Medizinische All-in-One-PCs und Displays

»Die KI wandert ins Frontend«

9. November 2023, 14:30 Uhr | Ute Häußler
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Konsolidierte Lieferketten, ein unsicherer EU-Markt und die MDR – die Nachfrage nach Embedded-Medizingeräten wie Displays und All-in-One-PCs steigt trotzdem. Die MedTech- Experten von Adlink sprechen über Wachstum, die MDR als Chance, KI, Cybersecurity sowie Software als Zukunftsvision für Monitore.

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Auf der DMEA 2022 haben wir vor allem über gestresste Lieferketten gesprochen – die haben sich ja wieder beruhigt.

Matthias Lubkowitz: Auf jeden Fall. Aber wir bzw. der Markt sind immer noch am »Aufräumen«. Beim Öffnen meines Postfachs bin ich ehrlich gesagt jeden Tag heilfroh, wenn kein End-of-Life von einem Zulieferer reingekommen ist. Medizintechnik ist kein Massengeschäft und viele Komponenten-hersteller dampfen ihr Portfolio ein, alles, was kein High-Runner ist, wird reduziert. Bei den Panels folgen wir technologisch dem Consumer-Markt und selektieren daraus die für die Medizintechnik geeigneten Premium-Panels.

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Matthias Lubkowitz von Adlink
Matthias Lubkowitz ist Leiter des Geschäftsbereiches Healthcare EMEA bei Adlink.
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Unsere Projekte laufen teilweise mit 10-Jahres-Verträgen, die Verfügbarkeit der Displays muss über den gesamten Zeitraum sichergestellt sein. Die Nachwirkungen der gestressten Lieferketten werden nicht so schnell verschwinden.

Für die Adlink Medizinsparte planen Sie mit 20 Prozent Wachstum pro Jahr, wie wollen Sie das erreichen?

Matthias Lubkowitz: Eigentlich streben wir eher 25 Prozent an. In den vergangenen Jahren funktionierte das wegen der gestressten Lieferketten sehr gut, über die direkte Taiwan-Connection konnten wir liefern bzw. haben mit Kunden gemeinsam direkt mit Lieferanten verhandelt. Ob Re-Design, Bauteiltausch oder Priorisierung – am Ende hatten wir immer eine umsetzbare Lösung.

Rainer Bornwasser von Adlink
Rainer Bornwasser ist Vertriebsleiter Medical EMEA.
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Rainer Bornwasser: In Zukunft wollen wir uns breiter aufstellen, produktseitig wie auch beim Kunden. Wenn ein Medizintechnikhersteller derzeit ein Bedienelement für einen C-Bogen bei uns kauft, sind wir bestrebt, die Applikation und damit den Umsatz zu erweitern, indem wir auch das Display und das Motherboard dazu verkaufen – immerhin sind wir der viertgrößte Hersteller von Motherboards weltweit. Dazu wollen wir unsere Kompetenz in den Entwicklungsprozess beim Kunden einfließen lassen – Systeme statt Komponenten ist die Zielsetzung.

Die Marktlage in der EU ist durch Krankenhauskonzentration und MDR angespannt, wie passt das zur Wachstumsstrategie?

Matthias Lubkowitz: Unser Fokus liegt auf dem EMEA-Markt, gerade haben wir zudem einen Mitarbeiter für die USA eingestellt, auch dort wollen wir wachsen. Nachdem wir unser Geschäft zu 80 Prozent mit OEMs machen, die global vertreiben, stehen die Zeichen weiterhin auf Wachstum. Was an Medizingeräten nicht in der EU verkauft wird, geht im Mittleren Osten und in Asien weg.

Zudem werden wir unser Channel-Business und damit unsere Sichtbarkeit in den Krankenhäusern stärken. Auch dieses Geschäft muss weltweit eingeordnet werden. Europa lief immer stabil, die USA, Japan und Asien eher in Wellen. Das ist nach wie vor so, aber der Markt wird über Indien, China und den Mittleren Osten deutlich größer. Und auch schwieriger. Obwohl die Zahl der Anbieter zwischenzeitlich stark gestiegen war, bieten sowohl die neuen MDR- wie auch FDA-Regelungen eine Chance zur Marktbereinigung.

Wie wirken sich die strengeren Zertifizierungsregelungen aus?

Matthias Lubkowitz: Die Zahl der MedTech-Anbieter wird tendenziell sinken, einfach weil viele es nicht können – egal ob es um Finanzkraft, Knowledge oder Ressourcen geht. Die Entwicklung von Medizintechnik ist megaviel Aufwand und auch eine große rechtliche Verpflichtung. Früher haben wir manchmal Deals an »Garagenbuden« verlo- ren – die kommen heutzutage nicht mehr ins Krankenhaus, keine Chance. Die können weder MDR, noch Sicherheit – von der Dokumentation ganz zu schweigen.

Diese Entwicklung zieht sich durch die gesamte Lieferkette. Wir stellen die gleichen, gelinde gesagt anspruchsvollen, Anforderungen an unsere eigenen Lieferanten. Wir arbeiten mit 155 regionalen bzw. nationalen Zulieferern zusammen, die Metallteile kommen vielfach aus Baden-Württemberg, Stecker oft aus Oberbayern. Die Displays und weitere Komponenten bekommen wir aus Asien oder von unserer Muttergesellschaft zugeliefert. Der Anspruch ist derselbe, wir verlangen viel von unseren Partnern. Dokumentation, Herkunft der Materialien, Zertifikate etc. – das kann nicht jeder. Aber am Ende ist alles relevant für die Benannte Stelle und die MedTech-Zulassung.

Welche Technologietrends werden von den Herstellern von Medizintechnik nachgefragt?

Rainer Bornwasser: Touchdisplays sind aktuell ein großes Thema. Früher war die Bedienung per Touch ein No-Go im medizinischen Bereich, heute ist die Technologie heiß gefragt. Die Hersteller wollen wissen »Wie geht kapazitives Touch mit Flüssigkeiten im OP zusammen? Was passiert bei Fehlermeldungen, wie ist das Resistenzlevel und wie geeignet sind Touchdisplays für Hochfrequenzbereiche?«. Insbesondere für reine Steuerungsdisplays ist Touch deutlich im Kommen.

Für rein darstellende Bildschirme sehen wir einen leichten Trend zu größeren Formaten. Mainstream-Monitore haben heute meist 24“ bis 27“, All-in-One-PCs sind mit 21“ bis 24“ etwas kleiner, da es mehr um Platz, Kosten und Gewicht geht. Doch mit mehr Content, mehr Auflösung und besseren Grafikkarten kommt das Eine mit dem Anderen. Wenn heute an einem C-Bogen zwei 19“-Monitore im 4:3-Format verbaut sind, dann wird die nächste Generation wahrscheinlich 27“ groß sein, über 4K-Auflösung verfügen und eine Software regelt die Anzeigeoptionen.

Matthias Lubkowitz: Und natürlich steigen die Anfragen bezüglich KI-Integration. Ob Ultraschallgeräte oder Mammografie – die neuen Softwarefunktionen brauchen starke Rechenmaschinen als Hardware. Und diese Engines wandern mehr und mehr ins Frontend. Der Arzt will, sobald er etwas am Bildschirm sieht, auch direkt »am Edge« eine Antwort haben. Vor ein paar Jahren wurden Bilder zunächst ins PACS und zur Analyse ins Backend geschickt. Das hat Stunden gedauert, Patienten wurden derweil weggeschickt – das will heute keiner mehr.

Echtzeitanalysen vor Ort sind gefragt, und unsere Kunden wollen wissen, wie diese KI-Unterstützung umsetzbar ist. Die Welt wird immer schneller, Krankenhäuser werden – auch in Deutschland – reduziert, müssen verstärkt kostenorientiert arbeiten. Gleichzeitig müssen immer mehr Patienten versorgt werden. Da zählt jede Minute.


  1. »Die KI wandert ins Frontend«
  2. Mit welchen technischen KI-Fragen kommen die Medizintechnikkunden auf Sie zu?
  3. Vor-Ort-Porträt Deggendorf: Das Adlink Kompetenzcenter Medical

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