FGIC oder BFE?

Batteriemanagement - die »Qual« der Wahl

6. September 2021, 17:52 Uhr | Iris Stroh
Batteriemanagement von Li-Ionen-Batterien
© Renesas Electronics/WEKA Fachmedien

Geht es um das Batteriemanagement von Li-Ionen-Batterien, bietet Renesas Electronics zwei Ansätze: FGICs und BFEs. Wann welcher besser ist und wie die weiteren Entwicklungen aussehen, erklärt John Carpenter, Marketing and Applications Manager MCB in der Battery Management Group, Renesas Electronics.

Markt & Technik: Bei Renesas gibt es zwei Kategorien von Batteriemanagement-Produkten, die BFEs (Battery Front End) und die FGICs (Fuel Gauge IC), die sich in einem Punkt ganz offensichtlich unterscheiden: Die FGICs verfügen über einen integrierten Prozessorkern, der den BFEs fehlt, das ist aber wahrscheinlich nicht der entscheidende Unterschied…

John Carpenter: Nein, natürlich nicht. Beide Kategorien - FGICs mit integriertem Prozessorkern und BFEs – übernehmen prinzipiell dieselben Batteriemanagement-Funktionen. Der integrierte Prozessorkern ist auch deshalb kein Unterscheidungsmerkmal, weil die BFEs typischerweise mit einer externen MCU kombiniert werden. Das heißt, dass sich das eigentliche Silizium nicht so sehr unterscheidet, aber deutliche Unterschiede bei den Gehäusen und den internen Verbindungen bestehen, was wiederum weitreichende Folgen haben.

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John Carpenter, Renesas Electronics
John Carpenter, Renesas Electronics: »Mit unseren FGIC-Bausteinen können Entwickler ihre Firmware selbst erstellen. Das bietet kein anderer Wettbewerber. Sie unterstützen definitiv keine vom Kunden geschriebene Firmware.«
© Renesas Electronics/WEKA Fachmedien

Was sind also die wichtigsten Unterschiede?

Ich denke, folgende Punkte sind entscheidend:

  • Die Ladekapazität - für kleine Ah-Werte kommen die FGICs zum Einsatz, geht es um große Ah-Werte, dann sind die BFE mit einer separaten MCUs die richtige Wahl. 
  • Eine Coulomb-Zählung - die FGICs von Renesas enthalten eine Schaltung für die Coulomb-Zählung. Sie ist in Verbindung mit einem hochgenauen Shunt-Widerstand für die genaue Berechnung des Ladezustands der Batterie sehr nützlich. Bei Batterien mit geringen Ladekapazitäten und niedriger Spannung wird häufig eine auf einem Shunt-Widerstand basierende Coulomb-Zählung verwendet. Batterien mit hoher Ladekapazität werden typischerweise in Anwendungen mit hohen Strömen und höherer Spannung verwendet. In diesem Fall würde ein Shunt-Widerstand Probleme bereiten, sei es mit der Wärmeerzeugung, aber auch in puncto Sicherheit und Design-Komplexität – alles Probleme, die bei niedrigen Strömen nicht auftreten. Das heißt: für Anwendungen mit höheren Strömen/Spannungen sind andere Methoden der Strommessung, z. B. Hall-Effekt, besser.
  • Cell-Balancing – die BFEs verfügen über dedizierte Pins für die Ansteuerung externer FETs, so dass größere Ausgleichsströme möglich sind, was bei Batterien mit hohen Ah-Werten erforderlich ist. Bei FGICs sind durch die MCU bereits zusätzliche Pins erforderlich, so dass es hier deutlich schwieriger wäre, dedizierte Balancing-Pins zu rechtfertigen, ohne dass damit der Preis für das Gehäuse inakzeptabel hoch wird. Abgesehen davon arbeiten Batterien mit hohen Ladekapazitäten mit höheren Spannungen, was die Anzahl der Gehäusepins in die Höhe treibt, was in einem FGIC ebenfalls unerschwinglich wäre.
  • Der letzte Punkt ist Platz - große Batterien weisen einfach mehr Platz für die Batteriemanagementplatine auf. Das macht einen kompakten FGIC überflüssig. In mobilen Geräten wie Tablets, Notebooks oder Drohnen ist das anders, hier gibt es typischerweise sehr wenig Platz für die Batterieplatine.

Gibt es konkrete Gründe, die für eine nicht-integrierte Variante, sprich BFE, sprechen?

Ja, klar, zum Beispiel die Stückkosten. Die BFEs gibt es in viel mehr Varianten, das heißt, dass es für den Entwickler deutlich einfacher ist, genau die Komponente zu finden, die sehr gut zu seinen Batterieanforderungen passt. Ein weiterer Punkt sind die Entwicklungskosten. Höhere integrierte Bausteine verursachen typischerweise höhere Entwicklungskosten und bieten danach nur wenig Raum für Funktionserweiterungen. Diese Einschränkungen sind dann gerechtfertigt, wenn ein großer Endmarkt vorhanden ist, auf dem die Funktionen relativ stabil sind, wie zum Beispiel Notebooks. Außerdem bevorzugen viele User eine bestimmte MCU-Architektur. Das heißt, dass diese Entwickler sich für BFEs entscheiden sollten, denn hier können sie die MCU wählen, die sie wollen.

Und was spricht für eine integrierte Variante, sprich FGICs?

Zum Beispiel Performance und Safety, denn in manchen Fällen führt die Integration zu einer Verbesserung in beiden Punkten. Zum Beispiel kann der integrierte Prozessorkern das analoge Frontend hinsichtlich Registerfehler entlang der internen Chip-zu-Chip-Schnittstelle überwachen. Aber auch die Entwurfsdauer für die Platine fällt mit FGICs typischerweise kürzer aus und die FGICs haben den Vorteil, dass die Endschaltung typischerweise stabil ist. Damit kann jeder Entwickler den Start-Code mit der Gewissheit entwickeln, dass er für die meisten Entwurfsansätze geeignet ist. Da die Firmware einen großen Teil des Entwicklungsaufwands ausmacht, kann genau dieser Punkt enorme Vorteile bringen. Klar, dass das mit einem BFE, bei dem die MCU typischerweise zunächst nicht bekannt ist, nicht funktioniert.

Was sind Ihrer Meinung nach die USPs für FGICs und BFEs?

Da gibt es einige. Bei den FGICs würde ich beispielsweise die genaue Erfassung und Optimierbarkeit des Ladezustands nennen. Aber auch die Programmierbarkeit hat Vorteile. Auch wenn die Kunden einen Startcode erhalten, die meisten FGIC basieren auf einem RL78-Kern, also kann jeder Entwickler auch seine eigenen Algorithmen programmieren und Parameter wie Messwerte, SoH, Zusatzfunktionen usw. selbst festlegen. Außerdem haben wir bei unseren FGICs diverse Funktionen auf bestimmte Anwendungen - Notebooks, Tablets, Smartphones, Elektrowerkzeuge, Staubsauger, E-Bikes – optimiert. Das heißt für die Realisierung dieser Anwendungen ist im Batteriemanagement kein weiteres Silizium notwendig. Dazu kommt noch ein vollständiger Satz an Sicherheitsmaßnahmen, denn auch die integrierte MCU ist mit Funktionen versehen, die auf die Anforderungen der funktionalen Sicherheit abgestimmt sind.

Geht es die BFEs würde ich auf die Robustheit als USP hinweisen, denn wir haben die Bausteine sind für anspruchsvolle Anforderungen im Feld optimiert. Darüber hinaus garantiert Renesas den Betrieb und die Genauigkeit der Komponenten bei allen Temperaturen und in allen Corner-Fällen. Die Entwickler wiederum, die bereits mit unseren MCUs vertraut sind, fällt es sicherlich einfacher, Schutzmechanismen für die Batterie hinzuzufügen. Und wir bieten außerdem Support für gestapelte Packs ohne spezielle Isolierung an.


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