Haben Sie Ihre Mitarbeiter denn schon mal befragt, wie es ihnen mit der Krise geht?
Wir machen das sogar regelmäßig, mit firmenweiten Online-Umfragen. Zusätzlich sprechen wir viel mit den Teams, um herauszufinden, wo es klemmen könnte, und entsprechend daraus zu lernen. Wenn es Probleme gibt – etwa bei Stress mit kleinen Kindern, bei privaten Problemen, in der Familie – bieten wir hier in Deutschland eine externe Anlaufstelle, um zu helfen.
Sie haben keinen Hiring Freeze verhängt, sondern weiterhin neue Mitarbeiter eingestellt. In welchen Bereichen?
Es gab ein paar logistische Probleme in den Zulieferketten, aber generell wurden die Märkte unserer Kunden durch die Pandemie eher beflügelt. Der Ausbau der Infrastrukturen im Bereich Kommunikation wurde beschleunigt. Z.B. hatte China 2020 und 2021 ursprünglich geplant, den Datencenter-Ausbau etwas zurückzuschrauben – jetzt wird alles gefördert und ausgebaut. Von alldem haben wir profitiert und auch weiter eingestellt: Entwicklungsingenieure, Produktionsmitarbeiter, Service, Marketing, IT. Am meisten in Service und Produktion. In der Entwicklung sind es hauptsächlich Hard- und Softwareingenieure, die wir suchen. Für die Entwicklung von Hochgeschwindigkeitselektronik oder zum Schreiben von Software oder Firmware, um Geräte zu steuern oder Anwendungsapplikationen zu machen. Unsere Firmenstrategie sieht einen leichten Shift von der Hardware zur Software vor. Und zwar sowohl für Elektrotechniker als auch Informatiker.
Hat es Ihnen die Pandemie erleichtert, an gute Mitarbeiter zu kommen? Oder wegen Wechselunwilligkeit eher erschwert?
Es war etwas einfacher, Mitarbeiter zu bekommen, weil es weniger Jobs am Markt gab. Wenn wir die Bewerber erstmal in der Firma haben, dann funktioniert das in der Regel ganz gut. Wenn sie uns näher kennenlernen, verstehen, wie High-End wir arbeiten. Das begeistert dann viele. Aber wir sind leider nicht so bekannt. Der HP-Brand wurde damals abgeben an die Computersparte, der von Agilent an die Life-Science-Sparte. Wir haben keine Marke, die die breite Masse kennt. Große Technologiefirmen kennen uns, klar. Aber nicht die Berufsanfänger – das ist unsere Herausforderung. Manche Bewerber werden von ihren Professoren auf uns aufmerksam gemacht, der nächste Schritt ist dann einfach.
Reichen Ihnen denn die Studenten von den Hochschulen?
Wir sind in der Branche ganz gut vernetzt und schauen durchaus auch mal dort nach potenziellen Kandidaten. Für Senior-Positionen gehen wir auch schon mal über Headhunter.
Wie bereiten sie sich strategisch auf die zu erwartende Knappheit an Ingenieuren in Zukunft vor? Welchen Stellenwert hat die Personalarbeit bei Keysight?
Ich glaube schon, dass es einen Kampf um Talente geben wird. Man muss sich anstrengen und sich einen Namen machen – da werden wir uns aufstellen müssen, um bekannter zu werden. Indem wir unsere Kultur promoten. Damit haben wir, glaube ich, ganz gute Karten. Gerade wenn man das Wertesystem und die Vorstellungen der jüngeren Generation, wie sie arbeiten will, betrachtet. Wir haben dazu international verstärkt Kooperationen mit Universitäten aufgebaut, um auf Talente zugreifen zu können. Etwa unseren Software Hub in Atlanta, den wir bereits vor acht Jahren etabliert haben. In Bochum hat einer unserer Mitarbeiter eine Professur, das verschafft uns häufig neue Mitarbeiter, etwa über Praktikumsplätze und Masterarbeiten. Das frühe Engagement mit den Studenten zahlt sich aus. Böblingen konkurriert nicht nur mit Daimler und Bosch, sondern auch mit München. Aber wir werden das hinbekommen.
Was Sie nicht im Griff haben, ist die Zahl derer, die nach dem Abitur einsteigen. Die Zahl der AnfängerInnen in Elektrotechnik ist von allen MINT-Anfängern am geringsten. Müssten Sie als Branche nicht mehr tun?
Elektrotechnik ist nur eine Fachrichtung, die wir benötigen, wir suchen ja auch Informatiker. Hier haben wir erst eine ganze Reihe eingestellt. Die waren sehr überrascht, wie softwarelastig die Industrie wird. Daher denke ich, dass auch in der klassischen Elektrotechnik viel auf Software verlagert wird. Da es mehr Studienanfänger in Informatik gibt als in Elektrotechnik, wäre es vielleicht ein sinnvoller Ansatz, mehr Hardware-Schwerpunkte zu bilden und Informatiker darauf vorzubereiten, hardwarenäher zu arbeiten. Denn die Verschiebung innerhalb der Wertschöpfung hin zu Software ist ja branchenübergreifend zu beobachten.
Wir haben außerdem eine Keysight-weite Initiative gestartet, um „Inclusion & Diversity“ zu fördern. Damit wollen wir bisher unterrepräsentierte Minderheiten, aber auch den Anteil der Frauen in technischen Berufen und Führungspositionen fördern. Besonders freut uns, dass wir für den technischen Ausbildungsjahrgang 2020 40 Prozent weibliche Talente für uns gewinnen konnten. Auf Veranstaltungen wie dem „Girls Day“ legen wir besonderes Augenmerk auf weibliche Talente. Hier sehe ich in der Tat eine große Notwendigkeit für die Industrie, technische Berufe für Frauen attraktiver zu gestalten bzw. mehr Frauen für technische Berufe zu begeistern. In den Bereichen Marketing, Finanzen oder Logistik haben wir eine gesunde Mischung an männlichen und weiblichen Talenten. Im Bereich R&D und Führungspositionen hat die gesamte Branche Nachholbedarf. Daran wollen wir als Keysight arbeiten.
Wenn Sie mal wieder fliegen werden und in der Schlange am Flughafen-Gate zufällig einen potenziellen Mitarbeiter oder Mitarbeiterin fachsimpeln hören: Wie würden Sie ihn oder sie ansprechen und von Keysight überzeugen?
Da würde ich unsere Kultur als Erstes nennen – unser sehr offenes und transparentes Umfeld. Alle können mitgestalten und ihre Ziele erreichen.
Das Gespräch führte Corinne Schindlbeck.