Ein GaN-Transistor besitzt keine Body-Diode im Rückwärtsbetrieb, wie man sie bei Si-Leistungs-MOSFETs kennt. Bei Si-Leistungs-Transistoren ist diese Freilaufdiode technologiebedingt integriert. Die meisten Schaltwandler-Topologien benötigen solch eine antiparallele Diode. Es gibt allerdings auch bei GaN-Transistoren ein nutzbares Rückwärtsverhalten, das nachfolgend beschrieben wird.
Vereinfacht kann ein GaN-Transistor bei kleineren Spannungen als ein bidirektionales Bauelement angesehen werden. Damit gilt die Gate-Schwellspannung nicht nur zwischen Gate und Source, sondern auch zwischen Gate und Drain. Das heißt: Auch wenn die Gate-Drain-Spannung größer wird als die Gate-Schwellspannung, wird das Bauelement leitend. Bei negativen Drain-Source-Spannungen kann dieser Zustand leicht erreicht werden.
Das Rückwärtsverhalten im dritten Quadranten der Ausgangskennlinie ähnelt dann dem Verhalten einer Freilaufdiode, wobei die Vorwärtsspannung der Diode von der Gate-Source-Spannung abhängig ist. Die Vorwärtsspannung dieser Quasi-Freilaufdiode errechnet sich aus UF = UGS – UTH. Im Durchlassbetrieb, wenn die Gate-Source-Spannung größer als die Schwellspannung ist, ist der Transistor ohnehin offen, sowohl im Vorwärts- als auch im Rückwärtsbetrieb.
Üblicherweise erfolgt aber die Rückleitung aus dem Sperrbetrieb, zum Beispiel als Freilauf bei einer induktiven Last. Das heißt, die Gate-Source-Spannung ist kleiner als die Schwellspannung und der Transistor schaltet in einen verlustbehafteten Rückwärtsbetrieb. Er hat dabei ein Dioden-Verhalten mit hoher Vorwärtsspannung. In der HEMT-Struktur entstehen die Verluste dabei lokal am Gate-Kontakt. Dies kann das Bauelement im Dauerbetrieb zerstören oder die Zuverlässigkeit reduzieren. Das Problem kann auf unterschiedliche Weise gelöst werden:
Trotz der Besonderheiten ist der Rückwärtsbetrieb von GaN-Transistoren sehr attraktiv. Denn im Vergleich zu Si-MOSFETs benötigen GaN-HEMTs eine nur sehr kleine Ladungsmenge QRR (Reverse Recovery Charge), um die Rückleitung aus dem Sperrbetrieb zu ermöglichen, und auch umgekehrt, um vom rückleitenden Zustand wieder in den Sperrbetrieb zu wechseln. Damit hat ein GaN-Transistor sehr kleine Schaltverluste zwischen Sperrbetrieb und Rückleitung. Analog zum Vorwärtsbetrieb kann für den Rückwärtsbetrieb das Produkt aus dem Durchlasswiderstand und der Schaltladung als Leistungskennzahl genutzt werden. Das Produkt RON,RVS∙QRR besteht in diesem Fall aus dem Durchlasswiderstand im Rückwärtsbetrieb und der Ladungsmenge, die für den Schaltvorgang benötigt wird. Im Vergleich zu Si-Bauelementen erreichen GaN- und SiC-Bauelemente deutlich geringere Werte.
Die Unterschiede sind bemerkenswert: In der 600-V-Klasse erzielen GaN und SiC 500- bis 1000-mal geringere Werte als Si-Body-Dioden von Leistungs-MOSFETs und 10-mal kleinere Werte als Si-Schottky-Dioden. Aufgrund der enorm kleinen Schaltladungsmengen wird manchmal sogar von „Zero-Recovery-Ladung“ gesprochen. Natürlich wird aber auch bei einem GaN-Schalter immer eine gewisse Ladungsmenge benötigt, um den Kanal zu öffnen oder zu sperren. Ein solcher GaN-Transistor mit integrierter Freilauf-Diode erreicht somit sehr kleine Schaltladungen, vergleichbar mit denen von GaN-Schottky-Dioden und SiC-Komponenten.
Die enorm kleinen Schaltladungen dieser GaN-Bauelemente ermöglichen völlig neue Schaltwandler-Anwendungen, gerade auch in Topologien, bei denen das Freilaufverhalten von großer Bedeutung ist.