Seit 15. März 2022 ist klar, dass Intel für 17 Milliarden Euro eine hochmoderne Halbleiterfertigung in Magdeburg bauen wird. Einer, der maßgeblich daran mitgewirkt hat, ist Max Milbredt. Markt&Technik fragte den Investorenberater für die Halbleiterindustrie bei GTAI, wie es dazu kam.
Markt&Technik: Wie und wann kam eigentlich der erste Kontakt zu Intel zustande? Ging das nicht über das Kanzleramt?
Max Milbredt: Das ist richtig, Intels erste Anlaufstelle im März 2021 war das Kanzleramt. Als Ansiedlungsagentur der Bundesregierung arbeiten wir Hand in Hand, und daher verwies das Kanzleramt direkt an uns zur Standortsuche und allem, was damit einhergeht.
Wie sah die allererste Aufgabenstellung für Sie aus?
Intel hatte intern eine erste Mannschaft für die Standortauswahl zusammengestellt. Diese kommunizierte klar die ersten Eckdaten, die durchaus beeindruckend waren. Die Bedeutung dieser möglichen Investition für Deutschland und Europa war direkt offensichtlich. Unsere Aufgabe war, möglichst schnell erste Ideen für Standorte zu präsentieren. Dabei gab es anfangs noch mit einer Brownfield-Anlage eine zweite Möglichkeit, da Intel kurzfristig Kapazität brauchte. Wir haben dann die ersten Möglichkeiten innerhalb von drei Werktagen vorstellen können.
Nur drei Tage für ein erstes Ergebnis! Wie haben Sie diese Herausforderung gemeistert?
Mit harter Arbeit und der Hilfe der Bundesländer. Erstens sind wir bei Germany Trade & Invest nach Branchen gegliedert, sodass ich seit elf Jahren Erfahrung mit den Bedürfnissen der Halbleiterindustrie habe, mir war also der eine oder andere mögliche Standort bekannt. Und was die Mega-Fab anging, so waren wir auf die sehr gute Zusammenarbeit mit unseren Schwesterorganisationen in den Bundesländern angewiesen, die sehr schnell liefern konnten.
Bei so einem wichtigen Projekt ist es natürlich essenziell, alle Bundesländer einzubinden und mitbieten zu lassen, um ein optimales Ergebnis zu bekommen. 16 Anfragen in den Ländern in ein bis Tagen zu koordinieren ist aber auch nicht ganz ohne, das gebe ich zu! Letztlich hat es aber dazu geführt, dass wir laut Intel-Chef Pat Gelsinger von allen Ländern die meisten relevanten Angebote abgegeben haben und im Endeffekt auch die qualitativ besten, da wir mehrere Eisen im Feuer hatten bis ganz zum Schluss.
War aus Ihrer Sicht Magdeburg schon damals der Favorit? Was sprach für diesen Standort? Eine solche Fab braucht ja eine ganze Menge Infrastruktur und Fachkräfte.
Magdeburg war interessant, hat aber zunächst nicht alle Kriterien erfüllen können. Um ehrlich zu sein: Wer hat vor den ersten öffentlichen Gerüchten in der Halbleiterindustrie schon mit dem Standort Magdeburg gerechnet? Ich anfangs auch nicht unbedingt. Aber nach dem ersten Interesse – Sachsen-Anhalt und Magdeburg wussten noch gar nicht, wer hinter der Anfrage steckte - hatte die Stadt das Glück des Tüchtigen. Die angebotene Fläche konnte noch einmal signifikant vergrößert werden, da es schon länger Pläne und auch Abstimmungen mit den Nachbargemeinden Sülzetal und Wanzleben gegeben hatte. Als ich das erste Mal die komplette Fläche sah, gingen mir fast die Augen über. In diesem Moment wusste ich, dass wir zumindest von der Fläche her international sehr schwer zu schlagen wären.
Darüber hinaus hatte Magdeburg zum Beispiel den Vorteil, dass direkt am Grundstück eine 380-kV-Leitung vorbeiführt. Das erspart natürlich unheimlich Zeit und Aufwand, beispielsweise für den Stromanschluss. Eine Gasversorgung verläuft ebenfalls über das Gelände. Somit war die Infrastruktur zu einem guten Teil schon reif. Insofern war es auch ein Riesenvorteil von Magdeburg, dass die Stadt mit dieser Fläche bereits in der Vergangenheit an Standortwettbewerben um Großprojekte teilgenommen hatte. Das wird sicher auch bei anderen Standorten, die dieses Mal nicht zum Zug gekommen sind, in der Zukunft so sein. Die viele Arbeit, die wir gemeinsam in diesen Standortwettbewerb gesteckt haben, ist also nicht vergebens.
Ganz generell muss man dem Land Sachsen-Anhalt und der Stadt Magdeburg mit der Beigeordneten für Wirtschaft, Sandra-Yvonne Stieger, sowie ihrem ganzen Team hier ein Riesenlob aussprechen. Egal, was passierte, die Stadt wollte das Projekt unbedingt. Das merkte man daran, dass innerhalb kürzester Zeit Lösungsvorschläge kamen, im Urlaub riesige Fragebögen bearbeitet wurden und so weiter.
Nach dieser ersten Hürde gab es natürlich weitere. Wie ging es nach diesem ersten Ergebnis weiter?
Die reine Fläche ist natürlich schön und gut, aber dann steigen Sie sukzessive immer tiefer in die Details zu Strom-, Wasser- und Gasversorgung ein. Auch der Erwerb der Grundstücke, Feldhamster-Umsiedlung, Emissionen von Kühen — ja, auch damit beschäftigt man sich während so eines Projekts — bis zur Fachkräfteentwicklung und -gewinnung, möglichen neu anzusiedelnden Fraunhofer-Instituten und so weiter sind zu diskutieren. Sie können sich vorstellen, wie viel es abzuklären gibt.
Auf der einen Seite gibt es den ganzen politischen Komplex und die Förderfähigkeit eines solchen Riesenprojekts und auf der anderen gibt es zig, wenn nicht hunderte Stunden Besprechungen zu technischen Voraussetzungen. Sie sprachen ja schon an, wie herausfordernd es ist, eine Leading-Edge-Fab zu planen und zu bauen.
Welche zusätzlichen Herausforderungen brachte die Corona-Pandemie mit sich und wie haben Sie diese gemeistert?
Das war in der Tat etwas Besonderes. Normalerweise hätte Intel hier wohl deutlich häufiger Vor-Ort-Besuche durchgeführt, aber wir hatten ja Reisebeschränkungen. Direkt zu Anfang war Pat Gelsinger mehrfach öffentlichkeitswirksam in Deutschland gewesen. Dafür mussten wir hinter den Kulissen beispielsweise Einladungen schreiben und vor allem Ausnahmen von den damals geltenden Quarantäneregelungen genehmigt bekommen. Das war für mich natürlich völlig neu und hat mich über einen Tag Zeit gekostet. Ich hätte nie gedacht, dass ich mir für eine Ansiedlung mal einen Tag lang die Finger mit den Gesundheitsämtern und der Bundespolizei wund telefonieren muss! Letztlich hat aber alles wunderbar geklappt.
Intel hat bestimmt auch in anderen europäischen Ländern angeklopft. Warum hat sich der Konzern für Deutschland und den Standort Magdeburg entschieden?
Ja, natürlich hat Intel alle Optionen geprüft. Zunächst einmal sprechen ganz klar die harten Faktoren für Deutschland und Magdeburg: eine sehr große, flache Fläche am Rande einer Großstadt. Im Umkreis von Magdeburg liegen sieben Universitäten und Hochschulen, mit denen Intel Fachkräfte entwickeln kann, und die Stadt hat das Potenzial für Zuzügler und Neuansiedlungen von Zulieferern.
Außerdem bildet Magdeburg gemeinsam mit den Regionen Dresden und Erfurt/Jena ein neues mitteldeutsches Dreieck, das das deutsche und wohl auch europäische Zentrum der Halbleiterproduktion ist und künftig noch stärker sein wird. Und nach Berlin und Wolfsburg ist es ebenfalls nicht weit. Die infrastrukturellen Vorteile hatte ich bereits erklärt.
Wir waren immer sehr schnell, und allen war die Tragweite bewusst. Und auch die Vertraulichkeit war stets gewahrt. In den Medien wurde ja stets über Standorte spekuliert – teilweise ohne wirkliche Grundlage. Das war amüsant zu beobachten. Dieser Einsatz und unbedingte Wille aller Beteiligten im Kanzleramt, Bundeswirtschaftsministerium, GTAI, dem Land Sachsen-Anhalt und der Stadt Magdeburg ist nicht zu unterschätzen und hat zu viel Vertrauen geführt.
Als Intel diesen Prozess anstieß, war der EU Chips Act noch gar nicht geboren. Hätte sich Intel auch ohne diese Förderung entschieden, in Magdeburg zu bauen?
Komplett ohne Förderung sind Halbleiterwerke in Europa auf längere Sicht wohl eher illusorisch. Wir konnten ja die vergangenen zwei Jahrzehnte ganz gut beobachten, wo in der Welt sich neue Werke ansiedelten und warum. Man muss es nicht mögen, aber wir werden in den USA und Europa wohl weiterhin nicht umhinkommen, uns auf einen Wettbewerb zwischen Staaten auch mittels Fördermitteln einzustellen. Ansonsten überließen wir anderen dieses Feld langfristig komplett.
Da die Investitionskosten für Leading-Edge-Produktion mittlerweile auch so exorbitant hoch sind, dass nur noch sehr wenige Firmen weltweit das überhaupt stemmen können, kann man es aber auch so interpretieren, dass wir alle gemeinsam – private Industrie und Öffentlichkeit – mittels Fördermitteln die Fortschreibung des Mooreschen Gesetzes und die Weiterentwicklung des technischen Fortschritts sicherstellen. Die Firmen schaffen diese enormen Investitionen auch immer weniger allein.
Neben dem komplett neuen Werk, das nach Magdeburg kommt, hatte Intel ja nach einer Brownfield-Anlage für das Packaging angefragt. Was ist eigentlich daraus geworden?
Das wäre ein zusätzliches Schmankerl gewesen. Ganz zu Anfang haben wir Bestandsgebäude angeboten, da wirklich sehr kurzfristig von Intel Kapazität gesucht wurde. Wir hatten auch ein paar Ideen, die auf fruchtbaren Boden gefallen sind – viele für die Halbleiterindustrie geeignete Gebäude, die kurzfristig frei sein können, gibt es nicht auf der Welt.
Trotz positiver Rückmeldung auf einen unserer Vorschläge ging die Investition im Mai 2021 dann doch nach Rio Rancho im US-Bundesstaat New Mexico. Aber auch hier gilt: Wenn es in Deutschland geeignete nutzbare Gebäude gibt, bin ich immer interessiert. Man weiß nie, wen wir damit von einer Investition in Deutschland überzeugen können.