Die Festlegung eines zukunftsträchtigen Standards wie 5G braucht seine Zeit. Aber wie ist denn nun der aktuelle Stand der Standardisierung? »Die 3GPP als verantwortliches Standardisierungsgremium hat die Spezifizierung des ersten Releases der 5G-NR-Technologie im Juni 2018 abgeschlossen«, weiß Meik Kottkamp. »Damit steht eine umfassende Beschreibung der Technologie im Grundsatz zur Verfügung. Allerdings wird die Beschreibung des Protokollstacks für das Endgerät erst im September 2018 fertiggestellt. Darüber hinaus wurden sogenannte „late Drop“-Meilensteine definiert, deren Fertigstellung bis Ende des Jahres erfolgen wird. Nicht zuletzt erfordert es zusätzliche Zeit, die Testspezifikationen zu finalisieren, vor allem für die komplexeren OTA-Testszenarien.«
Jonathan Borrill, Director of Engineering and Technology von Anritsu EMEA, hält die bisherige Veröffentlichung der 3GPP für ausreichend, um Equipment und Testlösungen zu entwickeln und weiter voranzuschreiten. »Wie bei den bisherigen 3GPP-Veröffentlichungen wird es vierteljährliche Updates geben, um eventuelle Unklarheiten in der Spezifikation zu erläutern. Auch unsere Messgeräte sind so entwickelt, dass sie gemäß der neuen 3GPP-Veröffentlichungen aktualisiert werden können.«
Dass es mit der reinen Spezifikation noch nicht getan ist,…
...davon ist Rahman Jamal überzeugt: »Die Spezifikationen für den Non-Standalone-Betrieb des 5G-NR-Standards wurde von der 3GPP im Dezember 2017 veröffentlicht, nun ist auch die Standalone-Version festgezurrt – doch die eigentliche Arbeit fängt jetzt erst an«, gibt Jamal zu bedenken. »Denn Unternehmen in den Bereichen Halbleiter-, Netzwerk-, Cloud-, Software-, Fertigungs- und Prüftechnologie müssen jetzt damit beginnen, Lösungen für die neuen Funktionen der drahtlosen Kommunikation zu entwickeln, zu testen und bereitzustellen. Es wird extensive Tests auf Geräte-, System- und Netzwerkebene geben. Neue Geräte werden entwickelt werden – angefangen bei Halbleitern bis hin zu Geräten für die Netzwerkinfrastruktur und allem, was dazwischen liegt. Prototypen für die Infrastrukturausrüstung und Benutzerendgeräte werden in Feldversuchen oder Testbeds auf ihre Leistungsfähigkeit und Bedienfreundlichkeit getestet.« Die eigentliche Herausforderung dabei sei, dass die vorgeschlagenen 5G-Standards um einiges komplexer seien als die für 3G und 4G. »Weil 5G die Netzwerke erheblich verändern wird, muss auch die Industrie neue Wege hinsichtlich Design, Entwicklung und Test solcher Systeme einschlagen«, so Jamal weiter. »Für das Design von Algorithmen genügt das simple Modellieren eines Systems ohne Validierung unter realen Bedingungen nicht, um eine Idee vom Konzept zur Produktionsreife zu bringen. Und auch beim Testen stoßen traditionelle Techniken, die lediglich einzelne Komponenten fokussieren, schnell an ihre Grenzen, weil sie keinerlei Aufschluss über die Gesamtauswirkungen auf das System geben.« Damit ist nach Jamals Überzeugung klar, dass Mess- und Prüftechnologien bei der Kommerzialisierung von 5G eine große Bedeutung einnehmen werden. Allerdings seien hier neue Ansätze vonnöten: Anstelle kabelgebundener Messungen seien drahtlose Testverfahren über die Luftschnittstelle (Over-the-Air-Tests, OTA) erforderlich. Ferner müssten zum einen Prüfsysteme bandbreitenintensive Signale erzeugen und erfassen können, zum anderen müsse die Datenverarbeitung in Echtzeit erfolgen. »In der Forschung an Wireless-Standards hat sich ein softwarezentrischer plattformbasierter Ansatz schnell als der einzige Weg zu einer erfolgreichen 5G-Entwicklung und Bereitstellung herauskristallisiert«, ist Jamal überzeugt. »Jetzt müssen auch die Testgerätehersteller nachziehen. Flexible und softwarekonfigurierbare Plattformen sind für die Erstellung 5G-basierter Systeme meiner Meinung nach unabdingbar.«