STMicroelectronics fokussiert sich ebenfalls ausschließlich auf Qi. Daniel Derrien, EMEA Connectivity Lab Director von STMicroelectronics, merkt an, dass es keine ganz einfache Entscheidung war, sich auf einen Standard zu fokussieren. Aber: »Bislang sieht es so aus, als ob wir Recht gehabt haben. Wir haben die Entscheidung für Qi nie bereut, auch die Kunden setzen auf Qi. Und wenn Kunden nach Airfuel Resonant fragen, erklären wir die Unterschiede und in den meisten Fällen verstehen die Kunden, warum Qi die bessere Lösung ist.«
Laut Derrien basieren 90 Prozent aller Geräte, die Wireless Charging nutzen, auf Qi. Dass der Prozentsatz so hoch ist, liegt unter anderem daran, dass Apple 2018 entschieden hat, Qi zu integrieren. Wobei nicht nur alle iPhones auf Qi basieren, sondern auch viele Android-Telefone. Derrien ist überzeugt: »Im Consumer-Markt hat Airfuel Resonant keine Chance.« Wobei er sich in dem Fall nicht nur auf Mobiltelefone bezieht. Denn weitere Entwicklungen innerhalb der WPC zielen auf höhere Leistungen (100W), sodass auch Laptops, Tablets etc. mit Qi drahtlos geladen werden können. »Und wir sprechen auch von Haushaltsgeräten und einer Leistung von 2kW«, erklärt Derrien weiter.
Der immer wieder erwähnte, größte Nachteil von Qi – die enge Kopplung der Spulen zwischen Sender und Empfänger und damit der geringere Freiheitsgrad – stellt in vielen Fällen laut Derrien nicht so ein großes Problem dar. Denn in Fahrzeugen werden die Ladeschalen mechanisch so ausgelegt, dass die genaue Positionierung des Smartphones überhaupt kein Problem darstellt. Außerdem zeige jedes Gerät an, ob die drahtlose Aufladung funktioniert oder nicht. Derrien weiter: »Mithilfe von mehreren Spulen lässt sich der Freiheitsgrad etwas erhöhen, wobei auch in diesem Fall eine enge Kopplung notwendig ist.«
Heute liegt der Wirkungsgrad mit Qi und 15W bei 80Prozent, ein Wert, der mehr oder minder von allen erreicht wird. Derrien weiter: »ST punktet, wenn es um die Leistungsaufnahme im IdleMode geht. Und dieser Punkt ist durchaus wichtig, denn die meiste Zeit wird kein Gerät geladen, das System befindet sich also im IdleMode. Und wir haben es geschafft, den Energieverbrauch in diesem Betriebszustand zu senken.«
Qi ist der Klebstoff
»Auch wenn wir sehen, dass alle großen Handy-OEMs einige proprietäre kabellose Ladeerweiterungen verwenden, basieren sie alle auf dem Qi-Standard. Der Qi-Standard ist der Klebstoff, der das Ökosystem zusammenhält und eine gute Benutzererfahrung gewährleistet«, betont Vaclav Halbich, Product Marketing Manager bei NXP Semiconductors und Teil des Boards vom WPC. Und weiter: »Die Benutzer erwarten, dass sie ihr Telefon an jedem drahtlosen Ladesender aufladen können, und der Qi-Standard ist die einzige Garantie dafür, dass dies möglich ist. Es wird auch erwartet, dass Vorschriften ein einheitliches Ladegerät vorschreiben werden. Kurz gesagt: Der Standard wird sich durchsetzen, aber es wird auch immer proprietäre Erweiterungen des Standards geben.«
Qi/WPC zeichnet sich seiner Meinung nach durch einen angemessenen Wirkungsgrad, eine überschaubare EMV aus und stellt eine bewährte und sichere Technologie dar. Airfuel Resonant hingegen weise einen geringeren Wirkungsgrad durch schnelleres Schalten und EMV-Probleme aufgrund der höheren Frequenz auf und biete nicht die bewährte Interoperabilität und die großen Stückzahlen auf dem Markt, die mit Qi verbunden sind.
Kompatibilitätsprobleme –Hindernis für die drahtlose Ladetechnik?
Aus der Sicht von Halbich hängt die Antwort darauf von der Anwendung ab. Seiner Meinung nach ist Interoperabilität kritisch für Mobiltelefone, Laptops und andere persönliche Elektronik, die an verschiedenen Orten verwendet wird, insbesondere bei flexiblen Büroanordnungen. »Andere Anwendungen wie Elektrowerkzeuge oder Drohnen sind nicht so kritisch; trotzdem ist Interoperabilität immer gut für den Endanwender«, so Halbich weiter. Wobei er darauf hinweist, dass neben der Kompatibilität auch die Zertifizierung eine wichtige Rolle spielt. Denn wird ein Produkt auf dem Markt als kompatibel deklariert, ist aber nicht Qi-zertifiziert, kann es durchaus Sicherheitsprobleme aufweisen.
In Hinblick auf Airfuel Resonant ist Halbich mehr als skeptisch. Geht es um Unterhaltungselektronik, insbesondere Telefone, hält er Airfuel Resonant für eine tote Technologie. Denn zum einen sei bislang immer noch nicht das Problem gelöst worden, dass diese Technologie Störungen bei Implantaten (z.B. Herzschrittmacher oder Pumpen für Diabetes-Patienten) auslösen kann. Zum anderen sei diese Technik sehr teuer, denn für eine Energieübertragung über eine größere Distanz müsse die natürliche Resonanzfrequenz vom Sender und Empfänger die gleiche sein. Seiner Meinung nach könnte die Airfuel-Resonanztechnologie für das Laden von Elektrofahrzeugen geeignet sein. Denn die Automobilindustrie könne sich die Kosten für die verbesserte Abschirmung und für die Resonanzfrequenz leisten. Außerdem ist am Automotive-Markt von Vorteil, dass mit resonantem, kabellosem Laden hohe Leistungen mit kleiner Spulengröße bei 6,78MHz übertragen werden können. Aber: »Um bei über 1MHz mit tausend Watt Leistungsabgabe zu arbeiten, können nur GaN-Transistoren zum Einsatz kommen; diese Hochleistungs-GaN-Komponenten befinden sich aber gerade erst in den Anfängen der Kommerzialisierung und sind dementsprechend noch teuer.«
Der Eindruck ist definitiv falsch
Schaut man auf die Website von WPC, könnte der Eindruck entstehen, dass innerhalb von WPC nicht mehr viel passiert. Doch hier widersprechen die Halbleiterhersteller. So verweist beispielsweise Yi darauf, dass mehr als 400globale OEMs und Gerätehersteller heute WPC-Mitglied sind und die Zahl steigt weiter. Und Bapu betont: »Wir haben den umgekehrten Eindruck, nämlich dass es sogar eine besondere Dynamik im WPC gibt. Letzten Monat wurde eine neue Spezifikation veröffentlicht, die die Authentifizierung beinhaltet. Diese Aktualisierung der Spezifikation war ein wichtiges Unterfangen, bei dem viele Unternehmen zusammenkamen, um sie zu entwickeln. Microchip hat maßgeblich an der Authentifizierungsspezifikation mitgewirkt.«Halbich wiederum erklärt: »WPC konzentriert sich auf die technische Arbeit und nicht auf umfangreiches Marketing. Es passiert viel, um den bestehenden Standard zu verbessern; die neue Version Qi1.3 mit Authentifizierung wurde gerade fertiggestellt und es wird an neuen Standards gearbeitet, um neue Anwendungen zu ermöglichen.« Und Derrien fügt abschließend hinzu: »Es gibt ein paar Änderungen beim WPC, aber WPC ist mehr als am Leben. Wir haben rund 1000Produkte, die für Qi zertifiziert sind. Und klar, wenn ein Standard in weiten Bereichen bereits eingesetzt wird, werden die Spezifikationen auch nicht mehr so oft geändert, weil das Probleme mit der Rückwärtskompatibilität mit sich bringen würde. Deshalb ist es zwar richtig, dass die Alliance von außen betrachtet etwas weniger aktiv wirkt, aber alle Zertifizierungsprozesse und Interoperabilitäts-Tests laufen weiter, und jeder, der das Qi-Logo auf seinem Gerät nutzen möchte, muss diese Prozesse durchlaufen. Ich bin mir absolut sicher: Bis 100W wird Qi der am meisten genutzte Standard bleiben.«