MedTech-Steckverbinder im Gerätedesign

Platzwunder auf der Leiterplatte

5. Juli 2023, 10:00 Uhr | Dipl.-Ing. Detlef E. Preißler, Phoenix Contact
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Der Bauraum in Medizingeräten muss immer effizienter nutzbar sein. MedTech-Hersteller müssen auf engstem Raum oft mehrere Leiterplatten verbinden, um bestehende und neue Funktionalitäten zu integrieren. Ein neues Board-to-Board-Steckverbindersystem hilft als Multitalent im Gerätedesign.

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Die Komplexität und Integrationsdichte moderner Elektronikapplikationen macht auch vor Medizingeräten nicht Halt. Mit der »Digitalisierungsstrategie Gesundheit« wird die Anzahl an Funktionalitäten in den Medizingeräten weiter zunehmen, um zukünftig Bestandteil der weitvernetzten Gesundheitsinfrastruktur sein zu können. In immer größerem Maße müssen dazu z. B. Kommunikationsmodule und Funktionserweiterungen in die bereits jetzt sehr komplexen MedTech-Geräte integriert werden. Diese elektrische Anbindung zwischen den Leiterplatten erfolgt in der Regel mit Board-to-Board-Steckverbindern. Entsprechend der Regularien in der Medizintechnik gibt es eine Vielzahl an unterschiedlichen Anforderungen an die elektrische und mechanische Verbindung, die Einhaltung von EMV und an die verwendeten Materialien der Steckverbinder. Die unterschiedlichen Einsatzorte und -gebiete (KTW, Luftrettung, Hospital, MRT, CT, Ultraschall usw.) definieren hierbei die vielseitigen Anforderungen an die Geräte genauso, wie auch an deren Steckverbinder.

Vibrationsstabilität, Stoßfestigkeit und langfristige Kontaktsicherheit bei Mikrobewegungen der Board-to-Board-Steckverbinder im Einsatz der Medizingeräte sind von zentraler Bedeutung. Ebenso ist ein robustes, sich selbst justierendes System während der Geräteassemblierung ein entscheidender wirtschaftlicher Faktor. Bei der Montage darf weder eine Kontaktbeschädigung noch Fehlstecken möglich sein.

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Leichteres Gerätedesign

Toleranzketten sind für alle Entwickler von Medizintechnik eine besondere Herausforderung beim mechanischen Design ihrer Geräte. Dieses kann bei Board-to-Board-Steckverbindern auch Auswirkungen auf die Übertragungsqualität der Signale oder die Zuverlässigkeit der Leistungsübertragung haben.

Die einwandfreie Übertragung von Daten, Signalen und Leistungen ist aber essenziell. Gleichzeitig ergeben sich je nach konkreter Anwendung noch weitere Anforderungen – z. B. Robustheit, Variabilität oder eine möglichst geringe Baugröße. Hinzu kommt ebenfalls die Option der EMV-Schirmung der Steckverbindung und die Verwendung nichtmagnetischer Werkstoffe.

 Kontaktschutz und Schutz vor Fehlstecken durch innovative Steckgesichtsgeometrie
Bild 1. Kontaktschutz und Schutz vor Fehlstecken durch innovative Steckgesichtsgeometrie.
© Phoenix Contact

Phoenix Contact bietet mit den Board-to-Board-Steckverbindern der Serie FP 0,8 ein solches System an. Das Portfolio von aktuell mehr als 90 verschiedenen Artikeln ermöglicht robuste, flexible und äußerst zuverlässige Leiterplattenverbindungen. Im kompakten Rastermaß von 0,8 mm, in mezzaniner oder gewinkelter Anordnung verfügbar, ermöglicht FP 0,8 Datenübertragungsraten bis zu 52 GBit/s bei spezifizierten 500 Steckzyklen, die als Indikator für die Oberflächengüte stehen. Der Kontaktschutz und die Verhinderung des Fehlsteckens werden durch das Steckerdesign sichergestellt (Bild 1).

Der erweiterte Temperaturbereich des FP 0,8 von -55°C bis +125 °C vervollständigt die Leistungsfähigkeit dieses Steckverbindersystems. Umfassende Testreports, u. a. mit Hinblick auf Schadgas- und Schocktests, sind verfügbar. Die FP-0,8-Serie basiert auf hermaphroditischen Doppelkontakten – der sogenannten ScaleX-Kontakttechnologie.

Klassischer Doppel- und Single-Beam-Kontakt
Bild 2. Klassischer Doppel- und Single-Beam-Kontakt.
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Während bei herkömmlichen Kontakttechnologien, wie Doppelkontakten oder Single-Beam (Bild 2), Messer- und Federkontaktseite gendergetrennt sind, besitzt das ScaleX-Kontaktsystem auf beiden Seiten sowohl einen Messer- als auch einen Federkontakt und vereint somit die Vorteile der konventionellen Kontaktgeometrien. Die Steckverbinder selbst sind aber keinesfalls Hermaphroditen und bestehen steckgesichtsseitig aus Male- und Female-Seite. Somit weist FP 0,8 die technischen Kompromisse herkömmlicher hermaphroditischer Steckverbinder nicht auf (Bild 3).

ScaleX-Kontakttechnik mit hermaphroditischen Doppelkontakten
Bild 3. ScaleX-Kontakttechnik mit hermaphroditischen Doppelkontakten.
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Das ScaleX-Kontaktsystem ermöglicht eine zuverlässige Kontaktierung in vielen medizinischen Anwendungssituationen. Toleranzen in Steckposition und -winkel werden bis ±0,7 Millimeter bzw. fünf Grad in allen Richtungen ausgeglichen. Im gesteckten Zustand ist eine Toleranzkompensation von mindestens ±0,3 Millimeter in longitudinaler und transversaler (x-y) Richtung gegeben – ein Quasi-Floating. Das FP-0,8-System ermöglicht dadurch multiple Steckverbindungen zwischen den Leiterplatten. In Steckrichtung ist das Toleranzfenster noch deutlich größer: Zusätzlich zum qualifizierten Steckbereich, der sogenannten Wiping Length, von 1,5 Millimeter verfügt der Steckverbinder noch über eine zusätzliche Kontaktüberdeckung von rund 0,8 Millimeter. Diese Eigenschaft ermöglicht es, Platinenabstände flexibel und lückenlos im Bereich von 6 bis 21 Millimeter bei mezzaniner Anordnung zu realisieren. Auch mit den gewinkelten Typen ergeben sich verschiedene Einbaumöglichkeiten, wie Horizontal- und Vertikalverbindungen.

Polzahlen von 12- bis 80-polig sind in einer platzsparenden doppelreihigen Anordnung im Portfolio. Durch die nachgewiesene Möglichkeit des multiplen Einsatzes mehrerer FP-0,8-Steckverbinder auf einer Leiterplatte können höhere Kontaktanzahlen zwischen zwei Leiterplatten sicher, elektrisch zuverlässig sowie steck- und auch noch lösbar realisiert werden.

Daten, Signale und Strom

Alle Steckverbinder sind sowohl ungeschirmt als auch geschirmt verfügbar. Die Schirm- und Ankermetalle sind beim FP-0,8-System aus nichtmagnetischen Cu-Legierungen gefertigt, welches einen Einsatz in stark magnetisierendem Umfeld möglich macht, wie es z. B. in MRTs der Fall ist.

Elektromagnetische Interferenz zwischen einem geschirmten und einem ungeschirmten Steckverbinder der Serie FP 0,8
Bild 4. Elektromagnetische Interferenz zwischen einem geschirmten und einem ungeschirmten Steckverbinder der Serie FP 0,8.
© Phoenix Contact

Durch geschickte Pinbelegung kann man eine annähernd 360°-Schirmung des FP 0,8 erzielen und somit die Signale gegen äußere Einstreuungen schützen. Genauso sind abgehende Interferenzen, die durch schnelle Signale innerhalb des Board-to-Board-Steckverbinders entstehen können, weitestgehend ausgeschlossen. Eine geschützte und EMV-stabile Daten- und Signalübertragung ist damit sichergestellt. Generell ist eine optimale Schirmung in sehr vielen medizintechnischen Geräten notwendig, wie z. B. in Sonographiegeräten, um eine störungsfreie (rauschfreie/EMV/RFI) Bildwiedergabe zu ermöglichen (Bild 4).

Ein echter Hybrid-Connector

Unterschiedliche Derating-Kurven der galvanisch getrennten Schirmmetalle in Abhängigkeit von der Polzahl
Bild 5: Unterschiedliche Derating-Kurven der galvanisch getrennten Schirmmetalle in Abhängigkeit von der Polzahl.
© Phoenix Contact

Soll zusätzlich noch Leistung über die FP-0,8-Steckverbinder übertragen werden, bieten sich zwei Möglichkeiten an. Zum einen können die Signalkontakte bei Vollbestromung mit einem spezifizierten Strom von 1,7 A pro Kontakt beaufschlagt werden, zum anderen können die galvanisch getrennten Schirme zur Stromübertragung genutzt werden. Somit wird der FP 0,8-Steckverbinder sogar zum richtigen Hybrid-Connector der neben Highspeed-Signalen auch Power übertragen kann. Diese Kombination spart Platz auf der Leiterplatte und macht das Layout wesentlich einfacher (Bild 5).

Mess- und Simulationsdaten
Alle Daten, sowohl M-CAD und E-CAD-Dateien sowie Signalsimulationen (2D, 3D, Derating, S-Parameter, Touchstone, kundenspezifische Simulationen usw.), welche zum Design der Geräte benötigt werden, können durch die hauseigene Mess- und Simulationstechnik zur Verfügung gestellt werden oder sind sogar auf der Homepage abrufbar – eine entscheidende Vereinfachung und große Beschleunigung bei der Entwicklung medizintechnischer Geräte.

 

Multitalent für die Medizintechnik

Die vielseitigen Eigenschaften des Leiterplattenverbindungssystems FP 0,8 mit ScaleX-Technologie ermöglicht es, innerhalb von Medizintechnikanwendungen sowohl ein hohes Maß an mechanischer Toleranzkompensation als auch Datenintegrität neben EMV-Stabilität und Leistungsübertragung zu erreichen. In nahezu allen MedTech-Bereichen, wie z. B. bildgebender Diagnostik, Patientenmonitoring, Defibrillatoren, Therapiegeräten und Robotik, Infusionstechnik und angrenzenden Applikationen, erleichtert das FP-0,8-Steckverbindersystem das Medizingerätedesign immens. Es kann sowohl als klassische, Highspeed- oder hybride sowie auch als Docking-Steckverbindung für modulare Systeme zum Einsatz kommen. Die FP-0,8-Board-to-Board-Steckverbinderfamilie hat mit ihrer Vielseitigkeit das Potenzial, in modernen Medizingeräten einen echten Unterschied machen.


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