Die DLR Quantencomputing-Initiative (DLR QCI) hat die Unternehmensberatung d-fine und planqc beauftragt, im Rahmen des DLR QCI-Projekts QuantiCoM die Entwicklung neuer Materialien über Simulationen voranzutreiben.
Die Entwicklung neuer Materialien ist ein entscheidender Faktor für Innovationen in Industrie und Wissenschaft. Doch herkömmliche Methoden zur Simulation hochkomplexer Materialeigenschaften stoßen zunehmend an ihre Grenzen. Hier setzt das DLR QCI-Projekt QuantiCoM unter der Leitung des DLR-Instituts für Werkstoff-Forschung und des DLR-Instituts für Materialphysik im Weltraum an. Es nutzt Quantencomputer, um Entwicklungszeiten drastisch zu reduzieren und so die Identifikation neuer Materialien zu beschleunigen. Von den neuen Methoden sollen Materialwissenschaft, Werkstofftechnik und Industrien, wie die Luft- und Raumfahrt oder die Automobilindustrie, profitieren.
Denn in der Luftfahrt sind Materialien, die extremen Umwelteinflüssen und chemischen Prozessen standhalten, essenziell. Die Ergebnisse der Quantensimulationen könnten dazu beitragen, widerstandsfähigere Materialien zu entwickeln und die Langlebigkeit von Flugzeugbauteilen entscheidend zu erhöhen.
Auch ExoMatter und Airbus dabei
In den Ausschreibungen für QuantiCoM | QALPHAD und QuantiCoM | AMQS suchte die DLR QCI nach Auftragnehmern, um die Weiterentwicklung Materialsimulationen auf Basis von Quantencomputern zu unterstützen. Den Zuschlag erhielten in beiden Fällen d-fine und der Quantencomputer-Hersteller planqc. Zur Umsetzung der Projekte sicherten sie sich die zusätzliche Expertise des Simulationsspezialisten ExoMatter und die fachliche Beratung durch Europas führenden Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus.
Gemeinsam wird nun an praxistauglichen Verfahren für industrielle Anwendungen gearbeitet, darunter die Entwicklung von leichteren Materialien für die Luft- und Raumfahrt, um Treibstoffverbrauch zu reduzieren, aber auch von besonders widerstandsfähigen Materialien, die die Langlebigkeit von Flugzeugbauteilen erhöhen.
Materialeigenschaften durch Quantensimulationen vorhersagen
Im Rahmen von QuantiCoM | QALPHAD wird erforscht, wie sich Materialeigenschaften durch Quantensimulationen präziser vorhersagen lassen. Ein konkreter industrierelevanter Anwendungsfall dafür ist die Optimierung von Leichtbaulegierungen für Strukturbauteile. In der Luft- und Raumfahrt ist das Gewicht der Bauteile von entscheidender Bedeutung. Leichtbaulegierungen, die hohe Festigkeit bei geringem Gewicht bieten, spielen eine Schlüsselrolle bei der Reduzierung des Treibstoffverbrauchs. Die Verbesserung solcher Materialen ist deshalb von großer Bedeutung für die Zukunft der Luftfahrtindustrie.
Für QuantiCoM | QALPHAD wollen die Projektbeteiligten einen Quantencomputer-gestützten Ansatz entwickeln, der auf der CALPHAD-Methode (Computer Coupling of Phase Diagrams and Thermochemistry) basiert. CALPHAD wird in der Materialwissenschaft eingesetzt, um die thermodynamischen Eigenschaften und das Phasenverhalten von Materialsystemen aus mehreren Komponenten vorherzusagen.
Bei stark korrelierten Materialien – also solchen, bei denen Elektronen stark miteinander interagieren – stößt die klassische Berechnung der Eingabedaten für die CALPHAD-Methode jedoch an ihre Grenzen. Hier kommen Quantencomputer ins Spiel: Sie haben im Prinzip einen exponentiellen Vorteil bei der Simulation solch stark korrelierter Materialen im Vergleich zu klassischen Methoden.
Quantum-Embedding-Methoden funktionieren schon jetzt
Zwar sind verfügbare Quantencomputer noch nicht leistungsfähig genug, um realistische Materialien vollständig zu simulieren. Doch die Projektbeteiligten setzen auf sogenannte Quantum-Embedding-Methoden, um die Stärken von Quantencomputern gezielt nutzen zu können. Dabei wird das zu simulierende Materialsystem in zwei Bereiche unterteilt: In aktiven Bereichen (active spaces) befinden sich die stark korrelierten Elektronen, deren Verhalten auf einem Quantencomputer berechnet wird, der hier sein volles Potenzial entfalten kann. Der Rest des Systems, also die Umgebung, wird weiterhin mit klassischen Computern mit ausreichender Genauigkeit berechnet.
Simulation von Wasser und Wasserstoff mit Metallen
Im Rahmen von QuantiCoM | AMQS wird untersucht, wie Quantencomputer die Wechselwirkung von Wasser und Wasserstoff mit metallischen Oberflächen besser simulieren können, um ein besseres Verständnis hierfür aufzubauen und zur Entwicklung neuer metallischer Materialien beizutragen. Zwei zentrale Anwendungen stehen dabei im Fokus: die Verbesserung der Wasserstoffspeicherung für neue Flugzeugantriebskonzepte sowie der Korrosionsschutz für Luft- und Raumfahrtbauteile.
Wasser dient als vielseitiges Lösungsmittel, kann aber die Haltbarkeit von Materialien beeinträchtigen. Wasserstoff ist ein zentraler Energieträger und wird in vielen chemischen Prozessen eingesetzt, kann jedoch Materialien durch Wasserstoffversprödung schwächen. Das Projekt will herausfinden, wie Schutzbeschichtungen oder Oberflächenmodifikationen die Beständigkeit von Bauteilen verbessern können, die in der Luft- und Raumfahrt extremen Umwelteinflüssen und chemischen Prozessen standhalten müssen.
Um die Eigenschaften von Metallen und die Interaktion von kleinen Molekülen an und in ihrer Oberfläche zu simulieren, müssen periodische Systeme untersucht werden. Diese können unterschiedlich groß und rechnerisch anspruchsvoll sein. Auch hier stößt die klassische Simulation von stark korrelierten Systemen an Grenzen, die mithilfe von Quantencomputern überwunden werden können.