Toshiba Electronics Europe

Jetzt steht dem Erfolg nichts mehr im Weg

17. September 2024, 8:00 Uhr | Iris Stroh
Armin Derpmanns, Toshiba Electronics Europe: »Der bereits früher gefällten Priorisierung auf Leistungshalbeiter stehen jetzt auch die entsprechenden Ressourcen zur Verfügung, um hier erfolgreich zu sein, einschließlich der Tatsache, dass bei den Entwicklungen auch Marktanforderungen außerhalb Japans berücksichtigt werden.«
© Toshiba Electronics

Toshiba hat bewegte Zeiten hinter sich, auch im Halbleitersegment. Armin Derpmanns, Vice President Marketing & Operations bei Toshiba Electronics Europe, zeigt sich im Gespräch mit Markt&Technik allerdings überzeugt, dass die Privatisierung jetzt endlich den Weg frei zum Erfolg gemacht hat.

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Markt&Technik: Die Toshiba Group hat sich Ende letzten Jahres von der Börse zurückgezogen und fungiert jetzt als Privatunternehmen. Ein Teil der Toshiba Group ist die Halbleitersparte, ein Geschäftsbereich, der sehr kapitalintensiv ist, insbesondere wenn man als IDM mit eigenen Fabs zur Produktion der Halbleiter fungiert. Könnte die Privatisierung zu Schwierigkeiten der Halbleiteraktivitäten führen?

Armin Derpmanns: Nein, ganz im Gegenteil! Bekanntermaßen hatte Toshiba durchaus Probleme, damals ging es vor allem darum, das Unternehmen mit den entsprechenden finanziellen Mittel zu versorgen, um die schwierigen Zeiten zu überstehen. Also wurden Investoren ins Unternehmen geholt, die dieses Problem lösen. Durch die sehr unterschiedlichen Interessenslagen der eingebrachten Investoren war es schwierig, eine klare Richtung für die Zukunft zu definieren.

Die jetzt erfolgte Privatisierung schafft die Möglichkeit, dass sich Toshiba in Ruhe neu ausrichten kann und die Umstrukturierungen durchführt, die für das Unternehmen sinnvoll sind.

Was den Halbleiterbereich angeht, hat eine Verschlankung des Produktportfolios schon vor der Privatisierung stattgefunden. Dort war Toshiba zu breit aufgestellt und der Fokus auf Power-Semiconductors war der vielversprechendste Bereich, durch die Verfügbarkeit von Technologien und Fertigungsmöglichkeiten.

Das heißt, dass nach der Privatisierung die Halbleiteraktivitäten weiter im Fokus stehen?

Ja, Halbleiter waren schon früher ein großer Umsatzträger und Profitbringer gewesen, das gilt auch für die letzten Jahre. Natürlich wurde auch im Halbleiterbereich umstrukturiert, beispielsweise die Ausgliederung unserer Speichersparte in Kioxia oder der Rückzug aus dem ASIC-Geschäft. Man muss aber verstehen, dass sich Toshiba insgesamt technologisch neu orientiert und aufstellt. Das zeigt sich beispielsweise daran, dass heute zum Beispiel Quantum-Computing zu einem der neuen Schwerpunkte zählt. Die Neuausrichtung im Halbleiterbereich ist ein wichtiger Teil der gesamten Erneuerung.

Die Privatisierung hat aber noch weitere Veränderungen zur Folge: Ende letzten Jahres gab es noch vier Inhouse-Companies. Das wurde mittlerweile ebenfalls geändert, heute sind wir in Divisionen aufgeteilt, sodass der ganze Overhead, den jedes einzelne Inhouse-Unternehmen mit sich bringt, wegfallen konnte. Dies hat unter anderem auch den Vorteil, dass damit Gelder freigesetzt werden, die man zumindest langfristig anderweitig investieren kann.

Gibt es Auswirkungen der Privatisierung auf das europäische Halbleitergeschäft von Toshiba?

Auf alle Fälle, denn mit der Privatisierung sind die Übersee-Märkte für Toshiba wesentlich stärker in den Fokus gerückt, und damit auch Europa. Heute sieht Toshiba in Europa große Wachstumschancen. Das sehen wir auch an den Projekten, die wir in Europa identifiziert haben und bei denen wir auch ernsthaft berücksichtigt werden.

Ende letzten Jahres hat Toshiba in Düsseldorf das sogenannte Regenerative Innovation Center (RIC) eröffnet. Steht das RIC auch im Zusammenhang mit der Privatisierung und der Stärkung der Overseas-Märkte?

Ja, wobei ich betonen möchte, dass das RIC keine Halbleiterinitiative ist, sondern ein R&D-Center, welches Themen wie Klimaneutralität und Kreislaufwirtschaft adressiert. Aus diesen Aktivitäten kann auch der Bereich Halbleiter potenziell profitieren. Es zeigt aber ganz klar unseren neuen Ansatz, sprich: die stärkere Ausrichtung auf Overseas-Märkte. Dort wollen wir mit Geschäftspartnern zusammenarbeiten, auch im Bereich Forschung und Entwicklung, aber auch an Standardisierungsaktivitäten teilhaben. Das RIC hat bereits Beratungspartnerschaften mit der RWTH Aachen und der Berguniversität Wuppertal abgeschlossen, wobei wir davon ausgehen, dass diese Partnerschaften dazu führen werden, dass wir auch mit anderen Forschungseinrichtungen und Universitäten in der Europäischen Union zusammenarbeiten werden. Wie Sie sehen, sind wir wirklich stark an einer Verzahnung mit den lokalen Märkten wie Europa interessiert. Die Ergebnisse dieses R&D-Centers werden unterschiedlichen Unternehmensteilen von Nutzen sein.

Auch die Entscheidung, mit Peter Lieberwirth einen Nicht-Japaner zum Europa-Chef zu machen, ist für ein japanisches Unternehmen schon eher außergewöhnlich, oder?

Peter Lieberwirth als Europa-Chef ist eine ganz klare Zusage an den europäischen Markt, die zeigt, dass diese Region wichtig für Toshiba ist. Dies wäre vor einigen Jahren nicht unbedingt so möglich gewesen, aber es zeigt deutlich, dass die Firma neue Wege geht und weiter gehen wird.

In welchen Absatzsegmenten erzielt Toshiba mit seinen Halbleitern die größten Umsätze?

In der Automobilindustrie und im Industriebereich. Wobei ich betonen möchte, dass wir unsere anderen Aktivitäten damit nicht auf Null herunterfahren. Wir sind auch weiterhin beispielsweise in bestimmten Consumer-Applikationen und Hausgehaltsgeräte-Applikationen im asiatischen Bereich engagiert, aber wie gesagt, Automotive und Industrie sind die dominierenden Bereiche, und in diesen Anwendungsbereichen wollen wir auch insbesondere in Europa wachsen. Denn diese beiden Absatzmärkte sind in Europa besonders stark, und darauf stimmen wir auch unsere Investitionen ab.

Sie haben bereits vor drei Jahren in einem Interview mit Markt&Technik erklärt, dass sich Toshiba auf Leistungshalbleiter fokussieren möchte.

Ja, die Entscheidung, sich auf Leistungshalbleiter zu fokussieren, ist schon früh gefallen, wie eben erwähnt. Die erfolgten Investitionen in Technologien und Ausbau der Fertigungskapazitäten brauchen natürlich auch Zeit in der Umsetzung. Deswegen ist es ganz natürlich, dass man die Früchte erst jetzt sieht. Dazu gehört auch die Fokussierung der Ressourcen, die die entsprechenden Ergebnisse wie z. B. neue Produkte nun Stück für Stück sichtbar machen.

Zu der Fokussierung im Power-Bereich gehört auch der Bereich der Ansteuerung. Das heißt, wir bedienen die ganze Kette von Produkten vor dem Leistungshalbleiter, also einschließlich Mikrocontroller, Optokoppler, Digitalisolatoren, Treiber und Analogkomponenten.

Neben Power wird in diesen Bereichen in neue Produkte investiert.

A propos Fertigungskapazitäten: Toshiba hat mit Rohm angekündigt, in den Ausbau der Fertigungskapazitäten zu investieren. Im Zuge dessen erweitert Rohm seine Kapazitäten für SiC-Leistungshalbleiter und SiC-Wafer, Toshiba wiederum baut seine Kapazitäten für Si-Leistungshalbleiter aus. Rohm hatte außerdem angekündigt, sich an der Privatisierung von Toshiba zu beteiligen – klingt ungewöhnlich für zwei Konkurrenten.

Eigentlich nicht. Rohm ist zwar Investor bei Toshiba und wir investieren gemeinsam in zwei Fabs, eine SiC- und eine Low-Voltage-MOSFET-Fab, aber diese Entscheidungen fielen unabhängig voneinander. Dass wir gemeinsam in zwei Fabs investieren, ist der Tatsache geschuldet, dass es in Japan ähnliche Ambitionen gibt wie in den USA und Europa. Auch Japan will im Halbleiterbereich nicht den Anschluss verlieren bzw. seine internationale Wettbewerbsfähigkeit aufrechterhalten und fördert dementsprechend Ansiedelungen von Halbleiterfabriken in Japan. Und in dem Verbund dieser beiden Fabs sieht Japan eine effiziente Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen. Diese gemeinsamen Aktivitäten von Rohm und Toshiba stehen also im direkten Zusammenhang mit dem japanischen Chips-Act.

Wobei solche Aktionen auch nicht wirklich neu sind. Denken Sie nur an unsere damaligen Aktivitäten mit IBM und entsprechenden Partnern. Dort haben wir gemeinsam CMOS-Technologien entwickelt und so kompatibel gestaltet, dass man in unterschiedlichen Partnerfabriken produzieren konnte. Der Ansatz im Bereich Power ist nicht exakt der gleiche, aber ähnlich geartete Kooperationen gab es schon vorher. Nur ist der geopolitische Hintergrund diesmal eines der wichtigen Elemente dieser Entscheidung, und die gemeinschaftliche Produktion steht hier erstmal im Vordergrund.

Was anderes ist es, wenn es darum geht, gemeinschaftliche F&E-Aktivitäten oder Komponentenentwicklung zu betreiben. Damit will ich sagen, dass jeder von uns, also Rohm und Toshiba, seine eigene Technologieentwicklung weiter vorantreiben wird.

Zurück zu den Leistungshalbleitern. Toshiba hat große Ambitionen in diesem Produktbereich, fängt jetzt aber erst mit GaN an.

Wie schon gesagt: Toshiba hat sich bereits vor Jahren entschieden, diesen Produktbereich besonders zu forcieren und entsprechend zu investieren – und zwar in die gesamte Palette, angefangen bei Low-Voltage-MOSFETs bis hin zu High-Power-Lösungen. Hier wurde die Priorität zuerst auf SiC gelegt. Natürlich dauert es eine gewisse Zeit, bis sich diese Investitionen in Produkten widerspiegeln. In Hinblick auf SiC würde ich aber sagen, dass wir richtig Gas gegeben haben; unsere mittlerweile dritte Generation ist extrem konkurrenzfähig. Dass GaN bei uns erst jetzt kommt, ist also einfach der Tatsache geschuldet, dass wir zunächst SiC priorisiert haben.

Das heißt aber definitiv nicht, dass wir bei GaN den Anschluss verpasst oder Marktanteile schon verloren haben. Der GaN-Markt ist aus unserer Sicht ein Markt, der stark wächst; es wird jedoch noch eine gewisse Zeit dauern, bis der Markt wirklich eine signifikante Größe erreicht hat. Dementsprechend sind wir durchaus zuversichtlich, dass wir bis dahin die richtigen Produkte auf den Markt gebracht haben, mit denen wir dann auch Marktanteil gewinnen können.

Wie bereits bei Markt&Technik erwähnt, werden wir als erste Variante einen Normally-on-GaN-FET anbieten. Dieser GaN-FET wird in einer Kaskodenschaltung mit einem Low-Voltage-MOSFET betrieben. Letzterer verfügt über einen speziellen integrierten Treiber, um automatisch den Einschaltmoment zu kontrollieren. Darüber hinaus werden aber auch Normally-on-Typen sowie Produkte für höhere Schaltfrequenzen entwickelt. Wir haben noch nicht alle technischen Details gelöst, aber wir arbeiten daran und wir haben einen ganz klaren Plan, wie wir dieses Marktsegment adressieren wollen.

Ich möchte noch hinzufügen: Wir waren bei SiC auch nicht die Ersten und sind mittlerweile trotzdem gut positioniert. Jedes Unternehmen muss priorisieren, sowohl finanziell als auch personell, und wir haben eben SiC priorisiert.

Wären Akquisitionen im GaN-Bereich denkbar?

Das wird sich zeigen, aber ich würde mal sagen, dass nichts ausgeschlossen ist. Die Privatisierung ist erst vor einem halben Jahr erfolgt, und eines ist ganz sicher: Es weht ein ganz anderer Wind, und zwar im positiven Sinne.


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