Interview mit Michael Förtsch, Q.ANT

»Wir stellen das Compute-Ökosystem neu auf!«

25. Februar 2025, 8:37 Uhr | Heinz Arnold
Michael Förtsch; CEO von Q.ANT: »Das Projekt mit IMS CHIPS liefert Inspiration für das Upcycling von existierenden Chip-Foundries. Damit stärkt es die technologische Souveränität der europäischen Chipproduktion, reduziert die Abhängigkeit von globalen Lieferketten und unterstreicht Europas Innovationskraft im Halbleiterbereich.«
© Q.ANT

»Eine riesige Chance für Europa!«, sagt Michael Förtsch, CEO von Q.ANT. Denn mit dem neuen Fertigungsmodell auf der Linie von IMS CHIPS kann der Transfer der photonischen KI-Prozessoren vom Lab in die Industrialisierung gelingen und alten Fabs wird neues Leben eingehaucht.

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Markt&Technik: Q.ANT baut zusammen mit IMS CHIPS am Institut für Mikroelektronik in Stuttgart eine Pilotlinie auf, um die über Jahre entwickelten weltweit ersten Photonik-Prozessoren in Eigenregie fertigen zu können. Sie sprechen von einer einzigartigen Linie. Was ist das Einzigartige daran?

Michael Förtsch, CEO von Q.ANT: Wir entwickeln einen analogen Prozessor basierend auf Photonik, der sich insbesondere für die Berechnung komplexer mathematischer Probleme eignet, wie sie im KI-Bereich auftreten – in dieser Kombination ist das einzigartig. Im November letzten Jahres haben wir unsere photonische Native Processing Unit, kurz NPU, für den Einsatz in HPCs vorgestellt. Bisher haben wir die Chips für die NPU mit Partnern rund um die Welt fertigen lassen, die sich auf jeweils spezielle Prozessschritte konzentriert haben. Damit konnten wir zeigen, dass der Chip funktioniert. Jetzt haben wir die Fab von IMS CHIPS gefunden, in der wir alle Prozessschritte bis zur Vereinzelung der Wafer im industriellen Maßstab durchführen können, das ist ebenfalls einzigartig.

Warum bleibt Q.ANT nicht bei dem Modell, in verteilten Foundries weltweit zu fertigen?

Weil dieses Modell nicht dazu geeignet wäre, die Photonic-Prozessoren im industriellen Maßstab in der erforderlichen Qualität zuverlässig fertigen zu können. Uns war von vorneherein klar, dass dies nur funktionieren würde, wenn wir die Chips in Eigenregie auf einer industrietauglichen Linie fertigen und die volle Kontrolle über den Herstellungsprozess haben, ohne dass die Wafer verschiedene Fabs durchlaufen müssen. Deshalb haben wir weltweit nach geeigneten Fabs und nach Partnern gesucht, um den Sprung aus der Fertigung im Labormaßstab in die Industrie zu vollziehen. 

Dann sind sie nach der weltweiten Suche ausgerechnet vor der Haustür in Stuttgart fündig geworden?

Ja, das hat mehrere Gründe. Erstens sind unsere photonischen NPUs zwar sehr leistungsfähig – sie können für KI-Berechnungen eine 50fach höhere Leistung erreichen und verbrauchen dabei um den Faktor 30 weniger Energie – aber die Strukturen auf unseren Chips sind viel gröber als die Strukturen auf den heutigen KI-Chips, die auf Basis von Silizium und Elektronen rechnen. Für die Fertigung unsere photonischen Chips reichen also bestehende »veraltete« Fabs aus, die in den 90er Jahren entstanden sind und heute kaum noch in der Lage sind, wettbewerbsfähig sinnvolle Produkte im CMOS-Bereich herzustellen. Davon gibt es weltweit eine Menge, insbesondere aber auch in Deutschland. Wir wollen die GPUs von Firmen wie Nvidia und nicht ersetzen. Wir wollen vielmehr das Compute-Ökosystem der nächsten Generation völlig neu aufstellen. So wie die GPUs die CPUs ergänzt haben, wird die Photonik den nächsten Sprung der KI ermöglichen – und zwar nachhaltig.«

Was musste an der bestehenden Linie von IMS CHIPS geändert werden, um die Prozessoren von Q.ANT dort fertigen zu können?

Wir haben festgestellt, dass IMS CHIPS schon über viele Maschinen verfügt, die wir benötigen. Es waren lediglich vier weitere Anlagen erforderlich, die wir für 14 Mio. Euro kaufen konnten, um die Pilotlinie bei IMS CHIPS zu vervollständigen. Es reichten also verhältnismäßig niedrige Investition aus, weshalb IMS CHIPS sehr gut zu uns gepasst hat. Dann hat sich auch noch herausgestellt, dass die Partnerschaft mit dem Team von IMS CHIPS hervorragend funktioniert, seit vielen Jahren. 

Welche besonderen zusätzlichen Maschinen sind denn erforderlich?

Es handelt sich um Maschinen, mit deren Hilfe wir unser besonderes Material, eine dünne Schicht aus Lithiumniobat, verarbeiten, ohne die unsere photonischen Prozessoren nicht denkbar wären. Dieses Material und der zugehörige Prozessschritt stellen unser Kern-Know-How dar. Bei den Maschinen selbst handelt es sich um Standardprodukte, die auf dem Markt problemlos erhältlich sind.   

Warum verbirgt sich hinter diesem Material und dem zugehörigen Fertigungsprozess das eigentliche Geheimnis der photonischen Chips von Q.ANT?

Um das verständlich zu machen, muss ich etwas ausholen. Zwei Dinge unterscheiden unseren Prozessor fundamental von allem, was es bisher gab. Erstens handelt es sich um einen analogen Prozessor. Zweitens arbeitet er nicht mit Elektronen, sondern mit Licht. 

Aber an analogen Prozessoren wird ja schon länger gearbeitet, auch Licht anstelle von Elektronen zu nutzen, ist keine ganz neue Idee und in beiden Bereichen gibt es Unternehmen, die entsprechende Produkte auf den Markt bringen wollen? 

Auch das stimmt, beides gab es schon vor Q.ANT. Aber niemals zuvor erfolgreich in der Kombination analog plus Licht in einem integrierten Schaltkreis! Und dabei spielt wieder unser Material eine ganz besondere Rolle. Wie gesagt, analoge Prozessoren gab es schon früher, auch auf Basis von Silizium und Elektronen. Denn die Vorteile, die es bringt, Berechnungen analog statt digital durchzuführen – besonders die unerreichte Energieeffizienz – waren schon sehr lange bekannt. Doch zwei Hürden konnten niemals überwunden werden: Erstens ist die Programmierung der analogen Prozessoren komplex und mühsam, weil viele analoge Parameter eingestellt werden müssen. Zweitens haben die analogen Rechenwerke niemals die erforderliche Präzision erreicht, um vertrauenswürdige Ergebnisse liefern zu können. Auch im Sektor der analogen optischen Chips war Q.ANT nicht das erste Unternehmen. Doch alle, die sich bisher daran versucht hatten, setzten auf reine Silizium-ICs, weil sie sich auf gewöhnlichen CMOS-Linien kostengünstig fertigen lassen. Alles andere hätte Investoren von vorneherein abgeschreckt. Silizium ist allerdings ein denkbar schlechtes Material, um Licht effizient steuern zu können! 

Ist es also erforderlich, sich doch von den kostengünstigen CMOS-Linien zu verabschieden?

Nicht ganz. Wir waren von Anfang an überzeugt, dass es nicht sinnvoll ist, photonisch integrierte Schaltkreise auf Basis von Silizium bauen zu wollen. Dann wären immer Kompromisse nötig gewesen, die schlussendlich dazu führen, dass die geforderte Präzision nicht erreicht werden kann. Deshalb haben wir von Anfang an auf Dünnfilm-Lithiumniobat gesetzt – und damals ganz bewusst gegen den Markt gewettet. Gefertig werden können diese Chips aber trotzdem auf den Maschinen der CMOS-Linien – nur eben mit unseren Prozessen. 

Schlussendlich mit Erfolg….

… wie wir im vergangenen Jahr in Atlanta in den USA gezeigt haben – unser Konzept funktioniert und jetzt steht fest: Für KI ist bei weitem nicht die hohe Energiemenge erforderlich, von der heute alle sprechen – und die sie offenbar als gegeben hinnehmen. 

Ist es tatsächlich klar geworden, dass dem kleinen Start-up aus Deutschland ein wesentlicher Durchbruch gelungen ist?

In den USA schon: Was vorher von den meisten Experten für unmöglich gehalten wurde, haben wir geschafft. In der Community wurde unser Durchbruch sehr genau wahrgenommen und als solcher anerkannt. Dafür wurden wir in den USA richtiggehend gefeiert! In Atlanta habe ich nach unserer Präsentation ein Interview nach dem anderen gegeben, nicht nur für die Fachmedien! Anstatt wie geplant, wieder nach Deutschland zurückzukehren, durften wir unsere Pläne spontan ändern und sind direkt ins Silicon Valley geflogen, weil die großen Unternehmen dort sofort aus erster Hand unterrichtet werden wollten. Ich kann mich noch genau erinnern, wie wir im Silicon Valley im Waschsalon saßen, um zu unseren neuen Terminen wenigstens in sauberer Wäsche erscheinen zu können.  

Haben diese Unternehmen danach noch etwas von sich hören lassen?

Ja, sie sind nach wie vor sehr interessiert. Wir führen regelmäßig direkte Gespräche, sie wollen alle paar Wochen darüber unterrichtet werden, welche Fortschritte wir machen. 

Dann können Sie mit der Pilotlinie in Stuttgart also einen weiteren wichtigen Erfolg melden?

Ja, das ist ein sehr wichtiger Schritt. Zwar funktionieren unsere Prototypen bereits, aber die Hyperscaler können wir nur überzeugen, wenn wir unsere Prozessoren in der richtigen Qualität und hochzuverlässig liefern können, also wenn wir unsere Produkte auf Basis industrieller Standards auf kommerziellen Linien fertigen. Die Pilotlinie ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg, den Transfer in die Industrie zu vollziehen. Weil wir jetzt die Wafer nur einmal in den Reinraum einschleusen müssen und er mit den fertig vereinzelten Dies den Reinraum verlässt, steigt die Qualität in der Fertigung gegenüber unserer bisherigen, über mehrere Fabs weltweit verteilten Vorgehensweise stark an. Weil wir alles vor Ort in Stuttgart unter Kontrolle haben, können wir unsere Entwicklungen jetzt stark beschleunigen, ein weiterer wichtiger Schritt auf dem Weg zu Kommerzialisierung.  

Was geschieht, nachdem die Wafer den Reinraum verlassen haben?

Wir haben auch bisher die fertig prozessierten Wafer in unseren eigenen Räumlichkeiten auf ihre Eigenschaften charakterisiert und die Chips dann in die Gehäuse gesetzt, teilweise auch zusammen mit Partnern. Das werden wir so fortsetzen. 

Wie viel Kapazität steht in der Pilotlinie nun zur Verfügung?

Zunächst wollen wir klein anfangen: 1000 Wafer-Starts pro Jahr sind zunächst geplant. Wir könnten aber auch schnell auf 10.000 Wafer-Starts pro Jahr hochfahren. Den Prozess in andere Foundries zu portieren, dürfte ebenfalls kein großes Problem sein, davon gibt es wie gesagt genügend in Europa. Aber im Moment wollen wir den Prozess etablieren. 

Wann wird es so weit sein, dass IMS CHIPS Wafer mit den photonischen Chips in Stückzahlen fertigt?

Wir rechnen damit, dass die Maschinen bis Mitte des Jahres in Stuttgart voll arbeiten können und dass auch die Prozesse von den bestehenden Foundries bis um diese Zeit in die Pilotlinie portiert sein werden. Ab Ende 2025 soll die Pilotlinie voll arbeitsfähig sein und in Stückzahlen produzieren.  

Dann will Q.ANT für die Kunden weltweit produzieren, die vor allem in den USA und in Asien sitzen? 

Wir hatten uns bei Q.ANT von Anfang an vorgenommen, zuerst einmal für die eigene Entwicklung zu fertigen. Ich hatte schon gesagt, dass es viele Produktionslinien hierzulande und in Europa gibt, die sich jetzt hervorragend dazu nutzen ließen, absolute High-End-Chips für High-End-KI-Anwendungen zu produzieren. Ich sehe das als eine große Chance für Europa an.   

Sie arbeiten aber doch vor allem mit den großen Herstellern in den USA zusammen, um die photonischen KI-Beschleuniger in die Datenzentren zu bringen?

Wir freuen uns natürlich über die hohe Nachfrage, der sich unsere Prozessoren schon jetzt im Prototypen-Stadium erfreuen. Die Nachfrage kommt übrigens nicht nur aus den USA, auch in Asien sind wir wegen unseres Durchbruchs im vergangenen Jahr bekannt und es kommen viele Anfragen. 

Aber weniger aus Europa?

Hier gibt es auch große Rechenzentren. Ich könnte mir gut vorstellen, dass die Hyperscaler mit uns vor Ort zusammenarbeiten würden, um die europäischen und deutschen Kunden direkt bedienen zu können. Wie gesagt, das ist eine Chance für Europa. 

Vorher sprachen Sie davon, dass auch digitale Funktionen integriert sind. Es handelt sich bei den photonischen NPUs also nicht um reine analoge KI-Beschleuniger, sondern um ein vollständiges System mit digitalen Komponenten?

Der Kern des Beschleunigers arbeitet rein analog und mit Licht. Wir integrieren aber um diesen Kern herum sehr viele digitale Komponenten, so dass das fertige Produkt einfach eingesetzt werden kann. Auch in dieser Hinsicht sind wir die ersten weltweit, die so etwas anbieten. Unser Ziel ist es, die fertigen photonischen Prozessoren in Form von Servern zu liefern. Bis dahin werden aber voraussichtlich noch zwei Jahre vergehen. Wir haben unsere Architektur auf den Namen »LENA« getauft, die Abkürzung steht für Light Empowered Native Arithmetics. Hier sind die Compiler, die Treiber, die Speicheranbindungen und die übrigen Funktionen integriert, die erforderlich sind, um zu den bestehenden Systemen voll kompatibel zu sein. Für den Endanwender bedeutet dies: Er kann seinen bestehenden Server ausbauen, indem er unser System einfach einschiebt – fertig.
 

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