Matthias Lubkowitz: Als Hardwarehersteller liefern wir die Rechen-Power für KI-Anwendungen. Für eine bestmögliche Nutzung wollen die Kunden beispielsweise wissen, mit welchen Commands die Grafikkarte ansprechbar ist oder wie sie Kernel via Software einzeln adressieren können. Core 1 soll diese Aufgabe übernehmen, Core 2 eine andere – da geht es um Lastverteilung oder auch Speicherpuffer für die KI. Ansonsten geht es in den Anfragen meist um Schnittstellen und API’s: »Habt ihr Code dazu? Wie komme ich an die Engine ran? Wie kann ich das programmieren?«.
Mit welchen weiteren Herausforderungen werden Sie in aktuellen Entwicklungsprojekten konfrontiert?
Rainer Bornwasser: Wir bekommen weniger fertige RFQs als noch vor wenigen Jahren. Die Kunden wollen immer mehr, dass wir unsere Expertise und Beratung in ihre Projekte einbringen – mehr Entwicklungspartner sind. Die Anforderungen in der Medizintechnik wachsen, sowohl technisch wie auch regulatorisch – da liegt es nahe, dass die Firmen uns fragen »Wie macht ihr das eigentlich?«. Manche nutzen unser Medical-Kompetenzzentrum auch als ausgelagerte Abteilung.
Matthias Lubkowitz: Das geht so weit, dass wir für viele Kunden die komplette internationale Zulassung ihrer Medizingeräte abwickeln, über alle Länder. Das klingt erstmal nach viel Papierkram, ist es auch, aber die Thematik ist bereits sehr früh im Entwicklungsprozess wichtig. Welches Kabel ist in welchem Land erlaubt? Welche Inhaltsstoffe dürfen in Japan verwendet werden? Wird ein Medizingeräte mit einem falschen Netzteil ausgelegt, muss eventuell viel Lehrgeld gezahlt werden. Auch bei Software – und jede Chip-Firmware gilt laut Medizinproduktegesetz als Software – ist die frühzeitige und komplette Dokumentation wichtig. Nach der Zertifizierung darf nichts mehr verändert werden. Abgesehen vom Bugfixing für das Schließen von Sicherheitslücken würde jede neue Softwarefunktion die Registrierung von vorn starten.
Das klingt neben der Dokumentation auch nach IT-Sicherheit?
Matthias Lubkowitz: Cybersecurity ist hardwareseitig ein riesiges Thema. Jeder Treiber, jedes Bios, jeder Video- oder Ethernet-Chip kann Lücken aufweisen. Jeder IC, jeder FPGA ist heute intelligent und mit Software oder zumindest einem Stück Code ausgestattet. Wir als Hardwarehersteller müssen also sicherstellen, dass diese Software nicht angreifbar ist. In China und Russland haben Hacker jeweils über Hardwarebausteine Medizingeräte während Operationen ausgeschaltet, Menschen sind gestorben. Solche Vorfälle müssen verhindert werden, also fragen die Gerätehersteller uns sehr genau: »Wie prüft ihr das? Wie ist eure Sicherheitspipeline? Wie wird über auftretende Probleme informiert?« Das war vor fünf Jahren noch kein Thema, heute ist es ungeheuer wichtig. Für die meisten Hardwarehersteller war Cybersecurity bisher unbekanntes Terrain, wir wachsen gerade daran und bauen jede Menge Expertise auf.
In der Software steckt also die Zukunft, auch bei Ihnen?
Matthias Lubkowitz: Wir rüsten softwareseitig massiv auf, sowohl technologisch wie auch beim Personal. In Zukunft wird die Scaler-Karte, welche im Display für die Bildwiedergabe verantwortlich ist, auch erkennen können, was angezeigt wird. Ein medizinisches Display wird künftig Algorithmen beinhalten, welche die Bilder für den Arzt vorsegmentieren. Eine Art Overlay könnte per Algorithmus Venen, Organe und andere Objekte klassifizieren. Die KI wandert damit von einer externen Anwendung direkt ins Display – das ist ein großer Mehrwert für den Kunden. Im Zuge dessen entwickeln wir als uns schon heute in Richtung Software, das müssen wir. Für einen Hardwarehersteller bedeutet dies komplett andere Abläufe und rechtliche Aspekte hinsichtlich des Medizinproduktegesetzes. Aber für einen Monitor – und das ist hier in Deggendorf unser Kerngeschäft – ist die KI-Integration der nächste, natürliche Innovationsschritt. 3D und 4K sind prima, aber der wirkliche Mehrwert für den Arzt in der Anwendung kommt mit den intelligenten Funktionen und der Kommunikation mit anderen Medizingeräten.