Q.ANT und IMS CHIPS

Photonische KI-Chips: Neues Leben für alte Fabs

23. Februar 2025, 12:11 Uhr | Heinz Arnold
Dr. Michael Förtsch; CEO von Q.ANT: »Das Projekt mit IMS CHIPS liefert Inspiration für das Upcycling von existierenden Chip-Foundries. Damit stärkt es die technologische Souveränität der europäischen Chipproduktion, reduziert die Abhängigkeit von globalen Lieferketten und unterstreicht Europas Innovationskraft im Halbleiterbereich.«
© Q.ANT

Q.ANT verwandelt veraltete Fabs in moderne Zukunftsschmieden: Dort können jetzt mit Hilfe des eigenen Prozesses energieeffiziente, analoge, photonische KI-Chips für Datenzentren gefertigt werden, nach denen deren Betreiber händeringend suchen.

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Dazu hat Q.ANT mit IMS CHIPS am Institut für Mikroelektronik in Stuttgart einen Partner gewonnen, um dort gemeinsam eine Pilotlinie für die Fertigung ihrer völlig neuen photonischen KI-Prozessoren aufzubauen. Damit schlägt Q.ANT zwei Fliegen mit einer Klappe: Erstens gelingt mit Hilfe der industriellen Fertigung unter eigener Kontrolle der Transfer der neuen Technologie vom Labor in die Kommerzialisierung, zweitens lässt sich in Europa ein Ökosystem für die Produktion der neusten IC-Generationen aufbauen. Diese neuen KI-Beschleuniger werden es erlauben, Rechenzentren trotz hoher KI-Lasten nachhaltig und effizient zu betreiben: Q.ANT haucht alten Fabs, die kurz vor der Ausmusterung stehen, neues Leben ein. 

»Weil KI und datenintensive Anwendungen die konventionelle Halbleitertechnologie an ihre Grenzen bringen, müssen wir die Art und Weise, wie wir das Computing im Kern angehen, neu denken. Q.ANT stellt den Status-quo in Frage, indem es photonische Datenverarbeitung nutzt, um eine exponentiell höhere Energieeffizienz und Rechendichte zu erreichen«, sagte Dr. Michael Förtsch, CEO von Q.ANT, anlässlich der Eröffnung der Pilotlinie bei IMS CHIPS. »Mit dieser Pilotlinie beschleunigen wir die Markteinführung und legen den Grundstein für eine Zukunft, in der photonische Prozessoren zu Standard-Co-Prozessoren in Hochleistungsrechnern werden. Unser Ziel ist es, unsere photonischen Prozessoren bis 2030 zu einem skalierbaren und energieeffizienten Eckpfeiler der KI-Infrastruktur zu machen, wir bauen eine nachhaltige KI-Chiptechnologie „Made in Germany“ auf.«

Auf einen Blick: Die KI-Chips und ihre Pilotlinie 

Als wichtiger Eckpfeiler in der Wertschöpfungskette ermöglicht die Pilotlinie Q.ANT, seine Chip-Architektur weiterzuentwickeln, um zukünftigen Anforderungen im Markt gerecht zu werden. Sie wird jährlich bis zu 1.000 Wafer produzieren, die als R&D-Basis für Q.ANTs photonische Native Processing Units und Native-Processing-Serverlösungen (NPS) für High-Performance-Computing-Rechenzentren dienen.

Die Pilotlinie ist speziell für Thin-Film Lithium Niobat (TFLN) ausgelegt, das optimale Material für photonische Berechnungen und entscheidend für den Erfolg der Technologie. Es ermöglicht eine ultraschnelle optische Signalmanipulation bei mehreren GHz, ohne dass Wärme zur Modulation des Lichts auf dem photonischen Schaltkreis erforderlich ist. Dieser Vorteil führt zu einer präziseren und energieeffizienteren Steuerung des Lichts, woraus eine erhebliche Steigerung der Rechenleistung und Energieeffizienz resultiert.

Anwendungen, Roadmap und Auswirkungen

Die photonischen Native Processing Server (NPS) von Q.ANT verarbeiten Daten mithilfe von Licht und nicht mit Elektronen wie in herkömmlichen CMOS-Prozessoren. Dieser Paradigmenwechsel ermöglicht es Q.ANT, mathematische Operationen künftig viel effizienter durchzuführen. Q.ANT hat das Potenzial der Technologie bereits in Cloud-zugänglichen KI-Inferenzdemos gezeigt. Durch die PCIe-Integration können die NPS von Q.ANT in bestehende HPC-Server integriert werden, was die Akzeptanz im Markt erleichtert.

Q.ANT plant, seine Native Processing Server (NPS) als elementaren Baustein der KI-Infrastruktur zu etablieren, um die für die KI der nächsten Generation erforderlichen Rechenaufgaben effizient zu lösen. Sie sind für die aktuelle Halbleitertechnologie zu komplex, zu energieintensiv und daher zu teuer.

Mögliche Anwendungsbereiche sind:

  • Training/Inferenz für KI-Modelle mit Milliarden von Parametern
  •  Physikalische Simulationen
  • Echtzeitlösungen für partielle Differentialgleichungen (z. B. Fluiddynamik)
  • Tensoroperationen mit hoher Dichte (grundlegend für maschinelles Lernen)

 

Um das zu verstehen, werfen wir einen genaueren Blick auf die neue Pilotlinie bei IMS CHIPS: Sie arbeitet zum größten Teil mit den dort bestehenden Maschinen, die für die Fertigung von ICs auf Basis älterer Prozessknoten, beispielsweise mit 90-nm-Strukturen, ausgelegt sind. 

Neues Leben für alte Fabs

Doch die neuen Prozesse, die Q.ANT für die Fertigung ihrer weltweit einzigartigen photonischen KI-Beschleuniger entwickelt hat, erwecken diese veraltete Linie zu neuem Leben: Jetzt können hier die modernsten KI-Chips gefertigt werden, die dem High-Performance-Computing einen gewaltigen Schub nach vorne geben werden – und zwar mit Know-how und Fabs, die hier in Europa entstehen, um die Chips in die Welt zu liefern, auf die die Betreiber von Datenzentren sehnsüchtig warten: Denn sie senken die Leistungsaufnahme gegenüber den herkömmlichen KI-Beschleunigern, die mit Hilfe von Transistoren und Elektronen digital arbeiten, um den Faktor 30 und gleichzeitig erhöht sich die Performance um das 50-fache – eine gewaltige Verbesserung. 

Einzigartige Kombination: analog und photonisch

Wesentlich ist dabei, dass die neuen Prozessoren von Q.ANT erstens nicht digital, sondern analog arbeiten und zweitens nicht mit Elektronen, sondern mit Photonen, also mit Licht. In dieser Kombination liegt das eigentliche Neue. Diese Kombination erst ermöglicht hat ein besonderes Material, an dem Q.ANT seit Gründung des Unternehmens im Jahr 2018  gearbeitet hat: Thin-Film Lithium Niobat, kurz TFLN, erlaubt es, das Licht sehr effektiv zu steuern – viel effektiver als es mit Chips möglich wäre, die auf Basis von Silizium arbeiten, ein Material, das sich dafür nach den Worten von Förtsch ganz und gar nicht eignet: »Deshalb haben wir vor sechs Jahren eine mutige Wette auf Thin-Film Lithium Niobat abgeschlossen, und heute verschafft uns diese Entscheidung einen bedeutenden Vorteil.«

Weltweit anerkannter Durchbruch 

Denn mit Hilfe von TFLN können die photonischen KI-Beschleuniger von Q.ANT so präzise arbeiten, dass sie – obwohl analog – vollkommen vertrauenswürdige Ergebnisse liefern: Eine Weltpremiere, die Q.ANT erstmals im Sommer vergangenen Jahres der Öffentlichkeit präsentieren konnte – und die von den potenziellen Anwendern, vor allem von den potenziellen Anwendern in den USA und in Asien – als Durchbruch gefeiert wurde. 

TFLN hat einen weiteren wesentlichen Vorteil:  Es ist kompatibel zu bestehenden CMOS-Prozessen, die entsprechenden Linien müssen nur minimal angepasst werden. Q.ANT hat die Linie bei IMS CHIPS lediglich um Standardmaschinen im Wert von nicht mehr als 14 Mio. Euro ergänzt, die ohne Schwierigkeiten am Markt erhältlich sind.  

Ein Wafer von Q.ANT, der mit Hilfe des TFNL-Prozesses verarbeitet worden ist.
Ein Wafer von Q.ANT, der mit Hilfe des TFNL-Prozesses verarbeitet worden ist.
© Q.ANT

Deshalb kann Q.ANT diese neuen Chips erstmals auf einer Fertigungslinie im Industriemaßstab produzieren – ein weiterer Durchbruch, der das Unternehmen von allen anderen Herstellern von KI-Beschleunigern unterscheidet. »Durch die Kombination unserer Photonik-Expertise mit unserer durchgängigen Kontrolle der Wertschöpfungskette – vom Rohmaterial bis zum fertigen Prozessor – sind wir einzigartig positioniert, um die nächste Generation des Computing voranzutreiben und die Energie- und Leistungsherausforderungen von KI und HPC neu zu gestalten«, erklärt Förtsch.

»Kein GPU-Ersatz, sondern ein neues Ökosystem!«

Dabei verfolgt Q.ANT nach den Worten von Förtsch nicht die Strategie, die heutigen KI-Beschleuniger, also die GPUs wie sie beispielsweise Nvidia und AMD entwickeln und vermarkten, zu ersetzen: »Vielmehr wollen wir das Compute-Ökosystem der nächsten Generation völlig neu aufstellen«, erklärt Förtsch. »So wie die GPUs die CPUs ergänzt haben, wird die Photonik den nächsten Sprung der KI ermöglichen – und zwar nachhaltig.«

Noch ein weiterer wesentlicher Vorteil kommt hinzu: Die kleinsten Strukturen auf den analogen photonischen KI-Beschleunigern von Q.ANT sind um Größenordnungen gröber als die Strukturen, mit deren Hilfe die neusten herkömmlichen digitalen KI-GPUs zu horrenden Kosten gefertigt werden müssen. Statt 2 nm reichen 90 nm aus. 

Das bedeutet, dass existierende Fabs, die nur noch »veraltete« Chips mit geringen Margen fertigen können und deren Weiterbetrieb sich kaum noch lohnt, plötzlich ein vollkommen neues Leben eingehaucht bekommen: »Von solchen Fabs gibt es gerade in Deutschland und in Europa sehr viele. Dort nun mit Hilfe unseres Prozesses die modernsten KI-Beschleuniger herstellen zu können, die den Energiebedarf von Rechenzentren um Faktoren reduzieren, bedeutet eine große Chance für Europa«, freut sich Michael Förtsch. »Das Projekt liefert damit Inspiration für das Upcycling von existierenden Chip-Foundries. Damit stärkt es die technologische Souveränität der europäischen Chipproduktion, reduziert die Abhängigkeit von globalen Lieferketten und unterstreicht Europas Innovationskraft im Halbleiterbereich.«

Davon ist auch Prof. Dr.-Ing. Jens Anders, Institutsleiter von IMS CHIPS, überzeugt: »Die Pilotlinie am IMS CHIPS beweist, dass transformative Technologien auf der bestehenden Infrastruktur optimal genutzt werden und als Blaupause für die Zukunft des energieeffizienten Computings der nächsten Generation dienen können. Dies geschieht zu einem kritischen Zeitpunkt für die Computerindustrie, weil das exponentielle Wachstum von KI und datenintensiven Anwendungen die aktuelle Rechenzentrumsinfrastruktur zeitnah überfordern wird.«

Endlich einmal: Vom Lab in die Kommerzialisierung

Die Eröffnung der Pilotlinie ist deshalb ein so wichtiger Schritt, weil es jetzt gelingen kann, einen in Deutschland entwickelten Prozess vor Ort in die industrielle Fertigung zu bringen – genau der Transfer-Prozess, der in Deutschland so schmerzlich oft nicht funktioniert: Erfunden und entwickelt wird in Deutschland, die Industrialisierung und Kommerzialisierung findet dann in Asien oder den USA statt – den großen Umsatz und Gewinn machen andere.   

Jetzt besteht die große Chance, es besser zu machen, wie Prof. Dr. Jens Anders erklärt: »Im Rahmen der Zusammenarbeit mit Q.ANT nutzen wir unsere Expertise in der Halbleiterfertigung, um die Entwicklung und Industrialisierung der nächsten Generation von photonischen Prozessoren zu unterstützen und gleichzeitig ein reproduzierbares Modell für energieeffizientes Computing zu schaffen – ein entscheidender Schritt für die Zukunft der KI.« 

Auch Dr. Nicole Hoffmeister-Kraut, Ministerin für Wirtschaft, Arbeit und Tourismus, die ebenfalls anlässlich der Eröffnung der Pilotlinie zu IMS CHIPS gekommen war, teilt diese Vision: »Der Start dieser Pilotlinie ist eine wunderbare Nachricht für Baden-Württemberg und für Deutschland. Er ist ein entscheidender Schritt, um unsere Führungsrolle in einer wegweisenden Schlüsseltechnologie zu behaupten und voranzutreiben. Unternehmen wie Q.ANT versprechen fulminante Technologiesprünge. Wir engagieren uns schon seit vielen Jahren, damit Infrastruktur und Kompetenzen hier am IMS CHIPS nachhaltig modernisiert und ausgebaut werden können.« 


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