen Industrien wie zum Beispiel Luft- und Raumfahrt, Automobil oder der Halbleiterindustrie. Was uns einen echten Vorteil verschafft, ist unsere flexible, modulare und offene Plattform, mit der wir eine Vielzahl von Branchen und Anwendungen bedienen können. Unser Testansatz war schon immer anders: Wir verfolgen eine softwaredefinierte Strategie, die Ingenieuren mehr Kontrolle über ihre Testabläufe, Architekturen und Entwicklungsstrategien gibt. Diese Flexibilität ist etwas, das uns wirklich von der Konkurrenz abhebt. Außerdem setzen wir verstärkt auf KI, die Ingenieuren dabei hilft, ihre Arbeitsabläufe zu optimieren, Daten besser zu nutzen und letztlich schneller Innovationen entwickeln zu können.
Der europäische Markt funktioniert oft anders als der US-Markt. Wo sehen Sie die größten Unterschiede und wie passen Sie Ihre Strategie an, um hier erfolgreich zu sein?
Der europäische Markt hat seine ganz eigenen Herausforderungen und Chancen. Im Gegensatz zu den USA, wo es eine einzige Sprache und ein Rechtssystem gibt, hat Europa viele verschiedene Sprachen, Kulturen und Gesetzgebungen. Deshalb legen wir so viel Wert darauf, regionale Büros mit lokalen Teams zu haben, die ihre Märkte wirklich verstehen. Wir haben auch festgestellt, dass es in Europa einen stärkeren Fokus auf Nachhaltigkeit, industrielle Zusammenarbeit und Regulation gibt. Um dem gerecht zu werden, achten wir besonders auf die Einhaltung der EU-Vorschriften, investieren in grüne Technologien wie Elektrofahrzeuge und Leistungshalbleiter und bauen starke Partnerschaften mit lokalen Unternehmen und Universitäten auf. Wir wollen sicherstellen, dass wir nicht einfach nur in Europa präsent sind, sondern tief in dem einzigartigen Ökosystem verankert sind.
In welchen Branchen sehen Sie das größte Wachstumspotenzial für NI in Europa, und wie unterscheiden sich diese von anderen Regionen?
Es gibt mehrere Branchen in Europa, bei denen wir starkes Wachstumspotenzial sehen. Der Automobilsektor ist ein großer, insbesondere durch den Wandel hin zu Elektrofahrzeugen, neuesten Fahrerassistenzsystemen und softwaredefinierten Fahrzeugen. Dieser Wandel führt zu einer enormen Nachfrage nach anspruchsvolleren Testlösungen. Wir sehen auch spannende Möglichkeiten im Halbleiterbereich, insbesondere weil sich Europa auf Hochleistungs-ICs für Elektrofahrzeuge und industrielle Anwendungen konzentriert. Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigung sind weiterhin starke Wachstumsbereiche, auch aufgrund der gestiegenen Investitionen in Raumfahrtprogramme. Darüber hinaus liegt viel Potenzial in den Wireless- und RF-Technologien. 5G ist nach wie vor auf dem Vormarsch, aber 6G ist schon in Sichtweite, was natürlich auch für das Testen neue Herausforderungen mit sich bringt.
Wie wichtig ist Europa für die Innovationsstrategie von NI? Gibt es spezielle Forschungsprojekte oder Kooperationen mit europäischen Universitäten und Unternehmen?
Sehr wichtig, Europa spielt eine bedeutende Rolle in unserer Innovationsstrategie. Wir haben hier einige unserer wichtigsten F&E-Zentren, die sich auf Weiterentwicklungen von NI-Technologien konzentrieren. Unser Team in Dresden beispielsweise lotet in der drahtlosen Kommunikation immer wieder die Grenzen des Machbaren aus. Sie arbeiten an Systemen, die es unseren Partnern und Kunden ermöglichen, Spitzenforschung zu betreiben, insbesondere in Bereichen wie Prototyping, Benchmarking und Testen von eingebetteter KI. Dies schafft die Grundlagen für Technologien der nächsten Generation in den Bereichen 5G, 6G und KI. Wir arbeiten auch mit europäischen Forschungspartnern wie der TU Dresden zusammen, um Innovationen voranzutreiben. In Ungarn haben wir in Debrecen in Zusammenarbeit mit der Europäischen Weltraumorganisation (ESA) ein Weltraumforschungslabor eingerichtet. Dieses Labor unterstützt nicht nur europäische Weltraumprogramme, sondern bietet auch praktische Erfahrungen für angehende Ingenieure und fördert somit Innovationen im Weltraumsektor. Durch diese Kooperationen mit Universitäten und führenden Unternehmen können wir sicherstellen, dass wir in dieser sich ständig weiterentwickelnden Technologielandschaft ganz vorne dabei sind.
Politische und wirtschaftliche Entwicklungen können einen großen Einfluss auf globale Unternehmen haben. Wie wirken sich Handelszölle oder geopolitische Spannungen auf Ihre Preisstrategie und Wettbewerbsfähigkeit in Europa aus?
Der Umgang mit geopolitischen und wirtschaftlichen Unsicherheiten ist immer eine Herausforderung, aber wir haben unsere Strukturen so gestaltet, dass sie resilient und anpassungsfähig sind. Wir verfolgen Veränderungen genau, um einen reibungslosen Geschäftsbetrieb sicherzustellen. Dank unserer starken Präsenz in Europa, lokaler Partnerschaften und einer flexiblen Lieferkette können wir Risiken wie Handelszölle oder regulatorische Änderungen besser handhaben. Die Zugehörigkeit zu Emerson stärkt unsere globale Position noch mal mehr und hilft uns, Herausforderungen effektiv zu bewältigen und Stabilität zu bewahren.
Besonders in Zeiten wie diesen wird unsere modulare, softwarezentrierte Plattform noch mal wichtiger. Sie gibt Kunden die Flexibilität, die sie brauchen, um wettbewerbsfähig zu bleiben und sich schnell an Veränderungen anzupassen, damit sie auch in unsicheren Zeiten immer einen Schritt voraus sind.
Abschließend: Wie sehen Ihre langfristigen Pläne für NI in Europa aus? Gibt es konkrete Pläne, Ihre Präsenz weiter auszubauen?
Wir wollen unsere Präsenz in Europa noch weiter ausbauen. Wir verfügen bereits über starke F&E-Zentren an Standorten wie Dresden und Debrecen sowie über Produktions- und Vertriebsbüros auf dem gesamten Kontinent. Was aber wirklich spannend ist, ist unser intelligenter Testansatz, der Ingenieuren die Möglichkeit gibt, auf Basis ihrer Daten deutlich schneller an Innovationen zu arbeiten. Mit unserer offenen, modularen Plattform geben wir ihnen das Werkzeuge an die Hand, das sie brauchen, um jetzt und auch in Zukunft erfolgreich zu sein. Wir werden weiterhin in Schlüsselindustrien hier in Europa investieren und KI nutzen, um Testabläufe effizienter, strategischer und zukunftsfähiger zu gestalten. Wir sind fest davon überzeugt, dass das Thema Testen mit unserem Ansatz zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil für unsere Kunden werden kann.