Whitepaper zur Medizinprodukteverordnung

MedTech-Verbände fordern konkrete MDR-Änderungen

6. September 2023, 9:00 Uhr | nach Material des BVMed
Dr. Marc-Pierre Möll vom BVMed und DR. Martin Walger, Geschäftsführer des VDGH
© BVmed / VDGH

Die Zeit drängt: Der BVMed und der VDGH schlagen zur Weiterentwicklung der MDR und IVDR unter anderem die Abschaffung der fünfjährigen Re-Zertifizierungsfrist sowie Fast-Track-Verfahren für Innovationen und Orphan Devices sowie Diagnostics vor.

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»Wir brauchen mehr Transparenz und Effizienz, mehr Berechenbarkeit und Schnelligkeit, mehr internationale Anschluss- und Wettbewerbsfähigkeit sowie eine gute Verwaltungspraxis«,

forderten die beiden Vorstandsvorsitzender Dr. Meinrad Lugan (BVMed) und Ulrich Schmid (VDGH) auf einer gemeinsamen Pressekonferenz.

Handwerklich stark verbesserungswürdig

Die EU-Verordnungen MDR und IVDR, die das Inverkehrbringen von Medizinprodukten und Labortests europaweit regeln, seien handwerklich schlecht gemacht, zu kompliziert und bürokratisch – und bremsen damit Innovationen aus, so BVMed und VDGH. Es bestehe breiter Konsens, dass MDR und IVDR eine ungewünschte Verknappung von Produkten in der medizinischen Versorgung verursachen. Ein Drittel der Produkte drohe vom Markt genommen zu werden, bereits jetzt seien viele Produkte nicht mehr auf dem Markt verfügbar.

Studien zeigen: MedTech-Unternehmen sind in 65 Prozent der Fälle gezwungen, Entwicklungsressourcen in die Regulatorik zu verlagern – auf Kosten der Innovationstätigkeit. Und 89 Prozent der MedTech-Unternehmen priorisieren mittlerweile die US-amerikanische Zulassung ihrer Produkte, so eine Studie der Boston Consulting Group. »Wir wollen eine zukunftsweisende Reform, die Patientinnen und Patienten sowie dem Innovationsstandort Europa hilft – keine fortwährenden Klein-Klein-Korrekturen«, so Lugan und Schmid. Die zwei MedTech-Verbände haben deshalb ein Vorschlagspapier erarbeitet.

Konkrete Lösungen in 5 Maßnahmenbereichen

1. Ergänzung des derzeitigen Regulierungssystems

Fast-Track-Verfahren (beschleunigte Verfahren) analog zu anderen Rechtsbereichen für

  • innovative Produkte,
  • Orphan Devices und Diagnostics for rare diseases
  • Nischenprodukte mit nachgewiesener Erfolgsbilanz

2. Steigerung der Effizienz des Systems

Konsequente Umsetzung der Grundsätze guter Verwaltungspraxis durch

  • planbare Fristen und berechenbare Kosten der Regulierungsverfahren
  • gleicher Zugang für alle zum Regulierungssystem
  • erhöhte Transparenz der Zertifizierungsprozesse auch durch Digitalisierung
  • wirksame Rechtsmittel gegen Marktzugangsentscheidungen
  • bessere Koordinierung paralleler und nationaler Gesetzgebungen

3. Reform des fünfjährigen Re-Zertifizierungszyklus

  • begrenzte Gültigkeitsdauer der Zertifikate von fünf Jahren abschaffen
  • effizienterer und stärker risikobasierter Zertifizierungszyklus, basierend auf Post-Market-Daten
  • IVDR: Selbstzertifizierung von Produkten niedriger Risikoklasse (Klasse B) zur Systementlastung und Wegfall bürokratischer Berichte ohne Patient:innennutzen

4. Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit

  • internationales Ansehen der CE-Kennzeichnung wiederherstellen
  • Internationale Angleichung von Prüfanforderungen (Einbeziehung der EU in das MDSAP-Programm) für Qualitätsmanagement-Systeme der Hersteller
  • Abkommen über die gegenseitige Anerkennung der Zulassungsbedingungen (Mutual Recognition Agreement, MRA) zwischen der EU und der Schweiz sowie UK

5. Zentralisierung der Verantwortung

  • zentrale rechenschaftspflichtige Verwaltungsstruktur einführen
  • Notifizierung und Überwachung der Benannten Stellen europaweit harmonisieren und zentralisieren
  • KMU-Büro zur Unterstützung der KMU auf EU-Ebene einrichten

Neben der Ergänzung des derzeitigen Regulierungssystems setzen sich BVMed und VDGH für mehr Berechenbarkeit und Transparenz der Prozesse, wirksame Rechtsmittel gegen Marktzugangsentscheidungen, eine Verbesserung der internationalen Zusammenarbeit sowie eine Zentralisierung der Verantwortung ein.

»Wir wollen gemeinsam mit allen Beteiligten Europa wieder zu einem wettbewerbsfähigen MedTech-Standort machen und überzogene Strukturen aufbrechen sowie gute regulatorische Rahmenbedingungen schaffen – mit Mut und Zuversicht. Dafür fordern wir die europäischen Institutionen auf, mit uns und allen relevanten Akteuren in Deutschland und Europa in einen strukturierten Dialog zu treten, um so schnell wie möglich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen«, so der Schlussappell von Möll und Walger.

Das 64 Seiten starke Whitepaper zur MDR- und IVDR-Weiterentwicklung kann unter www.bvmed.de/whitepaper sowie www.vdgh.de/whitepaper heruntergeladen werden. (uh)


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