Wendepunkt im 3D-Bioprinting

3D-Druck von funktionellem Gewebe verändert regenerative Medizin

23. Februar 2024, 11:05 Uhr | Ute Häußler
Forschende in Wisconsin haben funktionierende Hirnzellen im 3D-Druck-Verfahren hergestllt - die neue Methode markiert einen Wendepunkt für das Bioprinting und die regenerative Medizin
© Canva Pro

In Wisconsin haben Forschende menschliches Hirngewebe gedruckt, in Wien Ersatzgewebe für Knorpel. Die zwei neuartige Methoden markieren einen bahnbrechende Durchbruch: Die regenerative Medizin wird sich durch die Herstellung komplizierter Gewebestrukturen im 3D-Druck grundlegend verändern.

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Funktionelle Knorpel, Knochen, Blutgefäße oder gar Hirnzellen aus dem 3D-Drucker klingen ein wenig nach Frankenstein in der Light-Version. Stehen wir kurz davor, ganze Organe im Labor zu fertigen? Was 1818 für Mary Shelley mit der Auferstehung ihres Monsters noch Science-Fiction war, ist für die Herstellung von künstlichem Gewebe bereits heute keine Zukunftsmusik mehr.

Die Herstellung von menschlichen »Ersatzteilen«, die nicht nur gewebe-technisch kompatibel sind, sondern im Körper auch funktionieren wie ihre natürlichen Pendants, hat sich in den letzten 10 Jahren zu einer sehr ernstzunehmenden Technologie entwickelt. Mit den neuesten Innovationen schickt sich das sogenannte 3D-Bioprinting an, die regenerative Medizin auf den Kopf zu stellen - so zumindest die Schlussfolgerung der Analysten von Global Data.

»Bioprinting revolutioniert die personalisierte Medizin, indem es über die individuelle Anpassung von Werkzeugen und Prothesen hinausgeht.«

Kiran Raj, Head of Disruptive Tech bei GlobalData

»Wendepunkt« für das 3D-Bioprinting

Grund für die Eurphorie sind zwei aktuelle Forschungserfolge in den USA und in Österreich: Forscher der University of Wisconsin Madison haben eine neuartige Methode zum Drucken von funktionellem menschlichem Hirngewebe entwickelt. An der Technischen Universität Wien haben Forscher Fortschritte bei der Erzeugung von Ersatzgewebe für die potenzielle Behandlung von Knorpelverletzungen durch 3D-Druck im Labor erzielt.

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Künstliches Knorpel-Gewebe aus dem 3D-Drucker

Die Global Data »Technology Forsesights«-Datenbank beobachtet dazu auch die Patentanmeldungen. Diese steigt seit Jahren kontinuierlich, zwischen 2015 und 2023 sind 2.868 Patente für 3D-Bioprinting beantragt worden. Allein im letzten Jahr sind 24 neue Unternehmen in den Markt eingestiegen, was einem Anstieg von 25% auf nun 121 Firmen entspricht, mit Schwerpunkt auf innovativen Bioprinting-Technologien.

Transplantationsmedizin für weniger Abstoßung

Laut Global Data schafft die neue 3D-Bioprinting-Technologie ein neues Paradigma: bei dem medizinische Eingriffe nicht nur auf die einzigartige biologische Beschaffenheit des Einzelnen zugeschnitten sind, sondern auch die biologische Herstellung von lebendem Gewebe und Organen umfassen. Dieser technologische Sprung hat das Potenzial, die Wartelisten für Transplantationen drastisch zu verkürzen und die Kompatibilität von Implantaten zu verbessern, wodurch die Abstoßungsraten minimiert werden.

»Die Präzision, mit der menschliches Gewebe nachgeahmt wird, ermöglicht jetzt Behandlungen, die früher als futuristisch galten, und stellt einen transformativen Schritt hin zu wirklich patientenzentrierten Gesundheitslösungen dar,«  sagt Rahul Kumar Singh, Senior Analyst of Disruptive Tech bei GlobalData.

Bioprinting erweitert Tissue Engineering

Das Bioprinting geht damit weit über das Tissue-Engineering hinaus und dringt in die Welt der medizinischen Implantate vor. Auch die Bemühungen um das Drucken von menschlichen Organen werden damit vorangebracht und befeuert.

Die Fortschritte in der regenerativen Medizin sind bereits mit dem jetzigen Stand der Forschung beeindruckend: Neue Studien beschäftigen sich mit Brustimplantaten, die via 3D-Biodruck aus pflanzlichem Kollagen hergestellt werden. Besonders spannend ist wie oben beschrieben die Entwicklung von synthetischem Knorpel und funktionellem menschlichem Hirngewebe durch Bioprinting. Diese Innovationen zeigen, dass die Grenzen der medizinischen Technologie und Innovation immer weiter verschoben werden.

Kooperationen treiben neue Ära der Medizin

Es sind vor allem strategische Partnerschaften in der Biomedizintechnik, die den Fortschritt im Bereich des 3D-Biodrucks vorantreiben. Die Zusammenarbeit zwischen der NTU Singapur und führenden Bioprinting-Firmen ist ein Beispiel, wie Kooperationen aus Technik, Forschung und Wirtschaft das 3D-Bioprinting und damit auch die regenerative Medizin weiterentwickeln und das Gesundheitswesens in eine neue Ära zu führen.

Auch die Partnerschaft zwischen Stratasys und CollPlant Biotechnologies ist vielversprechend. Sie konzentrieren sich auf regenerative Lösungen wie Brustimplantate und nutzen dabei das Potenzial des 3D-Bioprintings zur Herstellung komplexer Gewebe und Organe. Diese Entwicklungen gehen Hand in Hand mit den innovativen Fortschritten beim Engineering von Hirngewebe.

Das 3D-Bioprinting und die darauf basierende regenerative Medizin befinden sich in einem lebendigen und wettbewerbsorientierten Umfeld. Die steigende Anzahl von Patentanmeldungen zeigt, dass die medizinische Technologie und Innovation immer weiter voranschreiten. Es ist faszinierend zu sehen, wie die Grenzen dessen, was medizinisch möglich ist, immer weiter verschoben werden. Die weiter kontinuierliche Forschung und technologische Verfeinerung bleiben jedoch entscheidend, wenn kranke Organe eines Tages durch Pendants aus dem 3D-Drucker ersetzt werden sollen.

 


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