In der Halbleiterindustrie heißt es offenbar weiterhin „fressen oder gefressen werden“. So übernimmt nun Microchip für 8,35 Mrd.Dollar den Wettbewerber Microsemi. Beide Unternehmen haben sich in den letzten Jahren fleißig an der Konsolidierung in der Halbleiterindustrie beteiligt.
Microchip und Microsemi haben sich beide in den letzten Jahren durch Zukäufe deutlich verstärkt. Dabei muss man allerdings zugeben, dass sich gerade Microsemi als das gefrässigere der beiden Unternehmen hervorgetan hat. Die Liste der geschluckten Halbleiterfirmen bei Microsemi ist lang. Sage und schreibe 33 Akquisitionen hat Microsemi zwischen Juli 1992 und November 2017 laut eigener Auflistung getätigt, mehr als eine Übernahme pro Jahr. Sicherlich handelt es sich dabei auch um viele kleinere Deals, aber es sind auch einige bekanntere Unternehmen darunter, wie PMC Sierra, Vitesse Semiconductor, Zarlink und Actel.
Für Microchip sind Akquisitionen ebenfalls nichts unbekanntes, auch wenn die Liste deutlich kürzer ausfällt. Besonderen Appetit auf Übernahmen entwickelte Microchip offensichtlich erst in der laufenden Dekade. Seitdem hat sich der Halbleiter-Hersteller aus Arizona unter anderem SMSC (2012), Supertex und ISSC (2014), Micrel (2015) sowie das Schwergewicht Atmel (2016) für 3,56 Mrd. Dollar einverleibt.
Zur Einordnung des Deals lohnt sich ein Blick auf die Geschäftszahlen: Microchip als Konsolidierer ist mit 3,41 Mrd. Dollar Umsatz im Geschäftsjahr 2017 fast doppelt so groß wie Microsemi mit 1,81 Mrd. Dollar. Also entspricht der Kaufpreis von 8,35 Mrd. Dollar etwa dem 4,7-fachen Jahresumsatz von Microsemi. Nicht gerade ein Schnäppchen, aber auch nicht hoffnungslos überzogen.
Beim Gewinn lag Microsemi sogar absolut mit 176,3 Mio. Dollar knapp vor Microchip mit 170,6 Mio. Dollar. Doch das ist lediglich eine Momentaufnahme. Im Vorjahr setzte Microchip noch 2,17 Mrd. Dollar um und Microsemi war mit 1,65 Mrd. Dollar nicht weit entfernt. Während sich Microchip damals aber noch über einen Gewinn von 324,1 Mio. Dollar freuen durfte, musste Microsemi einen Verlust von 32,6 Mio. Dollar verbuchen. In dieser Schwächephase könnte Microchip die Idee der Übernahme entwickelt haben.
Angesichts von Übernahmeangeboten im dreistelligen Milliarden-Dollar-Bereich, die Broadcom bei dem offensichtlich feindlichen Übernahmeversuch für Qualcomm bietet, sehen einstellige Milliardenbeträge eher wie ein Schnäppchenpreis aus. Freilich liegen zwischen den Übernahmekandidaten Qualcomm und Microsemi Welten. Das erklärt diesen Preisunterschied. Im Gegensatz zum feindlichen Übernahme-Poker zwischen Broadcom und Qualcomm, scheint es sich bei Microchip und Microsemi um eine freundliche Übernahme zu handeln, denn beide Verwaltungsräte empfehlen ihren Aktionären den Merger zum ausgehandelten Preis von 8,35 Mrd. Dollar netto. Ganz anders ist die Lage bei einem feindlichen Übernahmeangebot. Broadcom sah sich mittlerweile veranlasst, das eigene Angebot von ursprünglich 103 auf 121 Mrd. Dollar nachzubessern und Qualcomm wehrt sich weiter nach Kräften. Jüngst bemühte Qualcomm sogar juristische Kniffe, die Übernahmen von US-Firmen durch Unternehmen mit Sitz im Ausland aus Gründen der nationalen Sicherheit verhindern können. Broadcom sitzt offiziell noch in Singapur, aber arbeitet nach eigenen Angaben bereits an einer Verlegung in die Vereinigten Staaten. Derartige Probleme braucht Microchip wohl nicht zu fürchten, auch wenn Microsemi ein substantielles Rüstungsgeschäft mitbringt.
Microchip wird mit der Übernahme von Microsemi zu einem 5,2-Mrd.-Dollar-Unternehmen und steigt damit in eine neue Liga auf. Hoffentlich vertragen sich die beiden Unternehmenskulturen.