Gerade heute zeigt sich, dass Energie nicht unbegrenzt verfügbar ist. »Stellen Sie sich vor, dass auf zukünftigen LKW-Parkplätzen 100 elektrifiziert fahrende LKWs geladen werden müssen. Da braucht man schon fast ein Kraftwerk, um die alle über Nacht zu laden«, sagt Raphael Hrobarsch, European Regional & Automotive Sales Manager bei Diodes. Das Problem fängt aber schon früher an. Stefan Singer, Fellow & Senior Director für EMEA CAS Automotive bei NXP Semiconductors, fragt beispielsweise, wo die Elektrizität herkommt, um gleichzeitig mehrere große E-Fahrzeuge mit z. B. 80 kW zu laden.
Ohne gute Ideen und einem Mix lassen sich diese Probleme nicht lösen. Auf einen interessanten Ansatz von Audi verweist Bröckelmann. Das Unternehmen nutzt beispielsweise in seinem Ladepark in Nürnberg gebrauchte Lithium-Ionen-Batterien als Pufferspeicher für Gleichstrom. Bei Audi heißt es: »Mit diesem Stromspeicher werden lokale Netzkapazitäten weniger stark beansprucht und auf eine aufwendige Infrastruktur mit Hochspannungszuleitung sowie teure Transformatoren wird verzichtet. Für den 2,45 MWh großen Batteriespeicher und seine sechs Ladestationen mit jeweils bis zu 320 kW Leistung ist eine Netz-Anschlussleistung von 200 kW ausreichend. Der Netzanschluss greift auf 100 Prozent Grünstrom zurück. Zusätzlich liefern Photovoltaik-Module auf dem Dach selbst erzeugten Strom.« Damit basiert der Audi Charging Hub auf einem nachhaltigen Batteriekonzept, das kurze Standzeiten dank hoher Lade-Performance sicherstellt. Bröckelmann weiter: »Wenn ein Fahrer sein Fahrzeug mit 270 kW laden will, dann kommt das erst einmal aus der Puffer-Batterie.«
Hrobarsch wiederum verweist auf ein Beispiel aus Frankreich; dort werden ganze Parkflächen mit Solar-Panels zugedeckt. »Wenn man sich überlegt, wie viele Quadratkilometer jede Stadt an Parkflächen hat, wenn man das alles nutzen würde, könnte jede Menge Energie erzeugt werden. Kombiniert man das noch mit Altbatterien als Puffer, lassen sich einige Probleme lösen. Technologisch ist das kein Hexenwerk, es braucht aber Leute, die die richtigen Weichen stellen, und auch Motivationshappen für die Industrie.« Und in dem Punkt sind sich die Teilnehmer des Halbleiterforums der Markt&Technik einig: So wie Investitionsanreize für den Käufer auf der Autoseite stattgefunden hat, so sind jetzt ähnliche Anreize notwendig, um die Infrastruktur voranzubringen.
Das Denken muss sich auch ändern
Bislang sind Fahrer von Verbrennungsmotoren große Reichweiten gewohnt, 800 km mit einem Diesel sind kein Problem. Dieses Denken kann sich aber ändern. Prats beispielsweise hat sich dank seines eigenen PHEV bereits daran gewöhnt, dass seine Reichweite rund 400 km beträgt. Auch, wie schnell ein Fahrzeug von 0 auf 100 km beschleunigt, wird in Zukunft kein Differenzierungsmerkmal mehr darstellen, denn E-Fahrzeuge können nun mal schnell beschleunigen. Und dass nicht jeder seiner eigenen Nase folgen kann, was nun mal der Begriff Individualverkehr irgendwie impliziert, wird sich ändern, denn »ich kann mein Fahrzeug mit zehn Nachbarn, die denselben Wunsch haben, nicht mehr genau dann laden, wann ich es möchte«, so Stefan Singer von NXP. Intelligente Ladekonzepte seitens der Energielieferanten schaffen Abhilfe.
Grundsätzlich ratsam wäre es, die Umstellung auf elektrifizierte Fahrzeuge bzw. ganz grundsätzlich den Umstieg von fossilen Brennstoffen auf andere Alternativen nicht als Problem, sondern als Chance zu sehen. Denn »wenn wir stärker elektrifizieren, wird die benötigte Energie abnehmen, das heißt, wir müssen weniger Energie importieren«, so Bröckelmann. Und Hrobarsch fügt abschließend hinzu: »Europa hat in Hinblick auf fossile Brennstoffe ein Alleinstellungsmerkmal; in Asien und China sieht es noch anders aus. Das kann Europa helfen, einen Vorsprung zu erlangen, der später wieder exportiert werden kann.«